Februar 2020
Autorin: Nadine Bauer
Französischer Dockarbeiter auf einem Container am flämischen Terminal im Hafen von Dünkirchen. Viele internationale Käufer und Verkäufer, die ihre Ware in der französischen Hafenstadt umschlagen lassen, haben die Bedingungen im Vertrag über eine Incoterms®-Klausel festgelegt – unmissverständlich. © Laurent MAYEUX/REA/laif
Man kann die Incoterms® als Allgemeine Geschäftsbedingungen des Welthandels verstehen, denn sie regeln Rechte und Pflichten von Käufern und Verkäufern im globalen Warenverkehr. Die Lieferbedingungen stehen bei Vertragsverhandlungen häufig nicht im Vordergrund – deshalb hat die Internationale Handelskammerr (ICC) die Incoterms® geschaffen. Damit sie ihre Wirkung entfalten können, müssen die Vertragsparteien diese Geschäftsbedingungen in den Vertrag einbeziehen. Für 2020 hat die ICC das Regelwerk zum inzwischen neunten Mal überarbeitet. Die neuen Incoterms® sind im Vergleich zur letzten Revision aus dem Jahr 2010 systematischer aufgebaut, sollen sich daher einfacher anwenden lassen und sich vor allem auch stärker an den Entwicklungen in der Handelspraxis orientieren.
In der Überarbeitung finden sich zu jeder einzelnen Klausel detailliertere Kommentare, die auch die jeweils wesentlichen Unterschiede zur alten Fassung erklären. Außerdem erläutert nun ein eigener Absatz, welche Kosten durch die gewählte Regelung entstehen. Gedacht ist das Ganze für Händler, Im- und Exporteure. Interessierte finden die offiziellen Texte mit ausführlichen Details im Buch „Incoterms® 2020“ der ICC.
Incoterms®
Allgemeine Geschäftsbedingungen
Incoterms® steht für International Commercial Terms. Sie werden von der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce – ICC) seit 1936 herausgegeben. Sie stellen weltweit anerkannte Handelsbedingungen für eine standardisierte Abwicklung von internationalen Liefergeschäften dar und regeln die Rechte und Pflichten von Käufern und Verkäufern rund um die Lieferung einer Ware. Die Vertragsparteien nehmen die entsprechende Klausel in ihren Vertrag auf. Die Incoterms® ersetzen auf diese Weise zwar keinen Kaufvertrag, wirken aber harmonisierend, weil sie Standards setzen. Damit leisten sie einen großen Beitrag zur Effektivität internationaler wie auch nationaler Handelsverträge.
Incoterms®-2020-Klauseln unter der Lupe
Die elf Klauseln tragen als Bezeichnung jeweils einen Code bestehend aus drei Großbuchstaben. Es gibt vier Gruppen von Klauseln, die mit „E“, „F“, „C“ oder „D“ anfangen. Die Gruppen unterscheiden sich im Zeitpunkt, in dem in der Lieferkette die „Preisgefahr“ vom Verkäufer auf den Käufer übergeht (sogenannter Gefahrübergang). Preisgefahr ist hierbei die Gefahr, eine Gegenleistung erbringen zu müssen, ohne die geschuldete Leistung zu erhalten. Auch regeln die jeweiligen Gruppen die Verteilung der Kosten zwischen den Parteien einheitlich.
Bei der Entscheidung für eine bestimmte Klausel ist grundsätzlich ausschlaggebend, wie die Ware transportiert werden soll. Folgende Klauseln finden sich in der 2020er-Version: EXW (Ab Werk), FCA (Frei Frachtführer), FAS (Frei Längsseite Schiff), FOB (Frei an Bord), CPT (Frachtfrei), CFR (Kosten und Fracht), CIP (Frachtfrei versichert), CIF (Kosten, Versicherung und Fracht), DAP (Geliefert benannter Ort), DPU (Geliefert benannter Ort entladen) und DDP (Geliefert verzollt). EXW stellt die für den Verkäufer vorteilhafteste Klausel dar, DDP wiederum ist die käuferfreundlichste Variante.
Die Klauseln FAS, FOB, CFR und CIF sind ausschließlich für den See- und Binnenschiffstransport konzipiert und werden üblicherweise für den Handel mit Schüttgut (etwa Mineralien oder auch Getreide) verwendet, bei dem gerade kein Containertransport stattfindet. Die übrigen Klauseln lassen sich bei allen Transportarten vereinbaren. Man kann auch mehrere Transportarten miteinander kombinieren (sogenannter multimodaler Transport).
Interview
»Die Nutzerfreundlichkeit ist gestiegen.«
Oliver Wieck, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer (ICC) in Deutschland, über die Bedeutung der Incoterms®.
Warum sollte jeder Exporteur die Incoterms® kennen?
Sie bieten einen global anerkannten Standard für die Verantwortlichkeiten des Verkäufers und des Käufers bei der Lieferung von Waren. Die Regeln werden alle zehn Jahre weiterentwickelt und sind überall auf der Welt akzeptiert: Inzwischen enthalten rund 90 Prozent aller internationalen Kaufverträge die Incoterms®-Klauseln der ICC.
Wie wirken sich die Klauseln in der Praxis aus?
Mit der Aufnahme einer Incoterms®-Klausel sind die Rechte und Pflichten von Verkäufer und Käufer bei der Lieferung der Ware klar geregelt. Verpflichtet sich der Verkäufer zum Beispiel nach DPU, die Ware am Bestimmungsort zu entladen, muss er auch in der Lage sein, die Entladung am benannten Ort auf eigene Verantwortung zu organisieren.
