April 2018
Autor: Alexander Hirschle
Viele Südkoreaner haben eine deutliche Meinung zur Kernkraft. Hier fordern Aktivisten in Seoul, ältere Reaktoren abzuschalten.
© picture alliance/Kyodo
Als im November 2017 ein Erdbeben der Stärke 5,4 die Stadt Pohang in Südkorea erschütterte, waren die Wellen bis in die 270 Kilometer entfernte Hauptstadt Seoul zu spüren. Fensterscheiben erzitterten, hohe Gebäude schwankten und viele Bewohner der Zehn-Millionen-Metropole waren beunruhigt – schließlich gilt Südkorea eigentlich nicht als Erdbebengebiet. Noch stärker besorgt waren die Menschen in der Region Gyeongju, denn dort befinden sich vier Reaktoren. Erinnerungen an die Katastrophe von Fukushima im benachbarten Japan wurden wach und schürten Ängste, dass eine ähnliche Katastrophe auch in Südkorea möglich sein könnte.
Fukushima löste im Jahr 2011 auch im Land der Morgenstille kontrovers geführte Debatten über die Sicherheit von Kernenergie aus. Die öffentliche Meinung war lange gespalten. Als der neue Präsident Moon Jae-in im Mai 2017 an die Macht kam, schlug das Pendel schließlich in Richtung Abkehr von der Atomkraft aus: Moon hatte sich den Ausstieg aus der Atomkraft bereits im Wahlkampf als eines seiner großen Ziele auf die Fahnen geschrieben.
Erster Reaktor stillgelegt
Aktuell ist geplant, den Betrieb der momentan aktiven 24 Reaktoren schrittweise zu reduzieren. Bis 2031 soll die Zahl auf 18 und bis 2038 auf nur noch 14 Einheiten nach unten geschraubt werden. Demzufolge wird auch der Rückbau alter Anlagen künftig an Bedeutung gewinnen: Allein für den ältesten Reaktor des Landes, Kori 1 bei Busan, der im Juni 2017 abgeschaltet wurde, werden Kosten von etwa 640 Millionen US-Dollar veranschlagt. Bis 2022 soll in einer ersten Kühlphase der Rückbau vorbereitet werden. Die zweite, parallel laufende Phase beinhaltet die Kühlung der Brennstäbe, den Bau von Kühlanlagen und den Transport der Brennstäbe. Die dritte Stufe von Juni 2022 bis Dezember 2030 soll den Abbruch des Kraftwerks umfassen. Für die Restaurierung des Geländes sind dann abschließend weitere zwei Jahre vorgesehen. Weitere zehn Reaktoren werden nach Ablauf ihres Lebenszyklus voraussichtlich bis 2030 abgeschaltet und dann schrittweise zurückgebaut.
In der ersten Phase des Rückbaus von Kori 1 gibt es viel zu tun: Mitarbeiter müssen geschult, Projektpläne und Strategien entwickelt werden. Dabei prüft Südkorea aktuell noch lokale Technologien, allerdings sind Kooperationen mit ausländischen Dienstleistern und Lieferanten wahrscheinlich. Für deutsche Firmen ist daher jetzt die richtige Zeit, sich im Markt zu positionieren und die notwendigen Kontakte aufzubauen. Wichtigster Ansprechpartner ist die staatliche Betreibergesellschaft Korea Hydro & Nuclear Power, eine Tochtergesellschaft des ebenfalls öffentlichen Energieriesen Kepco, kurz für Korea Electric Power Corporation.
»Wir planen eine enge Kooperation mit südkoreanischen Unternehmen.«
Stefan Rentsch, Geschäftsführer beim TÜV SÜD Korea
Ziel: eigenes Know-how entwickeln
Gleichzeitig plant Südkorea, lokale Expertise aufzubauen und eigene Technologien voranzutreiben. Experten gehen davon aus, dass das Land allerdings rund zehn Jahre benötigen wird, um das entsprechende technologische Know-how vollumfänglich zu entwickeln.
Branchenkenner sehen für deutsche Firmen gute Kooperations- und Lieferchancen, wenn es um die Stilllegung von Kernkraftwerken in Südkorea geht. Stefan Rentsch ist Geschäftsführer beim TÜV SÜD Korea und ist einer dieser Branchenkenner. „Der TÜV SÜD hat in mehr als 25 Jahren umfangreiches Know-how beim Rückbau kerntechnischer Anlagen erworben“, so Rentsch. „Wir planen auf dieser Basis in Zukunft eine enge Kooperation mit südkoreanischen Unternehmen in Bereichen wie Beratung im Genehmigungsverfahren, Waste Management und der Zwischen- und Endlagerung radioaktiven Abfalls.“
Deutsche Technologie mit gutem Ruf
Deutsche Unternehmen haben in Südkorea gute Karten, schließlich ist auch dort „Made in Germany“ als Qualitätsmerkmal bekannt. Gleichzeitig wird die Bundesrepublik in Südkorea – wie in vielen anderen Bereichen – auch bei der Energiewende als Vorbild und Benchmark gesehen. Weitere Pluspunkte: Bisher haben deutsche Unternehmen in Südkorea viele Projekte reibungslos abgewickelt. Die Unternehmer bringen langjährige Erfahrung in diesem Bereich mit und achten auf die Qualität der Produkte – was vielleicht eines Tages dafür sorgen könnte, dass die Bewohner Südkoreas trotz vermehrter Erdbeben künftig wieder ruhiger schlafen.
Strommix in Südkorea
Kohle
Kernkraft
Gas
Erneuerbare Energien
Erdöl
Quelle: Korea Energy Economics Institute, Schätzungen 2017
Service & Kontakt
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Germany Trade & Invest plant für ostdeutsche Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energien und Cleantech-Industrie für Anfang Oktober eine Delegationsreise nach Südkorea.
Weitere Informationen unter: www.gtai.com/delegation-korea-2018
GTAI-Ansprechpartner Südkorea
Oliver Höflinger
+49 30 200099 327
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