»Denken in Lösungen ist gefragt«

Germany Trade & Invest (GTAI) will „Wege aus der Coronakrise“ aufzeigen – Herzstück ist ein interaktives Covid-Dashboard für den Export. Geschäftsführer Jürgen Friedrich erklärt die Hintergründe.

Juni 2021
Interview: Patrick Beßler

Corona-Dashboard für den Export © Manuel Köpp/Kammann Rossi

Für 2021 hat sich GTAI zum Ziel gesetzt „Wege aus der Coronakrise“ aufzuzeigen. Was verbirgt sich dahinter?

Die Krise bleibt eine enorme Herausforderung für Unternehmen. Doch viele haben sich mit Kontakt- und Reisebeschränkungen oder Nachfrageeinbrüchen so gut wie möglich arrangiert. Jetzt richten sie den Blick nach vorn: auf die Märkte, in denen eine Erholung zu sehen ist und wo sich die Auftragsbücher wieder füllen lassen. Wir legen einerseits einen besonderen Fokus auf solche Länder und Branchen. Andererseits nehmen wir uns strategische Themen vor, die Corona ins Rampenlicht gerückt hat: wie die Diversifizierung von Lieferketten oder die Gesundheitswirtschaft.

Als Außenwirtschaftsagentur des Bundes weist GTAI ausgewogen auf Chancen und Risiken geschäftlicher Engagements hin. „Wege aus der Coronakrise“ klingt betont optimistisch. Inwiefern verändern Sie ­damit Ihre Haltung?

Wir bleiben in unserer Arbeit neutral, ausgewogen und faktenbasiert. Wir berichten unverändert auch über die ­Risiken, Fallstricke und Herausforderungen für deutsche Unternehmen im internationalen Geschäft. Aber jetzt gilt es, vor allem lösungsorientiert zu denken und zu handeln.

JÜRGEN FRIEDRICH

ist seit Mai 2009 Geschäftsführer von Germany Trade & Invest (GTAI). Zuvor war der promovierte Ingenieur unter anderem für den Deutschen Industrie- und Handelskammertag sowie das Bundeswirtschaftsministerium tätig.

Wenn ein deutscher Exporteur Sie fragt: Wie komme ich möglichst schnell aus der Krise? Was antworten Sie da?

Die Pandemie ist von einer oft undurchsichtigen Informationslage geprägt. Schnelle, vor allem aber verlässliche Informationen sind eine der wichtigsten Grundlagen, um durch die Krise zu navigieren.

Inwiefern würden Sie sagen, dass Unternehmen gut daran tun, sich aktuell auf ­bestimmte Weltregionen zu konzentrieren – und andere noch zu meiden?

Das kommt immer auf das einzelne Land an. Grob kann man aber sagen: In Lateinamerika ist das BIP der Region 2020 deutlich stärker eingebrochen als im weltweiten Durchschnitt. Mit einer raschen Erholung ist nicht zu rechnen. In der Region GUS/Südosteuropa erreichen die Volkswirtschaften voraussichtlich noch in diesem Jahr das Vorkrisenniveau, teils dank großzügiger Mittel der EU, teils dank gestiegener Rohstoffpreise. In Asien werden im Schnitt hohe Wachstumsraten prognostiziert, die Coronaausbreitung haben viele Länder im Griff, und es wird rege in Zukunftsindustrien investiert. Die Region ist im vergangenen Jahr für den deutschen Außenhandel noch wichtiger geworden, und das dürfte so bleiben.

Können Sie Beispiele nennen?

In Asien stehen China, Südkorea, Taiwan, Japan und Vietnam besonders gut da. Taiwan und Südkorea sind beispielsweise bislang durch ihr Krisenmanagement ohne vergleichbar harte Einschränkungen mit niedrigen Ansteckungszahlen durch die Krise gekommen und wachsen kräftig. Für Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien sind in Südamerika insbesondere die Anden­region und Brasilien vielversprechende Märkte.

Und in welchen Branchen geht es schon wieder aufwärts?

Das verarbeitende Gewerbe ist trotz allem gut durch die Krise gekommen. Der deutsche Maschinenbau und die deutsche elektrotechnische Industrie können von massiven Konjunkturpaketen wie in den USA und den daraus folgenden Investitionen profitieren. In Zentralasien und Osteuropa etwa boomt die Bau- und Baustoffindustrie durch Infrastruktur- und Konnektivitätsprojekte. Die Chemieindustrie profitiert von der gestiegenen Rohstoffnachfrage in Russland. Auch Unternehmen, die bereits stark auf Automatisierung, Digitalisierung und Robotik gesetzt hatten, konnten die Krise besser meistern. Die ­Investitionen in diesen Bereichen dürften daher kräftig wachsen. Das betrifft neben der Produktion etwa Logistikzentren und Lager, aber auch Dienstleistungen wie Gesundheit oder das Hotel- und Gastgewerbe. Auch der Absatz an digitalen Endgeräten ist massiv gestiegen. In diesen Bereichen wird investiert werden, wie auch in die Produktion der dafür dringend benötigten Halbleiter. Chipwerke werden nicht mehr nur in China, Südkorea und Taiwan gebaut, sondern in Südostasien, Indien, den USA – und der EU.

Kehren wir im Welthandel nach Corona zurück zum Business as Usual oder werden sich Dinge grundsätzlich verändert haben?

Um das zu beurteilen, ist es noch sehr früh. Absehbar ist aber, dass die massiven Corona-Hilfsprogramme vieler Länder noch lange nachhallen werden – etwa, wo sie gezielt Zukunftstechnologien fördern und so steuernd in die Wirtschaft eingreifen. Auch der unterschiedliche Umgang einzelner Länder mit der Pandemie könnte dazu führen, dass wir noch intensiver über den Wettstreit der Systeme debattieren werden: wie der freien Marktwirtschaft oder dem Staatskapitalismus. Nicht zuletzt könnte die Pandemie sich langfristig auf den Freihandel auswirken. Es hat viele Handelsbeschränkungen, aber auch -erleichterungen gegeben.

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