»Der Schutz des eigenen Know-hows sollte von Anfang an mitbedacht werden«

Interview

Juni 2020

Jens Koch, Patentanwalt bei der Kanzlei Grünecker, begleitet Firmen beim Schritt ins Ausland. Er weiß: Gute Vorbereitung ist alles – auch wenn der Partner noch so vertrauenswürdig erscheint.

Wie können deutsche Firmen sicherstellen, dass ihre Ideen und Entwicklungen bei Entwicklungskooperationen im Ausland nicht geklaut werden?

Es ist wichtig, in den Kooperationsverträgen mit den jeweiligen Geschäftspartnern von Anfang an möglichst genaue Verabredungen über Nutzungsrechte an Entwicklungen und Erfindungen zu vereinbaren. Gerade am Anfang der Zusammenarbeit ist es wichtig, genau festzuhalten, welcher der Partner welche Informationen in die Kooperation einbringt. Selbstverständlich sollten sich die Partner gegenüber Dritten zur Verschwiegenheit verpflichten. Sobald greifbare Entwicklungsergebnisse vorliegen, sollten diese als Patentanmeldung oder Gebrauchsmusteranmeldung hinterlegt werden. Die Anmeldungen können bereits in einer frühen Phase der Zusammenarbeit eingereicht werden.

Was ist bei der Anmeldung von Patenten wichtig?

Patente sind Verbietungsrechte, die es erlauben, Dritten die Nutzung einer Erfindung zu untersagen. Patente gelten immer nur auf nationaler Ebene. Unternehmen sollten genau überlegen, in welchen Ländern eine Patentanmeldung die Gebühren rechtfertigt. Eine Vielzahl paralleler nationaler Patentanmeldungen für eine Erfindung kann sehr schnell zu hohen Kosten führen. Der richtigen Anmeldestrategie kommt daher eine große Bedeutung zu.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit man das Patent anmelden kann?

Um eine Patentanmeldung zur Erteilung zu bringen, muss der Gegenstand der Patentanmeldung insbesondere neu und erfinderisch sein. Durch das Erfordernis der Neuheit kommt dem Anmeldetag der Patentanmeldung eine besondere Bedeutung zu und die Patentanmeldung sollte möglichst frühzeitig erfolgen. Eine Veröffentlichung der Erfindung vor dem Anmelden ist unbedingt zu verhindern. Die Veröffentlichung steht sonst der Erteilung eines Patents entgegen.

Welcher der Partner sollte das Patent einreichen? Oder geschieht dies gemeinschaftlich?

Grundsätzlich können ein oder beide Partner das Patent anmelden. Gemeinschaftliche Patentanmeldungen sollten aber, soweit möglich, vermieden werden, da sich nach einem Scheitern der Kooperation Nachteile bei der Verwertung des Patents durch gegenseitige Abhängigkeiten ergeben könnten. Wenn man selbst der stärkere Partner in der Zusammenarbeit ist, sollte man sich die Rechte an den Erfindungen exklusiv sichern. Zu guter Letzt und um Überraschungen zu vermeiden, sollte man sich über die vertragliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit rechtlichen Rat vor Ort einholen. Das betrifft die Zulässigkeit von Vertragsklauseln ebenso wie die gegebenenfalls anzuwendenden rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten.

Wo können und sollten Patente angemeldet werden?

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, in jedem gewünschten Land eine Patentanmeldung zu hinterlegen. Alternativ besteht auch die Möglichkeit sogenannter Sammelanmeldungen, mit denen durch Hinterlegung einer Patentanmeldung Schutz für mehrere Länder oder Regionen erreichbar ist. Dazu gehören insbesondere die sogenannte internationale Patentanmeldung (PCT) mit Wirkung für fast alle Industrieländer oder die europäische Patentanmeldung mit Wirkung für Europa. Allen gemeinsam ist die Tatsache, dass diese Sammelanmeldungen über mehrere Schritte wieder in eine vom Anmelder gewünschte Anzahl nationaler Patente münden. Der Vorteil liegt aber darin, die Entscheidung für welche Länder, international oder regional, man letztendlich Schutz begehrt, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Auch lassen sich die Kosten zeitlich strecken.

