Buntes Hilfspaket
Entwicklungszusammenarbeit ist längst mehr als Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht um internationale Gemeinschaft und innovative Lösungen für die drängenden Herausforderungen – von Klimawandel bis Migration.
August 2021
Autoren: Kirsten Hungermann, Heike Hoffmann, Laura Sundermann und Martin Walter
Zur Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) zählen finanzielle, technische und personelle Leistungen, deren Summe als Kenngröße verwendet wird, um den Betrag der sogenannten Entwicklungshilfe zu bemessen, die ein Land erhält. Wir zeigen in der Karte vier Länder (Äthiopien, Marokko, Kolumbien, Indien) in vier verschiedenen Regionen und nennen Gesamt-ODA, Haupt-ODA, Geber und wichtige Sektoren. Alle Zahlen für das Jahr 2019. © GTAI/KammannRossi
Sie sind klein, kompakt und lassen sich ohne Werkzeug in einer Viertelstunde aufbauen: Die Kühlzelte von GCS Mobile Solutions aus dem norddeutschen Braak sind auf Festivals zum Bierkühlen beliebt. Weiterentwickelt für extreme Temperaturen können sie noch viel mehr. Die Vereinten Nationen (UN) beispielsweise setzen sie bei humanitären Hilfsaktionen ein und lagern in den Kühlzelten Medikamente. „Passend für die Wünsche der UN haben wir auch noch solarbetriebene Kühlcontainer entwickelt“, sagt Geschäftsführer Thorsten Hanl.
Entwicklungszusammenarbeit ist schon längst mehr als Brunnenbauen. Neben bewährten Produkten geht es immer mehr um innovative Lösungen, die Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit geben. Die Globalisierung hat die Welt verändert, sie ist digitaler und vernetzter als je zuvor. Klimawandel, Migration und Coronakrise stellen globale Herausforderungen dar, die global gelöst werden müssen. Entwicklungszusammenarbeit wird mehr und mehr zur internationalen Zusammenarbeit. Der klassische Ansatz Hilfe zur Selbsthilfe reicht längst nicht mehr aus.
Zahlreiche Geber gestalten und unterstützen weltweite Programme. Dabei erinnert Entwicklungszusammenarbeit an einen Gemischtwarenladen: Sie bietet für viele etwas – aber nicht für alle überall das Passende. Grundsätzlich winken Auftragschancen in fast allen Entwicklungs- und Schwellenländern sowie in vielen Branchen – von Bildung über Energie, Gesundheit, Schienenverkehr und Straßen bis hin zu Wasserversorgung. Nachgefragt werden Lieferungen von A wie Abwasserrohre bis Z wie Zelte sowie diverse Bauleistungen. Begleitet werden sie von vielfältigen Beratungsleistungen, meist über alle Phasen eines Projekts hinweg, von Machbarkeitsstudien über Durchführungsconsulting bis zur finalen Evaluation.
Das größte Problem im nepalesischen Kathmandu ist das steigende Verkehrsaufkommen. Die Zahl der Fahrzeuge wächst jedes Jahr um 14 Prozent und damit dreimal schneller als die Einwohnerzahl der Stadt. Die Bilder dieses Artikels stammen von der Fotografin Diana Bagnol, die durch Nepal gereist ist und die Auswirkungen des Klimawandels zeigt – eines der zentralen Investitionsfelder der Entwicklungszusammenarbeit. Schätzungen zufolge werden bis zum Jahr 2100 zwei Drittel der Gletscher des Himalajagebirges verschwunden sein, wenn die Treibhausgasemissionen so hoch bleiben wie heute. Das Eis des Himalaja versorgt Flüsse wie Ganges, Indus und Mekong, von denen knapp zwei Milliarden Menschen abhängig sind. Schon jetzt sind in Nepal die Auswirkungen des Klimawandels spürbar: Regenzeiten sind unregelmäßig, Dürren oder Überflutungen bedrohen die Wasser- und Feldwirtschaft und sorgen für Erdrutsche. © Diana Bagnol
Auch die in Rheinbach ansässige Firma Rediger, die sich unter anderem auf die Lieferung von Krankenhausequipment, Laborbedarf, Verbrauchsmaterialien und allgemeinen Hilfsgütern spezialisiert hat, ist dabei. Die Rheinländer liefern ihre Produkte für diverse internationale Nothilfeeinsätze und reguläre Projekte der Entwicklungszusammenarbeit. Rediger arbeitet vor allem mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Geschäftsführerin Gabriele Lingenau beschäftigt nur wenige Mitarbeiter – ein Pluspunkt, wie sie findet: „Vorteile für kleine Unternehmen bestehen durchaus, nämlich durch Flexibilität, schlanke Strukturen, kurze und schnelle Entscheidungswege, und oft kein Nine-to-five-Arbeiten.“
Viele Auftragsmöglichkeiten bieten sich zudem mittelständischen Beratungsunternehmen, die in einer Vielzahl von Sektoren ihre Expertise bereitstellen. Dies sind zum Beispiel die Hamburger GFA Consulting Group, die Gopa Consulting Group aus Bad Homburg oder das Kölner Icon-Institute. Manche Beratungsfirmen, die sich zunächst nur auf Aufträge eines einzigen Gebers beworben haben, bieten inzwischen bei Ausschreibungen verschiedener Finanzierungsinstitutionen mit. Die Freiburger Berater von Particip beispielsweise haben sich am Anfang nur auf Projekte der Europäischen Union beworben. „Ausgehend von diesem Hauptauftraggeber mit seinen vielen großvolumigen Projekten haben wir andere Kunden wie die GIZ, die KfW Entwicklungsbank, die Weltbank und andere bilaterale Geber gewonnen“, sagt Prokurist Thomas Keck.
