»Altersgemischte Teams sind kein Allheilmittel«

PD Dr. Stephan Getzmann, Leiter der Forschungsgruppe „Altern“ am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) und Dr. Wladislaw Rivkin, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IfADo, über die positiven und negativen Auswirkungen des Alterns auf Arbeitnehmer – und wie Unternehmen sich auf sie einstellen können.

Februar 2017

Wie wirkt sich die Alterung auf den arbeitenden Menschen aus: Was wird schlechter, was wird besser?

Getzmann: Die perzeptuellen und kognitiven Fähigkeiten lassen im Durchschnitt nach. So hören und sehen Ältere zumeist schlechter als Jüngere. Ferner sind sie bei der Bewältigung wechselnder Aufgaben oft weniger flexibel, das heißt das Wechseln von einer Aufgabe zur anderen beziehungsweise das Anpassen an geänderte Rahmenbedingungen fällt ihnen schwerer.

Ältere lassen sich unter komplexen Bedingungen leichter ablenken, zum Beispiel reagieren sie an einer Leitwarte eher auf irrelevante Reize und übersehen relevante Reize. Müssen sie verschiedene Variablen unter Kontrolle halten, fällt es Ihnen schwerer, die richtigen auszuwählen, wenn Unvorhergesehenes passiert.

Es gibt aber auch Fähigkeiten, die sich mit dem Alter entwickeln; diese sind meist erfahrungsbezogen und basieren auf Lernprozessen im Laufe eines Lebens. Ein älterer Mensch weiß zum Beispiel eher, mit komplexen Situationen umzugehen, da er diese in seinem Leben häufiger erlebt hat.

Ferner nehmen Fähigkeiten wie zum Beispiel die Sprachverarbeitung und die Sprachinterpretation zumeist nicht ab. In der sogenannten kristallinen Intelligenz, also der Allgemeinbildung und dem Faktenwissen, sind Ältere also meist viel besser als Jüngere. Schlechter schneiden Ältere bei der fluiden Intelligenz ab, also bei den eher auf Geschwindigkeit bedachten Funktionen.

Zwei Sachen möchte ich dabei jedoch betonen: Zum einen öffnet sich mit zunehmendem Alter die Schere zwischen den Älteren, die eine Sache gut können und denen, die sie nicht so gut können. Zum anderen ist es schwierig, vom Durchschnitt auf die individuelle Alterung einer bestimmten Person zu schließen; denn auf den Alterungsprozess wirken sehr viele Dinge ein, darunter die Lebensweise, die gemachten Erfahrungen, der Zustand des Immunsystems und natürlich auch die genetische Ausstattung eines Menschen.

Was passiert, wenn eine Belegschaft altert, ohne dass Maßnahmen zur Förderung Älterer ergriffen werden, und was passiert wenn Maßnahmen durchgeführt werden?

Rivkin: Wenn der Betrieb keine Maßnahmen durchführt, nehmen die bereits genannten Fähigkeiten ab. Man würde folglich vermuten, dass die Leistungsfähigkeit, die ja von diesen Fähigkeiten abhängt, im Durchschnitt auch abnehmen würde, hierzu bestehen jedoch kaum wissenschaftliche Untersuchungen. Zudem ist diese Abnahme von Fall zu Fall sehr unterschiedlich und abhängig von Maßnahmen, die auf diesen Prozess Einfluss nehmen.

Wenn man zum Beispiel individuelle Maßnahmen im Betrieb zur Förderung von älteren Mitarbeitern einführt, dann wird die Abnahme der Leistungsfähigkeit abgeschwächt, das heißt, es findet immer noch eine Abnahme statt, diese ist jedoch nicht mehr so stark. Je mehr Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen durchgeführt werden, desto geringer ist die Abnahme der Leistungsfähigkeit. Beispielsweise reduzieren ergonomische Maßnahmen zusammen mit individuellen kognitiven Trainings die Abnahme der Leistungsfähigkeit noch stärker.

Wird die Führungskräfteentwicklung mit dem Fokus alternsgerechtes Führen miteinbezogen, dann wird die altersbedingte Leistungsabnahme zusätzlich reduziert. Je mehr Maßnahmen in dieser Hinsicht ineinandergreifen, desto mehr kann man die altersbedingte Leistungsabnahme reduziert werden, bis zu dem Punkt, an dem man eigentlich keine Abnahme mehr hat.

Sind altersgemischte Teams dabei ein Allheilmittel, um den Folgen der Alterung der Belegschaft entgegenzuwirken?

Rivkin: Eine altersheterogene Zusammensetzung von Teams ist im Gegensatz zu populären Ansichten für die Arbeitsleistung und die psychische Gesundheit der Mitarbeiter wie auch für die Innovationsfähigkeit per se nicht unbedingt gut. In unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass altersgemischte Teams hier schlechter abschneiden als altershomogene.

