Amerika mauert
Das Freihandelsabkommen USMCA ist restriktiver als sein Vorgänger Nafta. Vor allem die deutsche Kfz-Industrie bekommt dies zu spüren. Von einigen Regeln dürften deutsche Unternehmen aber profitieren.
Dezember 2020
Autoren: Sofia Hempel, Daniel Lenkeit, Susanne Scholl und Ullrich Umann

Seit 1. Juli bestimmt das United States Mexico Canada Agreement, kurz: USMCA, den Handel zwischen den nordamerikanischen Staaten. Trotz seines gigantischen Umfangs wurde der Nafta-Nachfolger um ein entscheidendes Detail gekürzt – nämlich um den Begriff Freihandel. „Freihandelsabkommen sollten eigentlich die Märkte öffnen und Handelshemmnisse abbauen“, heißt es vom Verband der Deutschen Automobilindustrie. „USMCA trägt in dieser Form nicht zur Liberalisierung des globalen Handelssystems bei.“ (Lesen Sie auch: „Deutsche Autobauer in schwierigem Fahrwasser“)
Neben strengeren Ursprungsregeln, die unter anderem auch für die Chemie-, Stahl- und Textilbranche gelten, spielt der Verband damit auf die Mindestlohnanforderung in der Kfz-Branche an. Diese Vorgaben seien für die Automobilindustrie mit großem Aufwand und erheblichen Mehrkosten verbunden. Und: Sie treffen Unternehmen mit Fertigungsstätten in Nordamerika genauso wie deutsche Exporteure, die Firmen jenseits des Atlantiks mit Vorprodukten beliefern.
Kommentar:
Die Zeit läuft
Als Honeymoon, also als Flitterwochen, bezeichnen Fachmedien den Zustand, in dem sich die Wirtschaft und das USMCA-Abkommen befinden. Fragen zum Abkommen? Gibt es keine. In den ersten drei Monaten seit Inkrafttreten des Abkommens sind bei den drei deutschen Auslandshandelskammern in den USA noch keine Anfragen dazu eingegangen. Der Handlungsdruck deutscher Firmenniederlassungen und deutscher Exporteure ist vorerst nur gering. Derzeit konzentrieren sich die Unternehmen mit voller Kraft auf die Überwindung der Coronakrise. Die Unternehmen sollten sich aber nicht zu lange Zeit lassen, denn die Übergangsfristen laufen Stück für Stück aus: die erste Ende 2020 für Ursprungsnachweise, die letzte 2027 für schwere Nutzfahrzeuge. Spätestens dann wird es ernst und die höheren lokalen Wertschöpfungsanteile müssen nachgewiesen werden. Die Zeit läuft.
von Ullrich Umann,
GTAI-Korrespondent Washington D. C.
Wollen deutsche Unternehmen freien Zugang zum nordamerikanischen Markt behalten, bleiben ihnen kaum Alternativen, als sich den neuen Ursprungsregeln anzupassen. „Wer stattdessen lieber geringe Zölle in Kauf nimmt, geht ein großes Risiko ein“, meint Johannes Hauser, Geschäftsführer der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer. „Es ist möglich, dass die USA bestehende WTO-Zölle infrage stellen und Unternehmen plötzlich deutlich höhere Einfuhrabgaben als 2,5 Prozent zahlen müssen, wenn sie die geforderten Wertschöpfungsquoten nicht nachweisen können.“
Diese Planungssicherheit ist teuer erkauft, denn sie schränkt die Flexibilität deutscher Autobauer bei der Lieferantenwahl ein und treibt Produktionskosten und bürokratischen Aufwand in die Höhe. Künftig müssen Volkswagen, BMW und Audi beispielsweise mehr Teile aus den Hochlohnländern USA und Kanada beziehen, um die Mindestlohnregelung zu erfüllen – zur Freude des kanadischen Automobilzuliefererverbandes Apma. Der geht davon aus, dass die Kfz-Teile-Branche in Kanada durch USMCA sechs Milliarden US-Dollar pro Jahr mehr umsetzen kann.
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