Januar 2018
Autoren: Achim Haug & Daniela Vaziri
Wer durch Jakarta fährt, ahnt auf den ersten Blick nicht, wie groß das Müllproblem der Zehn-Millionen-Metropole ist. Die Straßen sind relativ sauber, nur selten liegen größere Mengen Abfall am Straßenrand. Doch von den vielen Hochhäusern aus, da kann man sie sehen, die zahlreichen brennenden Müllhaufen.
Viele Wohnviertel und Hausbesitzer zünden ihren Müll einfach an: Küchenabfälle verbrennen zusammen mit Plastik und anderen Stoffen. Oder die Menschen werfen den Abfall in einen angrenzenden Fluss. Schätzungsweise 50 Prozent der Haushaltsabfälle in ganz Indonesien werden auf die eine oder andere Weise illegal entsorgt. Zwar dürfte der Anteil in der Hauptstadt deutlich niedriger sein, aber auch hier trennt und erfasst kaum jemand systematisch den Müll. Und so landen täglich rund 6.000 Tonnen Haushaltsabfälle auf der nicht ordnungsgemäß versiegelten Deponie Bantar Gebang in Jakartas Nachbargemeinde Bekasi. Private Müllsammler durchsuchen die Abfälle dann nach verwertbarem Material, zum Teil unter katastrophalen Bedingungen.
2030 lebt die Mehrheit in Städten
Bevölkerungswachstum und zunehmende Urbanisierung lassen die Müllberge weltweit wachsen. Nach Prognosen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2030 rund 8,3 Milliarden Menschen auf der Erde leben, zwei Drittel von ihnen in Städten. In der Asien-Pazifik-Region sind es heute schon rund die Hälfte. Für deutsche Anbieter bietet der Trend große Chancen. Deutschland gilt international als Vorreiter in Sachen nachhaltige Abfallwirtschaft und exportiert bereits heute erfolgreich Technologien und Produkte in alle Welt, von Sammelbehältern über Müllfahrzeuge bis hin zu modernen Sortier- und Recyclinganlagen. Der Anteil Deutschlands am Weltmarkt für Entsorgungs- und Recyclingtechnologien liegt bei schätzungsweise zehn Prozent.
Derweil ersticken viele asiatische Metropolen förmlich im Müll. Die urbane Mittelschicht wächst und ändert ihre Konsumgewohnheiten. Das lässt die Abfallmenge in den Städten überproportional wachsen – eine immer größere Bedrohung für die Umwelt, die Gesundheit und die Lebensqualität der Bevölkerung. Besonders in den Schwellenländern wird dies zum Problem, denn hier gibt es noch kaum organisierte Mülltrennung und Recycling. So fallen in Bangkok jedes Jahr 560 Kilo Haushaltsmüll pro Kopf an und damit fast doppelt so viel wie in der Hightechmetropole Seoul.
»Informelles Recycling ersetzt die Müllbehandlung. Was übrig bleibt, landet auf der Müllkippe – unsortiert. Die Ratten freut’s.«
Frauke Schmitz-Bauerdick,
GTAI-Korrespondentin Hanoi
1) Abfallaufkommen pro Kopf (Kilogramm/Jahr). Quelle: Recherchen und Berechnungen von Germany Trade & Invest, 2015
Deutsche punkten mit Zuverlässigkeit
„Die Aufgaben in den Metropolen sind gewaltig“, sagt Naemi Denz, Mitglied der Hauptgeschäftsführung und Geschäftsführerin des Fachverbandes Abfall- und Recyclingtechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Neben der verantwortungsvollen und effizienten Verwaltung sei vor allem deutsche Technik gefragt. „Deutsche Maschinenbauer haben Methoden und Technologien entwickelt, mit denen sie die Entsorgung in Großstädten ressourcen- und umweltschonend bewerkstelligen können.“
Dass sich deutsche Produkte dabei sogar im Wettbewerb gegen lokale Billiganbieter durchsetzen können, weiß Andreas Schmidt, Abteilungsleiter Abfall bei Moba Mobile Automation. Das mittelständische Familienunternehmen aus Limburg stattet Müllfahrzeuge mit modernen Sensoren aus. Sie messen Abfallmengen, wiegen und ordnen Abfälle. Dann können Entsorger verursachergerecht abrechnen.
In Dalian arbeitet Moba mit der Kommune an einem Pilotprojekt. Nach asiatischen Maßstäben gilt die nordchinesische Hafenstadt mit ihren sechs Millionen Einwohnern als nur mittelgroß, doch die Müllmengen in Chinas urbanen Zentren steigen gewaltig. Dalian hat jahrelang mit chinesischer Technologie experimentiert – mit wenig Erfolg.
Da konnte sich Moba ins Spiel bringen und mit seiner Technik überzeugen. „Die Konkurrenz durch chinesische Firmen ist in der Umwelttechnik nicht gering“, erläutert Moba-Manager Schmidt. Deutsche Anbieter können seiner Meinung nach durch sehr verlässliche Technologie und Effizienzgewinne punkten. „Sie müssen aber auch bereit sein, für komplette Lösungen ihre Produkte an den lokalen Bedarf anzupassen.“ Das erfordert eine umfassende Beratung vor Einführung des Produktes – und Service im laufenden Betrieb.