Dies liegt vor allem an inhaltlichen und persönlichen, arbeitsbezogenen, Konflikten zwischen verschiedenen Altersgruppen, welche die Leistungsfähigkeit altersgemischter Teams einschränken. Nicht zuletzt können sich auch Subgruppen bilden, das heißt Jüngere und Ältere separieren sich innerhalb des Teams und es wird gegeneinander gespielt.

Es gibt dabei ein „Aber“. Und dieses betrifft die Rahmenbedingungen unter denen die Teams arbeiten. Unsere Untersuchungen zeigen, dass es zum Beispiel von der Aufgabenschwierigkeit abhängt, ob altershomogene oder -heterogene Teams leistungsfähiger sind. Bei einfachen Aufgaben haben altershomogene Teams die Nase vorn; bei komplexen Aufgaben altersheterogene Teams. In anderen Worten: Bei einfachen Aufgaben braucht man keine Altersdiversität. Auch das Teamklima hat Einfluss.

Ist dieses gut, werden die Kollegen unabhängig ihres Alters wertgeschätzt und ist man stolz auf das Team, dann sind altersgemischte Teams leistungsfähiger als altershomogene. Altersstereotype spielen ebenfalls eine Rolle. Herrschen in einem Team viele Altersstereotype vor, dann ist eine hohe Altersheterogenität nicht leistungsförderlich. Ein Faktor, der Einfluss auf diese Rahmenbedingungen hat, ist Führung, beispielsweise können Führungskräfte zwischen Jung und Alt vermitteln.

Mit dem Verbundprojekt INNOKAT hat das IfADo einen neuartigen Lösungsansatz bereitgestellt, der speziell KMU dabei unterstützt, die Innovationsleistung altersgemischter Belegschaften zu fördern. Das Projekt zielt darauf ab, altersbedingten Leistungsabfällen durch individuelle Maßnahmen, wie zum Beispiel Trainings und Stressmanagement, entgegenzuwirken, also die fluide Intelligenz zu fördern.

Gibt es kulturelle Unterschiede beim Umgang mit alternden Belegschaften?

Getzmann: Je nach Geschichte und Kultur wird unterschiedlich mit dem Thema Alter umgegangen. Es gibt Kulturen, in denen das Alter einen höheren Stellenwert hat als bei uns. Im asiatischen Raum wird die Weisheit der Alten geschätzt, ohne sie zu überschätzen. Aber ich glaube, dass auch bei uns ein Umdenken stattfindet und die Erfahrung der Älteren mehr geschätzt wird. Zum Beispiel gibt es große Sorgen, dass das Wissen der Älteren mit Ihnen aus der Firma ausscheidet. Es ist also ein großes Thema, wie man dieses Wissen auf die Jüngeren übertragen kann, damit nicht zu viel verlorengeht.

Rivkin: Viele Unternehmen erkennen dieses Thema gerade erst für sich. Schon manche Demografieanalyse der eigenen Belegschaft hat bei Unternehmensverantwortlichen zu großen Augen geführt. In größeren Unternehmen wird dieses Thema in der Regel besser adressiert, da diese mehr Ressourcen haben. KMU dagegen haben weniger Know-how und Ressourcen, um sich mit dem Thema zum Beispiel in Form von Wissenstransfermanagement auseinanderzusetzen.

Vor dem Hintergrund Ihrer Forschung und Ihren persönlichen Erfahrungen, haben Sie einen Tipp, wie man ganz allgemein gut mit dem Altwerden umgehen kann?

Getzmann: Wenn man alles einbezieht, überwiegt beim Altern leider die Abnahme. Man sollte daher diejenigen Fähigkeiten und Eigenschaften vermehrt nutzen, die sich beim Altern herausbilden, wie etwa Erfahrungen, Weisheit und Weitblick. Das ist etwas, was die Gesellschaft mittel- und langfristig voranbringt. Ein anderer wichtiger Punkt kann sein, seine jeweilige Komfortzone an die sich verändernden Fähigkeiten anzupassen, das heißt, das zu wollen oder zu leisten, was man noch vollbringen mag.

Also sich weder gehen zu lassen, noch gegen altersbegleitende Veränderungen anzukämpfen. Man muss also sehen, welche Handlungsmöglichkeiten man gerade hat und versuchen innerhalb dieser Möglichkeiten, auch wenn sich diese verändern oder verengen, ein reichhaltiges Leben mit Zufriedenheit und Neugier zu führen.

Foto: PD Dr. Stephan Getzmann und Dr. Wladislaw Rivkin, Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) | © GTAI

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