Auf die Schiene bringen

Polen baut seit Jahren seine Infrastruktur aus, vor allem Bahnprojekte boomen. Die Europäische Union (EU) fördert einen Großteil davon. Das bringt Dynamik in die Vorhaben: Polen muss die EU-Mittel nämlich bis spätestens Ende 2022 abrechnen – und wirft den Bauturbo an.

Dezember 2020
Autorin: Beatrice Repetzki

In Polen wird kräftig gebaut und erneuert. Vor allem die Bahninfrastruktur: Das Land gibt jährlich rund drei Milliarden Euro dafür aus, ein für Polen vergleichsweise hoher Betrag. Daran scheint auch die Coronakrise bisher nichts geändert zu haben. Laut Rafał Weber, dem polnischen Vizeminister für Infrastruktur, wirkt sich die Covid-19-Pandemie nicht auf die termingerechte Verwirklichung von Investitionen in den Straßenbau und die Bahninfrastruktur aus.

Der Markt ist bereit für Investitionen, und auch deutsche Unternehmen können mitmischen: Mit dabei ist etwa die Voestalpine Turnout Technology Germany GmbH aus Brandenburg, die Schienen zu technisch anspruchsvollen Weichen verarbeitet, sodass sie von Hochgeschwindigkeitszügen befahren werden können. Die Goldschmidt-Gruppe liefert über ihre Tochtergesellschaft Goldschmidt Thermit Polska mit Sitz in ­Koronowo Ausrüstung und Verbrauchsstoffe für ein spezielles Schweißverfahren für Schienen.

In Polen führt die öffentliche Hand die meisten Investitionsvorhaben durch, oftmals kofinanziert von der EU. Allerdings muss Polen sich sputen, um die im EU-Haushalt 2014 bis 2020 zur Verfügung gestellten Mittel vollständig abzurufen. Bis Ende 2022 hat das Land noch Zeit, Mittel aus dieser Periode abzurechnen. Das Geld wird dringend gebraucht: Das Landesbahnprogramm Krajowy Program Kolejowy, das bis 2023 läuft, wird aus EU-Mitteln kofinanziert.

Die Tunnelwände für die neue U-Bahn in Łódź sind schon fertig: Die PKP investiert rund 380 Millionen Euro in das Projekt – das von der EU gefördert wird. © PKP Polskie Linie Kolejowe S.A.

Zahlreiche Projekte in der Pipeline

Daher laufen die Ausschreibungen gerade auf Hochtouren: Im August 2020 waren noch Projekte im Wert von 1,1 Milliarden Euro zu vergeben. In den kommenden Monaten sollen Gleisanlagen und Bahnhöfe modernisiert, erweitert oder neu gebaut werden. Die staatliche Gesellschaft PKP Polskie Linie Kolejowe S.A. ist mit der Verwirklichung des Landesbahnprogramms betraut und damit auch für die Ausschreibungen für Bahninfrastruktur zuständig.

Außer Gleisarbeiten führt die PKP Modernisierungsmaßnahmen an zahlreichen Bahnhöfen durch, auch neue Gebäude wie energiesparende und kostengünstige Systembahnhöfe sollen in 40 Kleinstädten entstehen. Einige sind schon in Betrieb, der Rest soll bis Ende des Jahres 2023 fertiggestellt werden. Zu den Bahnhofgroßprojekten zählt der Ausbau des Warschauer Westbahnhofes für rund 435 Millionen Euro. Hauptauftragnehmer ist der inländische Baukonzern Budimex.

Auch nach 2023 will Polen weiterhin umfangreich in die Verkehrsinfrastruktur investieren und rechnet mit weiteren EU-Mitteln. So soll der im Großraum Warschau geplante Zentralflughafen Centralny Port Komunikacyjny an zwölf neue Bahnstrecken angeschlossen werden. Gesamtlänge: 1.789 Kilometer. Der Flughafen soll 2027 betriebsbereit sein, die Bahnstrecken schrittweise bis 2034.

Der Staat hilft mit

Nicht nur Polen profitiert von den Investitionen. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke Rail Baltica, ein wichtiges europäisches Projekt, soll ab 2029 von Berlin nach Helsinki führen – und damit auch über Posen und Warschau. Dafür wurden im Nordosten des Landes Bahnstrecken in einer Länge von rund 340 Kilometern größtenteils neu gebaut, nur ein letzter, 71 Kilometer langer Abschnitt zwischen Warschau und Białystok fehlt noch. Er wird für 741 Millionen Euro von einem polnisch-chinesischen Konsortium gebaut.

Auch abseits der hoch frequentierten internationalen Trassen will Polen seine Bahninfrastruktur ausbauen. So soll das neue Regierungsprogramm Kolej Plus, übersetzt: Bahn Plus, im Wert von fast 1,5 Milliarden Euro Landkreise und Gemeinden motivieren, Bahnstrecken außerhalb dieser Haupttrassen zu bauen. Dadurch sollen auch Bewohner kleinerer Städte und Ortschaften Zugang zu moderner Mobilität erhalten. Der Staat übernimmt die Kosten zu 85 Prozent, während die Kommunen die restlichen 15 Prozent ergänzen müssen. Die Resonanz blieb bisher jedoch eher verhalten. Seit dem Programmstart im Mai 2020 gingen in den ersten drei Monaten nur 30 Anträge ein.

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