Arbeitsplätze sichern

Auch Russland hat ein Hilfspaket geschnürt. Oberste Devise: Arbeitsplätze sichern. Der Kreml will die heimische Wirtschaft stärken und treibt die Politik der Importsubstitution weiter voran. Der Druck auf ausländische Unternehmen im Land steigt.

Oktober 2020

»Tochterfirmen ausländischer Unternehmen müssen in Russland einen im Vergleich zu Deutschland erheblich höheren Aufwand betreiben, um an Coronahilfen zu gelangen.«

Hans-Jürgen Wittmann,
GTAI-Korrespondent Moskau

Die russische Regierung setzt weniger auf direkte Hilfszahlungen, sondern will vor allem Arbeitsplätze erhalten. Sie befreit von Steuern, reduziert Sozialversicherungsbeiträge, bezuschusst Löhne und Gehälter und gewährt vergünstigte Kredite und zinslose Darlehen. Der Kreml nimmt mit drei verabschiedeten Hilfsprogrammen und dem Nationalen Aktionsplan für den Wiederaufbau der Wirtschaft umgerechnet etwa 105 Milliarden Euro in die Hand. Das entspricht zwar rund sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2019, ist im internationalen Vergleich aber eine eher geringe Summe.

Bei einem Großteil der Gelder handelt es sich um umverteilte Mittel und vorgezogene Ausgaben für die „Nationalen Projekte“ zur Modernisierung der Infrastruktur, zur Digitalisierung der Wirtschaft und zum Export von Nichtrohstoffen. Ende Juli 2020 hat Präsident Putin den Zeitraum zur Realisierung der Ziele von 2024 auf 2030 ausgedehnt.

Russland:

Bruttoinlandsprodukt: 1,7 Billionen US-Dollar

Coronahilfen: 124 Milliarden US-Dollar

Druck auf ausländische Firmen wächst

Der Großteil der Hilfen kommt ausgewählten Bereichen zugute, vor allem Infrastrukturgroßprojekten, in die etwa ein Viertel der Gelder fließt. Nur gut sechs Prozent der Mittel erhalten die von der Pandemie am schwersten getroffenen Branchen wie der Wohnungsbau, die Luftfahrt- oder Tourismusindustrie. Systemrelevante Unternehmen können zinsgünstige Kredite beantragen, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Die aufstrebende IT-Branche soll steuerlich gefördert und damit international wettbewerbsfähiger gemacht werden. Kleine und mittelgroße Firmen werden bei Steuern und Abgaben entlastet. Endverbraucher profitieren hingegen kaum von den Maßnahmen, ihre Kaufkraft nimmt weiter ab.

Die Regierung nutzt die Hilfspakete, um die Digitalisierung und Entbürokratisierung der Wirtschaft voranzutreiben. Zudem wird die Politik der Importsubstitution weiter verschärft. Die Einführung von Quoten soll russischen Herstellern bei staatlichen Beschaffungen Vorteile verschaffen. Der Druck auf ausländische Unternehmen, einen Teil der Wertschöpfung in Russland zu erbringen, steigt weiter. Um an die Hilfen zu gelangen, müssen deutsche Firmen einen langen Atem haben. Im Juli 2020 waren an systemrelevante Firmen noch keine Gelder geflossen.