Wie können die Kosten für Patentanmeldungen möglichst niedrig gehalten werden?

Um die Kosten für Patente am Anfang einer Entwicklung oder einer Erfindung gering zu halten, sieht das Patentrecht das sogenannte Prioritätsrecht vor. Sobald die Erfindung in einem Land hinterlegt wurde, hat man zwölf Monate Zeit zu entscheiden, ob man die Erfindung im Ausland, zum Beispiel in den USA, oder gegebenenfalls als PCT oder europäische Anmeldung hinterlegen möchte und behält dabei den Zeitrang des Anmeldetags der zuerst eingereichten Anmeldung bei. Alternativ könnte man aber auch gleich eine PCT-Anmeldung oder eine europäische Patentanmeldung als erste Anmeldung hinterlegen.

Welche Faktoren sollten für die Auswahl der Länder in Betracht gezogen werden?

Welche Strategie man letztendlich wählt, hängt unter anderem vom erwarteten wirtschaftlichen Erfolg der Erfindung, dem verfügbaren Budget, den Absatzmärkten, den Produktionsstätten der Konkurrenz und weiteren Faktoren ab. Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Auswahl der Länder ist die rechtliche Durchsetzbarkeit von Patenten. Nur Länder mit funktionierenden Rechtssystemen sollten in die engere Wahl kommen.    Viele Firmen konzentrieren sich bei den Anmeldungen auf drei Regionen: die USA, Europa – insbesondere Deutschland, Frankreich oder Großbritannien sowie Ostasien –, und häufig China oder Japan.

Existieren neben Patenten noch weitere Schutzmöglichkeiten?

Es besteht die Möglichkeit, Gebrauchsmuster, Marken und Designs eintragen zu lassen. Die Anmeldung erfolgt ebenfalls über die Patentämter. Ähnlich wie bei Patenten gibt es auch bei Marken und Designs die Möglichkeit rein nationaler Anmeldungen oder von Sammelanmeldungen, zum Beispiel EU-Marke, IR-Marke EU-Design. Gebrauchsmuster sind ungeprüfte technische Schutzrechte, die im Wesentlichen die gleichen Wirkungen wie ein Patent entfalten können. Sie sind Patenten inhaltlich sehr ähnlich, können sogar identisch sein, sind aber nicht in allen Ländern verfügbar. Die Gültigkeitsdauer unterscheidet sich bei den Schutzrechten. Marken können beliebig oft erneuert werden und Designs haben eine maximale Schutzdauer von 25 Jahren, wohingegen Patente eine maximale Laufzeit von 20 Jahren haben. Bei Gebrauchsmustern sind es nur zehn Jahre.

Welche Länder sind besonders risikoarm?

Aus unserer Sicht sind die EU, Japan und die USA am weitesten fortgeschritten, was das Patentrecht und den Schutz geistigen Eigentums angeht. In diesen Ländern arbeiten die Patentämter äußerst professionell und man kann davon ausgehen, dass Fälle von Patentverletzungen gerichtlich durchsetzbar sind. Seit einigen Jahren stellt sich auch China im Patentrecht immer professioneller auf. Das hat damit zu tun, dass mittlerweile bedeutende Erfindungen in dem Land gemacht werden. Die Zeiten, in denen Chinas Industrie Produkte vielfach nur kopierte sind vorbei. Andere Schwellenländer wie Indien machen ebenfalls Fortschritte. Wir beobachten den Willen, zu den führenden Ländern aufzuschließen, die Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen und die Durchsetzbarkeit von Schutzrechten sind jedoch noch recht groß.

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