Februar 2020
Autorin: Corinne Abele
Völkerverständigung mal anders: Drei Preisträger von Jugend musiziert aus Freiburg und Beijing spielen gemeinsam in Shanghai. China hat das deutsche Kulturkonzept erfolgreich exportiert. © Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Shanghai
Es ist ein besonderer Abend im Deutschen Konsulat in Shanghai. Das Thema ist weder Politik noch Wirtschaft – sondern Musik. Im Mittelpunkt stehen junge Musizierende aus China und Deutschland. Zusammengeführt hat sie Jugend musiziert. Denn der Solo- und Kammermusikwettbewerb aus Deutschland hat auch in China Schule gemacht.
Zwar gibt es bereits seit 26 Jahren einen Austausch von Jugend musiziert mit der Music Foundation in Japan und natürlich auch die European Music Competition in the Youth. Doch nur China hat 2016 einen Wettbewerb genau nach dem Vorbild von Jugend musiziert ins Leben gerufen: die China Youth Music Competition (CYMC). „Kein anderer Wettbewerb ist so vielfältig und offen für alle Instrumente“, sagt Gründer Zhang Yong.
»Wir mussten an einigen Stellschrauben drehen.«
Zhang Yong
Gründer der China Youth Music Competition
Lange hatte er nach so einem Konzept gesucht. Es gab in China zwar einige Wettbewerbe für jugendliche Musiker – aber immer nur für Solisten ohne Begleitung.
Zuerst erzählte ihm ein Mitschüler von dem Wettbewerb, der in Deutschland an Jugend musiziert teilgenommen hatte. Dann lernte er über die in Berlin lebende Kulturmanagerin Gao Mingming Vertreter des deutschen Musikrats kennen, der Jugend musiziert seit 56 Jahren in Deutschland veranstaltet. Gao vertritt die CYMC inzwischen in Europa. Im Juli 2015 unterzeichneten Zhang, Gao und der Musikrat einen Kooperationsvertrag für zunächst drei Jahre. Nach der Probezeit wurde der Vertrag unbefristet verlängert.
Zhang war begeistert, sagt aber auch: „Das Konzept mag im Ausland erfolgreich sein. In China mussten wir an einigen Stellschrauben drehen.“ Eine der größten Hürden sei die Größe des Landes. „Wir haben auch viele Talente, aber die Basisausbildung ist nicht sehr solide“, erklärt Zhang. Ein Wettbewerb wie Jugend musiziert könne helfen, genau diese Lücke zu schließen.
CYMC-Gründer Zhang will in die Breite wirken. Wie sein deutsches Vorbild geht er bewusst den Weg in die Provinzen und Städte, die direkt der Zentralregierung unterstehen. Im Jahr 2019 waren zehn beteiligt, in diesem Jahr soll es die CYMC in mindestens 13 Provinzen geben.
Wie auch in Deutschland will Zhang durch Regionalwettbewerbe junge Musiker im ganzen Land erreichen – und nicht nur in den Zentren. Sein Ziel ist es, alle 31 Provinzen und regierungsunmittelbare Städte als Partner für den chinesischen Jugend-musiziert-Wettbewerb zu gewinnen.
Tipps – Kulturmodelle erfolgreich nach China übertragen
- Angebotslücke bedienen
- Viele Angebote konzentrieren sich auf Beijing und Shanghai. Einen landesweiten Musikwettbewerb, der alle Provinzen bedient, gab es in der Volksrepublik noch nicht. Diese Marktlücke schließt die CYMC.
- Finanzierung flexibel sichern
- Statt auf staatliche Förderung wie in Deutschland zu hoffen, setzen ausländische Kulturexporteure auf Teilnehmerbeiträge und Spenden. Je mehr verschiedene Geldquellen, desto krisensicherer.
- Um Partner in den Provinzen werben
- Keiner kann allein das ganze Land bespielen. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig um Unterstützung zu bemühen. Mögliche Partner kann beispielsweise die Auslandshandelskammer Greater China nennen.
Teilnehmerzahl hat sich versechsfacht
Begonnen haben Gao und Zhang im Jahr 2016 mit rund 600 Teilnehmern, im vergangenen Jahr waren es bereits 3.600. Für China seien dies immer noch wenige, sagt Zhang. Innerhalb von zehn Jahren möchte er die Zahl auf 100.000 bis 200.000 steigern. Zum Vergleich: In Deutschland machen auf Regionalebene etwa 20.000 und auf Bundesebene etwa 2.800 Jugendliche zwischen acht und 23 Jahren mit.
In China gibt es bislang weder staatliche Unterstützung noch öffentliche Musikschulen – in Deutschland sind die in der Regel Rückgrat des Wettbewerbs. Zhang erhebt daher eine Anmeldegebühr von umgerechnet rund 100 Euro für Solisten und knapp 50 Euro pro Musiker in Kammerensembles. In Deutschland kostet die Teilnahme nichts.
40 Prozent der Anmeldegebühren erhält der Partner in der jeweiligen Provinz, 60 Prozent behält Zhang unter anderem für Organisation, Raummieten, Jurorenbenennung und Juroren aus Beijing. Leider ließen sich Professoren in China mitunter dafür bezahlen, dass sie ihre Schüler am Wettbewerb teilnehmen lassen, erklärt der Initiator. Für die Qualität des Wettbewerbs sei es sehr wichtig, „immer selbst die Kontrolle zu behalten“. Aus diesem Grund gibt Zhang auch erst zehn Tage vorher bekannt, wer in welcher Jury sitzt.
Mit Sponsorengeld, unter anderem von Volkswagen, dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut in China, können jedes Jahr einige Preisträger aus China in Deutschland musizieren. Auch für deutsche Bundespreisträger wird inzwischen der Begegnungspreis als Sonderpreis für eine Studien- und Konzertreise nach China vergeben. 2019 ging er an ein Trio aus Freiburg, bestehend aus Klavier, Bratsche und Klarinette.
Weil krankheitshalber nur der Bratschist und der Pianist die Reise ins Land der Mitte antreten konnten, kam es im Oktober 2019 im deutschen Konsulat in Shanghai zu einem deutsch-chinesischen Kammermusikensemble: Die beiden jugendlichen Musiker aus Freiburg und ein 17-jähriger Klarinettist aus Beijing gaben gemeinsam Stücke von Max Bruch und Mozart zum Besten – auf einem Niveau, als ob sie schon immer zusammen gespielt hätten.
Gut zu wissen
Wer als Sponsor die musikalische Begegnung von chinesischen und deutschen Jugendlichen im Rahmen von Jugend musiziert in China fördern möchte, kann sich wenden an:
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