Dezember 2018
Autor: Marc Lehnfeld
So stellt sich Rolls-Royce, britischer Hersteller von Schiffsmotoren und -propellern, das autonom fahrende Schiff der Zukunft vor. In Finnland testen die Briten solche Konzepte bereits. © Rolls-Royce Marine
Wer sich ein Bild von Finnlands Forschungsexzellenz machen möchte, der sollte in die drei Autostunden von Helsinki entfernten Hafenstädte Rauma oder Pori fahren. Schon bald könnten von dort aus die ersten Schiffe ohne Kapitän an Bord in See stechen, um in dem vor der Küste gelegenen Testgebiet Jaakonmeri die ersten Fernsteuerungslösungen zu erproben. Das etwa 127 Quadratkilometer große Areal steht seit Juli 2018 allen Technologieentwicklern offen.
Im Unternehmenscluster One Sea in Turku werden die Entwicklungsaktivitäten der Mitgliedsunternehmen koordiniert. Bei One Sea geht es nicht nur um Technik: Die Finnen unterstützen die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO auch bei der Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen. „Damit die Steuerungslösungen aus der Forschung bald auch in der internationalen Seefahrt eingesetzt werden können“, erklärt Päivi Haikkola, Leiterin der Koordinierungsstelle One Sea – Autonomous Maritime Ecosystem. „Außerdem entwickeln wir mit unseren Clustermitgliedern brancheneinheitliche Standards.“
Auch der deutsche Schiffbauer Meyer Werft forscht im Cluster. Dazu kommen Technologiefirmen wie Rolls-Royce, Wärtsilä, Ericsson und ABB. Diese investieren kräftig: Wärtsilä, der finnische Spezialist für Schiffsmotoren, will bis zum Jahr 2020 für rund 83 Millionen Euro ein neues Fertigungskonzept in Vaasa aufbauen. Dort legt das Unternehmen seine Forschungs-, Produktentwicklungs- und Produktionsaktivitäten zusammen, um die Innovationszyklen zu verkürzen. Auch externe Partner wie Unternehmen, Universitäten und Start-ups sollen mitentwickeln. Clusterpartner Rolls-Royce hat bereits Anfang 2018 im südwestfinnischen Turku ein Forschungszentrum mit dem Schwerpunkt autonome Schifffahrt eröffnet.
Zahlen & Fakten
Finnlands größte Unternehmen nach globalen Forschungsausgaben
Ausgaben 2017 | Forschungsintensität1) | |
Nokia | 4.916 Mio. | 21,2 % |
Kone | 158 Mio. | 1,8 % |
Wärtsilä | 141 Mio. | 2,9 % |
Stora Enso | 127 Mio. | 1,3 % |
Orion Corporation | 105 Mio. | 9,7 % |
Amer Sports | 102 Mio. | 3,8 % |
Cargotec | 92 Mio. | 2,8 % |
Tieto | 75 Mio. | 4,9 % |
1) Forschungsintensität als Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Umsatz desselben Jahres. Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Eines der innovativsten Länder der Welt
Die autonome Schifffahrt ist nur ein Beispiel für die Forschungsexzellenz Finnlands, das zu den international renommiertesten Forschungsstandorten gehört. Im Global Competitiveness Index 2017–2018 des Weltwirtschaftsforums rangiert Finnland bei „Innovation“ auf dem vierten Platz nach der Schweiz, den USA und Israel. Rund 2,7 Prozent der Wirtschaftsleistung gaben Unternehmen und Staat 2016 für Forschung und Entwicklung aus. In einem Vergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung belegen die Finnen damit den zehnten Platz.
Doch finnische Forscher haben auch schon mal bessere Zeiten gesehen. Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise und die langwierige Umstrukturierungswelle beim einstigen finnischen Mobilfunkriesen Nokia haben die Forschungslandschaft massiv belastet. Von 2009 bis 2015 halbierten sich die weltweiten Ausgaben für Forschung und Entwicklung des Nokia-Konzerns nahezu, Forschungszentren wurden geschlossen. Damit wurden auch die finnischen Forschungsausgaben insgesamt kleiner: Sie sanken im selben Zeitraum um knapp elf Prozent.
Testgebiet Jaakonmeri: Moderne Geisterschiffe in Aktion
In dem knapp 18 Kilometer langen und sieben Kilometer breiten Küstenstreifen im Südosten Finnlands (Detail) dürfen internationale Spezialisten autonom fahrende Schiffe ohne menschlichen Kapitän testen. Mit dabei: Rolls-Royce, Wärtsilä, Ericsson, ABB und die deutsche Meyer Werft.
Mittlerweile geht es Finnland wieder besser, auch wenn die Forschungsbudgets der Regierung ausbaufähig bleiben. Nokia gehört seit der Übernahme des Konkurrenten Alcatel-Lucent zu den größten Netzwerkausrüstern weltweit und ist damit wieder Finnlands größtes Unternehmen sowie ein wichtiger Innovationstreiber. Hinzu kommen neue Forschungsinitiativen der Industrie wie die zur autonomen Schifffahrt sowie eine rege Start-up-Szene mit Gründern aus dem Ex-Nokia-Umfeld, darunter bekannte Gaming-Schmieden wie die Angry-Birds-Macher Rovio oder die Clash-of-Clans-Entwickler Supercell.
Auch deutsche Unternehmen können von der Innovationsbereitschaft der Finnen profitieren. „Wir würden gerne weitere deutsche Unternehmen in unserem Netzwerk begrüßen“, sagt One-Sea-Leiterin Haikkola. Denn sie weiß: Nur mit Forschung und Entwicklung lässt sich kein Geld verdienen. Um die Ideen auf den Markt zu bringen, werden starke Industriepartner gesucht – auch aus Deutschland.
Service & Kontakt
Ihre GTAI-Ansprechpartnerin Finnland
Barbara Kussel
+49 228 24 993 356
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An autonomer Schifffahrt interessierte deutsche Firmen können 2019 an einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten KMU-Markterschließungsreise teilnehmen.
Kontakt: schuchard@enviacon.com
Twitter: @GTAI_Helsinki
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