Sind die Incoterms® unter exportierenden Mittelständlern so bekannt, wie sie sein sollten?
Die Incoterms® sind bekannt, allerdings wenden Nutzer teilweise Klauseln wie EXW oder DDP an, die in vielen Fällen nicht die beste Option für ihr Unternehmen sind. Die Incoterms®-Seminare von ICC Germany zielen deshalb nicht nur darauf ab, die Anwender über die aktuellen Änderungen zu informieren. Vielmehr schulen unsere Experten die Nutzer auch in der konkreten Anwendung der Klauseln.
Warum wurden die Incoterms® reformiert?
Die Incoterms® 2020 berücksichtigen die seit 2010 veränderten Handelspraktiken, die Neuerungen in der Handelsfinanzierung und beim Versicherungsschutz sowie die in den letzten Jahren gestiegenen Sicherheitsanforderungen. Die Nutzerfreundlichkeit ist deutlich verbessert worden, das erleichtert den Anwendern die richtige Auswahl.
Unterscheidung der einzelnen Pflichten
Jede einzelne Klausel ist mit bestimmten Pflichten verbunden. Welche genau das sind, definiert die ICC für zehn unterschiedliche Bereiche jeweils spiegelbildlich für Verkäufer wie Käufer. Es gibt: Allgemeine Verpflichtungen (A1/B1), Lieferung (A2) beziehungsweise Übernahme (B2), Gefahrübergang (A3/B3), Transport (A4/B4), Versicherung (A5/B5), Liefer-/Transportdokument (A6/B6), Ausfuhr-/Einfuhrabfertigung (A7/B7), Prüfung, Verpackung, Kennzeichnung (A8/B8), Kostenverteilung (A9/B9) und Benachrichtigungen (A10/B10). Die Nummerierungen A1 bis A10 bezeichnen die Pflichten des Verkäufers, die Nummerierungen B1 bis B10 die des Käufers.
So funktionieren die Regeln in der Praxis
Haben Verkäufer und Käufer die entsprechende Klausel wirksam in den Kaufvertrag einbezogen, müssen sie das gesamte Pflichtenprogramm beachten, das sich aus der gewählten Klausel ergibt. Die Parteien sind nicht verpflichtet, die aktuellste Version der Incoterms® zu vereinbaren, sondern sie können sich auch auf Vorgängerversionen einigen. Da sich mit den Jahren allerdings inhaltliche Änderungen der einzelnen Klauseln ergeben haben, empfiehlt die ICC neben der jeweils gewählten Klausel auch den Lieferort und die gewünschte Fassung des Regelwerks zu nennen. Und zwar mit folgender Formulierung: „[gewählte Klausel] [benannter Hafen, Ort oder Stelle] Incoterms® [Jahr]“. So lassen sich Unklarheiten vermeiden und Rechtssicherheit schaffen. Ist kein Jahr genannt, gilt in der Regel die neueste Version.
Was hat sich geändert?
Auch nach der Reform besteht das ICC-Regelwerk weiterhin aus elf individuellen Klauseln. Die Reihenfolge haben die Handelsexperten aber teilweise angepasst, sie orientiert sich nun am Zeitpunkt der Lieferung sowie des Gefahrübergangs. Wichtige Änderungen gibt es außerdem in folgenden Bereichen:
Die Version 2010 erfasste nur den Transport durch einen beauftragten Frachtführer. Die neue Fassung sieht jetzt auch die Möglichkeit vor, dass Verkäufer oder Käufer den Transport selbst durchführen, das heißt mit eigenen Transportmitteln. Diese Option gilt für den Verkäufer im Rahmen von DAP, DPU und DDP und ist für den Käufer bei FCA relevant.
Wichtig ist auch die Umbenennung von DAT (Geliefert Terminal) in DPU (Geliefert benannter Ort entladen). Die gewöhnungsbedürftig klingende deutsche Übersetzung bedeutet, dass der Bestimmungsort nicht nur ein Terminal sein kann, sondern auch ein anderer Ort, an dem der Verkäufer die Ware tatsächlich abladen kann.
Inhaltliche Änderungen gibt es auch bei den Klauseln FCA, CIP und CIF: Die Klausel FCA wurde um die Option eines sogenannten „Konnossements mit An-Bord-Vermerk“ erweitert. Das heißt: Der Verkäufer kann vom Frachtführer des Käufers einen Frachtbrief verlangen, den er dann bei einer beteiligten Bank vorlegt, um den Kaufpreis ausgezahlt zu bekommen. Bei den Klauseln CIF und CIP wiederum wurden unterschiedliche Deckungsstufen der Transportversicherung eingeführt, die aus den Besonderheiten des multimodalen Transports resultieren. Für CIP ist von nun an eine Transportversicherung mit Deckungsstufe A (All-Risk) abzuschließen.
Neu ist auch: Aufgrund der weltweit gestiegenen Sicherheitsanforderungen finden sich nun explizite Regelungen zu den transportbezogenen Verpflichtungen für Verkäufer und Käufer in A4/B4 und A7/B7 der jeweiligen Klausel. Die Verteilung der hierbei anfallenden Kosten ist in A9/B9 geregelt. In der Fassung von 2010 war das noch nicht der Fall.
Service & Kontakt
Nähere Informationen zur Funktionsweise der Incoterms® unter:
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