Das immer stärkere Geschlecht

In einer komplexer werdenden Welt brauchen Unternehmen vielseitigen kreativen Input – von Männern genauso wie von Frauen. Weibliche Führung gilt als kooperativ und integrierend. Doch wer fähige Mitarbeiterinnen für sich gewinnen will, sollte die passende Unternehmenskultur anbieten können.

August 2017
Autor:  Oliver Döhne

Was genau Frauen besser können und was Männer, das ist gar nicht entscheidend, findet Antje von Dewitz. Der Geschäftsführerin des Sportartikelherstellers Vaude kommt es darauf an, dass sich die Geschlechter gegenseitig ergänzen. „Gemischte Teams können komplexe Sachverhalte und Hintergründe besser verstehen und sind insgesamt kreativer und zukunftsfähiger“, ist von Dewitz überzeugt. 40 Prozent der Führungsposten in dem Familienunternehmen aus Tettnang am Bodensee sind Frauen vorbehalten.

Diese Quote konnte zuerst nicht erfüllt werden. Denn zu wenige Frauen interessierten sich für die Führungsjobs, die von Dewitz im Angebot hatte. Das passt zu Erfahrungen etwa aus Norwegen, wo seit dem Jahr 2006 laut Gesetz zwar 40 Prozent des Aufsichtsrats börsennotierter Firmen weiblich sein müssen, davon aber außer den dorthin Berufenen kaum eine Frau profitierte.

Prominentes Podium: Bundeskanzlerin Angela Merkel (4. von rechts) lud Ende April zum Frauengipfel nach Berlin. Mit dabei unter anderem: „First Daughter“ Ivanka Trump (4. von links), die deutsche Mittelstandsvertreterin Stephanie Bschorr (Mitte) und Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde (rechts).

© Jose Giribas/SZ Photo/laif

Von Dewitz forschte nach, was Frauen abschreckte, mehr Verantwortung zu übernehmen. Sie stieß auf männliche Ellenbogenmentalität und auf Schwierigkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren. „Es war ein tief greifender Kulturwandel nötig“, erkannte die Unternehmerin.

Der brachte neben flexiblen Arbeitszeitmodellen, Homeoffice und einer eigenen Kindertagesstätte auch neue Auswahlkriterien für Führungskräfte mit sich. „Es müssen nicht unbedingt die Dominantesten die Entscheider sein.“

Die Erkenntnis, dass mehr weiblicher Einfluss ein gutes Rezept für die Zukunft ist, setzt sich bei Unternehmen weltweit durch. Nicht zuletzt, weil immer mehr gut ausgebildete Frauen mit Führungsqualitäten aufwarten können, wie sie heute gefragt sind. Gemischte Führungsteams können zudem mehr unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungen nutzen.

Außerdem erfordert die moderne, digitalisierte Wirtschaftswelt einen kooperativen und integrierenden Führungsstil, mehr Flexibilität und Eigenverantwortung in flacheren Hierarchien – laut Managementexperten sind es gerade die Frauen, die das Rüstzeug dafür mitbringen.

»In Schweden ist es normal, dass Paare sich die Kinderbetreuung teilen – auch als Führungskräfte.«

Christina Hummert, Geschäftsführerin Euro-Leasing GmbH

Doch die kulturellen Widerstände bleiben groß. Markets International hat sich auf den Weg gemacht, um herauszufinden, wo Geschäftsfrauen im Jahr 2017 stehen. Wir haben Managerinnen und Unternehmerinnen gefragt, wie sie sich im globalen Business behaupten, wo Frauen im Geschäftsleben längst selbstverständlich sind – und warum es immer noch Unterschiede gibt.

Die Angst der Rabenmütter

Die größte Hürde ist und bleibt die Doppelrolle von Frauen, die eben oft auch Mutter sind. Selbst bei Vaude sind Führungskräfte in Teilzeit die Ausnahme, und wie im ganzen Land kommen kaum Mütter zurück in die Vollzeit. Die Sorge, als Rabenmutter zu gelten, besteht offenbar fort. „Im Vergleich zu Schweden stecken deutsche Frauen in der Karriere eher zurück“, sagt Christina Hummert, die fünf Jahre lang Geschäftsführerin bei Volkswagen Financial Services in Schweden war.