»In Jakarta landet der Müll oft unsortiert auf schlecht versiegelten Deponien. Besserung ist nicht in Sicht.«
Roland Rohde,
GTAI-Korrespondent Jakarta
1) Abfallaufkommen pro Kopf (Kilogramm/Jahr). Quelle: Recherchen und Berechnungen von Germany Trade & Invest, 2015
Kommunen haben oft keine Konzepte
Wie in Dalia ist in immer mehr Stadtverwaltungen der Wille da, etwas zu ändern. Es fehlt allerdings neben den finanziellen Mitteln vor allem an geeigneten Konzepten. Die Anforderungen sind komplex und hängen ganz entscheidend vom Entwicklungsstand der jeweiligen Stadt ab.
Beispiel Hongkong: Auch hier sind die Sensoren von Moba probeweise im Einsatz. 2,4 Millionen Tonnen Abfälle verursachen die Haushalte in der südchinesischen Hafenmetropole jährlich. Die konsumfreudigen Einwohner produzieren viel Verpackungsmüll, und das boomende Hotel- und Gastgewerbe entsorgt große Mengen Essensreste. Der Löwenanteil davon wird deponiert. Mülltrennung und Recycling gibt es bisher kaum. Die drei Deponien Hongkongs etwa füllen sich rasant: Bis 2019 soll die letzte voll sein.
Die Regierung arbeitet daher fieberhaft an Strategien zur Abfallreduzierung und für mehr Recycling. Bis zum Jahr 2023 will Hongkong das Müllaufkommen pro Kopf um 40 Prozent reduzieren und die Recyclingquote deutlich steigern. Der Bewusstseinswandel in der Bevölkerung braucht aber Zeit – und die richtigen Maßnahmen, wie zum Beispiel Gebührensysteme.
„Abfalltrennung und Vermeidung funktionieren nur, wenn es an den Geldbeutel geht“, sagt Andreas Schmidt von Moba. „Unsere Systeme werden in der Regel erst relevant, wenn eine mengenabhängige Müllgebühr – nach Volumen oder Gewicht – eingeführt wird, meist in Verbindung mit Mülltrennung.“ So weit sind viele Großstädte in Schwellenländern allerdings noch nicht. Die Gebühren sind mit Blick auf die Ärmsten politisch unbeliebt. Über kurz oder lang führe aber kein Weg daran vorbei, betont Schmidt.
„Pay as you throw“ gilt als das fairste Prinzip, um verursachergerecht abzurechnen. Hongkong führt im kommenden Jahr eine solche Müllgebühr ein. Zunächst müssen Privathaushalte offiziell zugelassene Abfallbeutel kaufen, für Gewerbetreibende kommt die mengenmäßige Erfassung pro Kilogramm. Der deutsche Mittelständler Moba hofft nach erfolgreicher Pilotphase auf weitere Aufträge. Ganz einfach ist die Erschließung asiatischer Müllmärkte für deutsche Anbieter nicht. Allein die Tatsache, dass im Vergleich zu den großen Metropolen in Asien selbst Berlin mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern eher klein ist, zeigt, welche Aufgaben zu bewältigen sind.
»Shanghai ist sehr sauber. An die Mülltrennungsvorschriften hält sich dennoch kaum jemand.«
Corinne Abele,
GTAI-Korrespondentin Shanghai
1) Abfallaufkommen pro Kopf (Kilogramm/Jahr). Quelle: Recherchen und Berechnungen von Germany Trade & Invest, 2015
Wilde Müllkippe in einem Slum im indonesischen Jakarta. Rund die Hälfte der Haushaltsabfälle in Indonesien wird illegal entsorgt.
© Yuan Adriles/Polaris/laif
Städte in Asien sind ganz anders
Die Bevölkerungsstruktur in den Metropolen Asiens ist deutlich heterogener, der Abstand zwischen arm und reich größer, was sich in ausgedehnten Slums zeigt. Auch die Bevölkerungsdichte ist höher – mit entsprechenden Konsequenzen für die Bebauung. Wohnen in Berlin knapp 4.000 Menschen auf einem Quadratkilometer, sind es in Jakarta 15.000. Eine der größten Hürden ist das fehlende Umweltbewusstsein, das in Deutschland über Jahrzehnte wachsen konnte.
Anders als in entwickelten Volkswirtschaften spielt auch der informelle Sektor in vielen asiatischen Megacitys eine wichtige Rolle bei der Müllentsorgung. So scheiterte etwa in Jakarta die Einführung einer modernen Sortieranlage an den Protesten der Müllsammler, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Da potenzielle Auftraggeber häufig in der öffentlichen Verwaltung sitzen, brauchen Exporteure zudem einen langen Atem. „Die Müllentsorgung wird nicht über Nacht auf ein neues Fundament gestellt“, sagt Moba-Experte Schmidt. „Wer aber die Ausdauer hat, dem Kunden die Produkte zu erklären und sie an die lokalen Anforderungen anzupassen, der hat gute Chancen auf Aufträge.“
»In Seouls Seitenstraßen stapelt sich der Müll häufig in behelfsmäßig aufgestellten Pappkartons.«
Alexander Hirschle,
GTAI-Korrespondent Seoul
1) Abfallaufkommen pro Kopf (Kilogramm/Jahr). Quelle: Recherchen und Berechnungen von Germany Trade & Invest, 2015
Service & Kontakt
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