Biologisierung der Industrie
Welche Technologien werden wichtig, worauf sollten Unternehmen jetzt schon achten? Die Antworten geben Vordenker an dieser Stelle. Unser Gastautor Dr. Eric Maiser, Leiter des Competence Center Future Business im Maschinenbauverband VDMA, über Biologisierung der Industrie.
April 2022
Gastautor Dr. Eric Maiser, Leiter des Competence Center Future Business im Maschinenbauverband VDMA
© Jörg Schneider/Kammann Rossi
Biologie im Maschinenbau? Das ist nicht neu. Die Natur als Vorbild für Technik steckt in der Bionik, natürliche Rohstoffe sind Basis für die Bioökonomie, vom Papier bis zum Joghurt. Die Natur kennt keinen Abfall – dieses Prinzip macht sich die Kreislaufwirtschaft zunutze, inspiriert durch die Biologie. Für Investitionsgüter ist es seit jeher sinnvoll, Komponenten, Maschinen und Anlagen so zu designen, dass sie jahrzehntelang halten, repariert, wiederverwendet oder aufbereitet werden können. Das gilt auch für die Produkte, die mit den Maschinen hergestellt werden. Dieses Design for Circularity ist nicht einfach. Aber es ist die Zukunft einer Industrie, die nachhaltiger und vor allem klimaneutral werden muss.
Bei Industrie 4.0 stand bisher wesentlich im Fokus, Herstellungsprozesse zu optimieren, Automatisierung voranzutreiben und Kosten zu senken. Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz reichen Big Data und Vernetzung alleine aber nicht mehr aus. Neue Werkzeuge und Prinzipien aus der Biologie könnten entscheidenden Fortschritt bringen.
In Soft Robots ersetzen künstliche Muskeln starre Stellmotoren und Scharniere. Sie ermöglichen flexiblere, schnellere und präzisere Bewegungen und sind dabei effizienter in der Herstellung und Handhabung: Simple, mit Öl gefüllte und mit Elektroden bestückte Kunststoffbeutel ziehen sich unter einem elektrischen Puls wie natürliche Muskeln zusammen, das haben Forscher gezeigt.
Noch weiter geht die Biointelligenz, das Zusammenspiel von Technik, IT und Biologie. Ein Beispiel: DNA-Stränge sind die Basis des Erbguts von Lebewesen, eine Proteinkette, die sich selbst reproduziert und sogar selbst repariert. DNA verschlüsselt die Erbinformation in einem Vierersystem aus Basen. Das ist das perfekte Modell für eine neue Art von Datenspeichern – lange haltbar, hochverdichtet, nicht an eine Form gebunden, komplett anders als heutige Festplatten, Datensticks oder DVDs. Ein Gramm DNA speichert zwei Petabyte an Informationen – und hält bei richtiger Lagerung Tausende Jahre. Forscher haben bereits Texte, Bilder und Videofilme auf diese Art konserviert.
Viele weitere Ideen sind bereits umgesetzt: selektives Recycling von Seltenen-Erden-Metallen durch Mikroorganismen, Selbstassemblierung statt Mikromontage in der Elektronik, 3-D-Druck von lebenden Zellen für künstliches Gewebe, Biosensoren ohne Elektronik, Selbstheilung von Maschinen. Die Biologisierung könnte die Industrie so grundlegend verändern, wie es die Digitalisierung seit Anfang der 2000er-Jahre getan hat: weil Materialien, Maschinen, Steuerung und Produkte buchstäblich organisch neu gedacht werden.
Lieber Dr. Kaiser, hörte Talkrunde auf Hannovermesse zur Biologisierung der Industriellen. Finde ich megaspannend. Da ich nicht mehr für das VDMA Magazin aus eigenem Entschluss arbeite (liegt an einer Person) würde ich Thema gerne Bild der Wissenschaft anbieten. Wenn ich einen Bezug zur Autoindustrie finde, wäre es auch ein Thema für die AUTOMOBILPRODUKTION. Vielleicht telefonieren wir mal zu dem Thema,
Sorry Dr. Maiser, habe aus Ihnen einen Kaiser gemacht.