Frauenförderung

Chefinnen führen prima – wenn die Kinder versorgt sind

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Nur einer von acht französischen Mittelständlern hat eine Frau an der Spitze, das
zeigen Zahlen des Indexes Women Equity 2016 …

7 %

… dafür agieren diese Frauen vorsichtiger und schlagen männlich geführte kleine und mittlere Unternehmen mit einer Gewinnquote von 7,0 Prozent gegenüber 6,1 Prozent.

38,6 %

Gemäß einer Untersuchung der Consulting-Firma Deloitte gehen 38,6 Prozent der Polinnen im arbeitsfähigen Alter keiner Beschäftigung nach und suchen auch keinen Arbeitsplatz.

Den Vorsprung der Skandinavier erklärt sie mit „Jantelagen“, dem Verhaltenskodex der sozialen Gleichheit und Gemeinschaft: „“Schwedische Paare teilen sich die Kinderbetreuung und arbeiten beide – auch in Führungspositionen, für die es mehr Teilzeitmodelle gibt“, so Hummert.

Gesellschaften tun weltweit einiges, um Frauen den Weg ins Arbeitsleben und in Führungspositionen zu erleichtern, allerdings nur mit gemischtem Erfolg. Frankreich finanziert Ganztagsschulen und fördert große Familien steuerlich. Die Geburtenquote und der Anteil weiblicher Chefs sind dort daher vergleichsweise hoch, doch die emotionale Entfremdung von Mutter und Kind ist genauso ein Tabuthema wie die Rolle des Vaters in der Erziehung.

»Ich habe äußerst positive Eindrücke in der Golfregion gesammelt und hatte immer das Gefühl, man begrüßt es, der Vertreterin einer deutschen Bank zu begegnen.«

Eva Steinhaus, Director Export & Agency Finance, Commerzbank AG Dubai

In Russland kümmert sich neben dem Staat auch die Verwandtschaft um die Kinder. Voll berufstätige Frauen sind dort absolut üblich. Hans-Jürgen Wittmann, Korrespondent von Germany Trade & Invest in Moskau, hält das für ein Erbe des Gesellschaftsbildes der Sowjetzeit. Kinder zu bekommen, galt dort nur als kurze Unterbrechung der Karriere. Heute seien es die Frauen, die Russland am Laufen halten, sagt Wittmann. Als Geschäftsführerinnen würden sie aber oft nur pro forma eingesetzt.

Das letzte Wort haben die Männer. Die gläserne Decke spüren auch die gut ausgebildeten Businessfrauen in Südkorea, deren Weg nach oben von der konservativen Unternehmenskultur der Konglomerate blockiert wird. Die mögliche Elternzeit für Väter nimmt niemand wahr, um sich nicht die Karrierechancen zu verderben. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind vier von zehn Frauen in Südkorea unterbezahlt.

Immer noch eine Männerwelt: Blick von der Rooftop-Bar eines Hotels auf Seoul in Südkorea. Bei allen Gemeinsamkeiten herrschen in Asien andere Sitten, vor allem im Umgang der Geschlechter.

© Frank Heuer/laif

Ein Schicksal, das sie mit ihren US-Kolleginnen teilen. Zwar übernehmen Großkonzerne wie Facebook und Microsoft hier eine Vorbildfunktion und setzen sich für eine gleiche Bezahlung von Männern und Frauen ein. Im Durchschnitt verdienen Frauen allerdings auch im Silicon Valley weiterhin erheblich weniger und werden seltener befördert, obwohl gleiche Löhne für Frauen in den USA seit dem Jahr 1963 gesetzlich vorgeschrieben sind.

Immer noch stehen traditionelle Strukturen dem Aufstieg im Weg

In China gilt beim Zugang zu Kapital und finanziellen Dienstleistungen theoretisch gleiches Recht für Männer und Frauen. Doch auch hier sind Vorurteile im Weg. Anfang 2017 machte ein chinesischer Investor mit der Aussage Schlagzeilen, er würde prinzipiell nicht in von Frauen geführte Unternehmen investieren. Dennoch brachten die ehrgeizigen Töchter der Einkindgeneration China in Gender-Rankings nach vorn. Japan liegt derweil beim Zugang zu Kapital und Businesskursen für Frauen deutlich unter dem OECD-Durchschnitt.