Der Biden-Effekt?
Erneuerbare Energien, E-Mobilität und energetische Sanierungen: Der US-Präsident hat viele grüne Vorhaben angekündigt. Jetzt muss er sie umsetzen. Doch dafür braucht er auch die Unterstützung der Opposition.
Juni 2021
Autor: Heiko Steinacher
Eine E-Tankstelle in Kalifornien: Für Elektroautos fehlen in den USA vielerorts Lademöglichkeiten. Evgo, einer der größten Betreiber in dem Bereich, hat ambitionierte Pläne, diese Lücke zu schließen. © PHILIP CHEUNG/NYT/Redux/laif
Sie drehen sich: die ersten beiden Turbinen des größten Offshorewindparks der USA vor der amerikanischen Ostküste. Schon jetzt versorgen sie 3.000 Haushalte in Virginia mit grünem Strom. Wenn dort im Jahr 2026 auch die letzten Turbinen in Betrieb gehen, sollen es 650.000 sein. Das Pilotprojekt Coastal Virginia Offshore Wind (CVOW) steht symbolisch für eine neue Umweltpolitik in dem Land. Von dem profitiert auch die Siemens-Tochter Gamesa, die bereits einen Zuschlag für Turbinen im CVOW erhalten hat. Und Barbara Humpton, die USA-Chefin von Siemens, rechnet mit weiteren Aufträgen. Hoffnung macht ihr dabei der Regierungswechsel in Washington D.C.
Der neue US-Präsident hat ambitionierte Pläne. Bereits knapp hundert Tage nach seinem Amtsantritt lud Joe Biden im April zum ersten virtuellen Weltklimagipfel. Nun setzen auch deutsche Konzerne wie Siemens und RWE sowie mittelständische Unternehmen auf Impulse aus der Politik. Auch im E-Mobility-Sektor herrscht Zuversicht. So will etwa das kalifornische Start-up Evgo nun an die Börse gehen. Es ist einer der größten privaten Betreiber von Ladestationen in den USA. Wettbewerber Volta Industries plant denselben Schritt. Und der deutsche Autobauer Volkswagen machte beim Power Day Mitte März klar, die Ladeinfrastruktur seiner Tochterfirma Electrify America massiv ausbauen zu wollen.
Die Versuchung ist groß, dabei bereits vom Biden-Effekt zu sprechen. Bisher stecken dahinter aber vor allem Vorschusslorbeeren. Noch muss der US-Präsident beweisen, dass er seine ehrgeizigen Pläne in die Tat umsetzt. Ob und wie er sein Investitionsprogramm Plan for Climate Change and Environmental Justice durch den Senat bekommt, ist noch unklar. Mit diesem will er den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach Corona zugleich für einen ökologischen Umbau nutzen.
Das jüngste US-Hilfspaket gegen die Pandemie, den American Rescue Plan, haben die Demokraten Mitte März noch mit einem Verfahrenstrick durchgesetzt. Doch für das Investitionsprogramm reicht eine einfache Senatsmehrheit nicht aus. Es wäre aber verfrüht, das Projekt für gescheitert zu erklären. Denn in Infrastrukturfragen haben die beiden US-Parteien schon früher Konsens erreicht. Und um die Infrastruktur geht es auch dieses Mal. Straßen, Stromleitungen, schnelles Internet: Der Modernisierungsbedarf in den USA ist groß. Auch der Ausbau von Erneuerbaren, Elektromobilität und den Hochgeschwindigkeitsstrecken für Züge stehen auf dem Programm.
Kalifornien macht vor, wie eine US-amerikanische Energiewende aussehen könnte. Im Death Valley entsteht einer der weltweit größten Windparks. Auch in Sachen E-Mobilität verfolgt der Golden State ehrgeizige Ziele und ist Vorreiter für andere Bundesstaaten. © Michael Hall/Getty Images
Für vieles gilt Buy American!
Viele Infrastrukturprojekte sind überregional und fallen damit unter die Buy-American-Verordnung. Sie verpflichtet Bundesbehörden, bevorzugt Produkte aus US-Produktion zu beschaffen. Biden hatte die Verordnung kurz nach Amtsantritt verschärft und die Ausnahmeregelungen enger gefasst, die den Zukauf nicht heimischer Güter erlauben. Bei Zulieferungen können ausländische Firmen aber durchaus zum Zuge kommen. Außerdem gelten die Vorschriften für Bundesbehörden. Bereiche, wie zum Beispiel die Energiepolitik, liegen in den USA hingegen vorwiegend in der Verantwortung der Bundesstaaten. Nur manche setzen eigene Local-Content-Auflagen ein.
Eine US-Klimakehrtwende böte deutschen Unternehmen zweifellos große Chancen: Biden hatte zum Beispiel im Wahlkampf angekündigt, bis 2030 eine halbe Million neue öffentliche Ladestationen errichten zu wollen. Damit hatte er einen wunden Punkt getroffen: US-Autobauer halten zwar an vielen, bereits vor der Coronakrise geplanten Projekten für neue Elektromodelle fest. Aber es fehlen Lademöglichkeiten, um E-Autos für den Individualverkehr in der Breite einzuführen. Vor allem mangelt es an Schnellladepunkten im Vergleich zu Normalladesäulen. Der Ausbau würde unter anderem Zulieferern im Bereich Ladezeitverbesserung, Ladekomfort und induktive Ladesysteme neue Chancen eröffnen.
Ferner will Biden die gesamte US-Bundesflotte von knapp 650.000 Fahrzeugen mit E-Modellen ersetzen – allerdings mit solchen, die made in USA sind. So dürfte für deutsche Anbieter interessanter sein, dass er zudem plant, die bestehenden steuerlichen Anreize für den Verkauf von Elektroautos auszuweiten. Auch für die Käufer umweltfreundlicher Fahrzeuge hat der Bund Anreize geschaffen. Bundesstaaten gewähren beim Kauf zusätzliche Rabatte, einige – wie Kalifornien – sogar hohe. Der Golden State verfolgt bei der Einführung von Nullemissionsfahrzeugen sehr ehrgeizige Ziele.
„Der neue Wind in der US-Klimapolitik dürfte weitere Bundesstaaten dazu ermuntern, dem kalifornischen Beispiel zu folgen“, sagt Marc Dörfer, Leiter des Entwicklungs- und Beratungsdienstleisters für zukünftige Mobilitätskonzepte PEM Motion USA in Sacramento. Colorado, Hawaii, Maine, New Jersey, New Mexico, New York, Oregon, Washington – sie alle haben ehrgeizige Klimaziele und könnten nun den Ausbau alternativer Energien forcieren.
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