Trends in der Entwicklungszusammenarbeit
Auch in der Entwicklungszusammenarbeit lassen sich Trends und Tendenzen analysieren. Lesen Sie hier mehr zu den Themen Corona als Katalysator, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, die einheitliche EU-Förderung, wachsende Konkurrenz aus China sowie den Auslandsbau.
Das sind die wichtigsten Geber
Der wichtigste Akteur in Deutschland ist die KfW Entwicklungsbank. Sie gewährt beispielsweise Kredite und Zuschüsse für Entwicklungs- und Schwellenländer im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Vor Ort arbeitet die KfW mit staatlichen Organen wie Energieministerien oder Wasserversorgern zusammen. Diese sind dann eigenständig für das Projektmanagement verantwortlich, vergeben Bauaufträge und beschaffen Beratungsleistungen und Sachgüter – natürlich im Einklang mit den Beschaffungsregeln der KfW.
Im Jahr 2020 machte die KfW Entwicklungsbank Rekordzusagen: Knapp elf Milliarden Euro flossen in Hilfsprojekte weltweit. Mehr als eine Milliarde Euro ging jeweils an Indien und Marokko. Fast 30 Prozent ihrer Zusagen machte die Bank für Nordafrika und den Nahen Osten. Gegenüber 2010 haben sich die Zusagen fast vervierfacht. Zur KfW-Bankengruppe gehört auch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), die Unternehmen bei Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützt. Die DEG sagte 2020 Kredite über 1,4 Milliarden Euro zu.
In Kathmandu ist fließendes Wasser zu Hause ein Privileg. Viele Menschen müssen jeden Tag Kanister mit Trinkwasser auffüllen und sich in der Öffentlichkeit waschen. © Diana Bagnol
Auch außerhalb der Bundesrepublik gibt es zahlreiche Geber, von deren Zusagen deutsche Firmen profitieren können, etwa die Weltbank. Sie ist in 145 Ländern aktiv und vergab im Haushaltsjahr 2020 (Stichtag: 30. Juni 2020) Mittel in Höhe von 77 Milliarden US-Dollar. Subsahara-Afrika ist mit rund 30 Prozent die größte Empfängerregion. Für die Durchführung ihrer Projekte werden jährlich Beschaffungen – vor allem Bauaufträge, Ingenieur- oder Beratungsdienstleistungen – im Wert von rund 25 Milliarden US-Dollar getätigt. Aufgrund des hohen Vergabevolumens „sollten Unternehmen die Weltbank als ein strategisches Geschäftsfeld begreifen“, rät Knut Leipold, der bei der Weltbank für Beschaffung verantwortlich ist.
Eine wichtige Rolle spielen zudem regionale Entwicklungsbanken. Auf deren Ausschreibungen können sich meist nur Unternehmen aus ihren jeweiligen Mitgliedstaaten bewerben. Gut zu wissen, dass Deutschland bei den meisten regionalen Entwicklungsbanken Mitglied ist. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) ist die wichtigste multilaterale Finanzierungsinstitution für Projekte in der Region Asien-Pazifik. Die ADB vergibt hauptsächlich Kredite an Regierungen, bietet aber auch Finanzierungen für den lokalen Privatsektor an. Die gesamten Zusagen der Bank aus öffentlichen und privaten Mitteln für Kredite, Zuschüssen und technischen Hilfen erreichten 2020 ein Gesamtvolumen von 31,6 Milliarden US-Dollar. Die Bank investiert hauptsächlich in den Ausbau der Transportinfrastruktur: 2019 waren es 35 Prozent der gesamten Investitionen. Bis 2030 sollen 75 Prozent der von der ADB finanzierten Vorhaben den Klimawandel berücksichtigen.
Die wichtigsten internationalen Geber
Überblick über die wichtigsten internationalen Entwicklungsbanken, deren Branchen- und Länderschwerpunkte, Investitionsvolumen und viele weitere Informationen.
Um den großen Investitionsbedarf der Region zu decken, gibt es seit 2016 eine neue Entwicklungsbank: die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB). Unter chinesischem Vorsitz vergab sie 2019 bereits Kredite in Höhe von zwölf Milliarden US-Dollar. Weitere wichtige regionale Entwicklungsbanken sind die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) für den afrikanischen Kontinent sowie die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (IDB) für Lateinamerika und die Karibik. Beide Banken stecken hohe Beträge in die Transportinfrastruktur und die Energieerzeugung.
Nicht nur Banken investieren in Entwicklungszusammenarbeit. Der größte Geber ist die Europäische Union (EU): Die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission stellen zusammen mehr als die Hälfte der weltweiten Mittel für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung. Von 2021 bis 2027 stehen im neuen Drittstaatenprogramm Global Europe insgesamt 79,5 Milliarden Euro für die internationale Zusammenarbeit bereit. Fast die Hälfte davon soll nach Subsahara-Afrika fließen.
Zu den wichtigen Gebern zählt auch das System der Vereinten Nationen (UN). Dazu gehören beispielsweise das Entwicklungsprogramm (UNDP), das Kinderhilfswerk (UNICEF) oder das Welternährungsprogramm (WFP). Um ihre Projekte erfolgreich zu realisieren, haben die Vereinten Nationen 2019 Leistungen für knapp 20 Milliarden US-Dollar eingekauft. Von deutschen Anbietern beziehen sie hauptsächlich Pharma- und Medizinartikel sowie Transportdienstleistungen.
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