März 2020
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CureVac steht in den Schlagzeilen aber ist sicherlich nicht die einzige Firma in Deutschland, die an Impfstoffen für Coronavirus und andere Krankheitserreger arbeitet. Wie groß ist dieser Sektor? Wo sind die Hubs?
Derzeit arbeiten weltweit mindestens 40 Unternehmen an der Entwicklung eines Corona-Wirkstoffes. Zu diesen Unternehmen gehören auch die deutschen Unternehmen CureVac in Tübingen, BioNTech in Mainz. Ebenfalls im Bereich der Impfstoffforschung aktiv sind zum Beispiel auch Vaxxilon in Berlin und Bavarian Nordic bei München. Hinzu kommen die großen internationalen Impfstoffhersteller mit Niederlassungen in Deutschland. Dazu gehören Glaxo Smith Kline (GSK) mit Produktionsstandorten in Marburg und Dresden sowie Merck Sharp & Dohme (MSD), die an sieben Standorten in Deutschland mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigen. Sie stellen zum Beispiel Impfstoffe gegen Grippe, Frühsommer-Hirnhautentzündung, Diphtherie, Keuchhusten und Tollwut her. Das japanische Unternehmen Takeda hat vor Kurzem in Singen eine Sterilproduktion für einen Dengue-Impfstoffkandidaten eröffnet. Das neue Werk hat etwa 130 Millionen Euro gekostet und soll 200 Mitarbeiter beschäftigen.
Mit Impfstoffen werden derzeit etwa 40 Milliarden US-Dollar weltweit umgesetzt. Der Markt wächst seit Jahren überproportional schnell.
»In keinem anderen europäischen Land wird mehr für Pharmaforschung und -entwicklung ausgegeben als in Deutschland.«
Marcus Schmidt,
Bereichsleiter Chemie & Gesundheit bei Germany Trade & Invest
Wie sieht ein typisches Entwicklungs- bzw. Genehmigungsverfahren aus? Wie lange dauert es, einen Impfstoff auf den Markt zu bringen?
Die Entwicklung von neuen Medikamenten ist hochkomplex. Der gesamte Prozess von der Wirkstoffentwicklung bis zur Zulassung besteht aus vielen hundert Einzelschritten und dauert trotz modernster Technik im Schnitt mehr als 13 Jahre. Medikamente müssen schließlich nicht nur wirksam sein, sondern auch sicher.
Bei der Entwicklung von Impfstoffen arbeiten Hersteller und Zulassungsbehörden aufgrund der besonderen Dringlichkeit sehr eng zusammen, um die Prozesse so schnell wie möglich zu durchlaufen. Dafür wurde auf europäischer Ebene bereits vor Jahren unter anderem das PRIME (Priority Medicines)-Verfahren etabliert, um benötigte und bisher nicht verfügbare Arzneimittel so schnell wie möglich ohne Verzicht auf Sicherheit bereitzustellen.
Die Zulassung von Impfstoffen gegen Ebola und die Vogelgrippe dauerten etwa vier Jahre. Bei Impfstoffen gegen Covid-19 könnte es jedoch deutlich schneller gehen, da die Unternehmen nicht bei Null anfangen. So liegen bereits Wirkstoffe vor, die nun in klinischen Studien getestet werden. Es gibt Anzeichen, dass sogar noch im laufenden Jahr erste Impfstoffe zur Verfügung stehen könnten. Für einen regulären Einsatz ist jedoch die Zulassung durch eine weltweit anerkannte Regulierungsbehörde erforderlich.
Offensichtlich ist Deutschland Vorreiter auf dem Gebiet der Impfstoffforschung. Was sind die Gründe hierfür?
Impfstoffe sind wie alle modernen Arzneimittel absolute High-tech-Produkte. Für die Forschung und Entwicklung benötigt man neueste Analyse- und Synthesetechnik, gentechnische Labore, Hochleistungscomputer, Analyseroboter und vieles mehr. Ebenso wichtig sind jedoch auch hochqualifizierte Pharmaforscher, eine funktionierende Forschungslandschaft sowie leistungsfähige Zulassungsbehörden. Es ist daher kein Zufall, dass die großen westlichen Impfstoffunternehmen über 70 Prozent ihrer industriellen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen und sogar 80 Prozent ihrer weltweiten Produktion in Europa konzentriert haben.
Als führender Pharmastandort innerhalb von Europa bietet Deutschland besonders gute Voraussetzungen. In keinem anderen europäischen Land wird mehr für Pharmaforschung und -entwicklung ausgegeben als in Deutschland.
Wie fördert der Staat die Forschung?
Die Themen Gesundheit und Pflege sind für Deutschland von zentraler Bedeutung. In der High-tech-Strategie 2025, welche die Rahmenbedingungen der Innovationspolitik in Deutschland für die nächsten Jahre festlegt, liegt daher ein auch ein besonderer Schwerpunkt auf der pharmazeutischen Forschung. Die Entwicklung von Impfstoffen und Arzneimitteln wird in Deutschland durch vielfältige Forschungsfördermaßnahmen unterstützt. Es werden laufend Projektförderungen zu besonders wichtigen und zukunftsträchtigen Themen ausgeschrieben. Diesen Monat wurden beispielsweise 155 Millionen Euro für die Forschung am Coronavirus vergeben.
Klein- und mittelständische Unternehmen können auch vom Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand profitieren, mit dem das Bundeswirtschaftsministerium Forschungsprojekte und -netzwerke finanziell fördert. Außerdem besteht seit Anfang dieses Jahres für alle Unternehmen die Möglichkeit, Forschungsausgaben steuerlich geltend zu machen.
Ebenso wichtig wie die finanzielle Förderung ist jedoch auch die gesamte Forschungslandschaft, die maßgeblich vom Staat unterstützt wird. Denken Sie zum Beispiel an die Ausbildung von Fachkräften an Universitäten und anderen Einrichtungen, an forschende Universitätskrankenhäuser und Institute oder auch an die zahlreichen, hochspezialisierten Biotechnologiecluster.
Wie sieht es mit der Internationalisierung und der weltweiten Vernetzung der deutschen Forschungsinstitute aus?
Aufgrund der hohen Komplexität sind in der Pharmabranche internationale Kooperationen genauso üblich wie auch die Zusammenarbeit zwischen große Pharmaunternehmen mit innovativen Biotechnologiefirmen. So arbeitet beispielsweise die deutsche Biotechnologiefirma BioNTech bei der Entwicklung von Grippeimpfstoffen mit dem US-Pharmahersteller Pfizer zusammen. Vom chinesischen Pharmaunternehmen Fosun hat BioNTech zudem jüngst 120 Millionen Euro für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus erhalten.
Ähnliche Beispiele gibt es in der Pharmaindustrie zuhauf: Deutsche Biotechnologieunternehmen wie Immatics, Affimed, CureVac und Medigene sind der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Sie arbeiten jedoch alle mit eng großen internationalen Pharmaunternehmen wie Novartis, Roche, Pfizer und Amgen zusammen und können bei Erfolg auch mit großen Erlösen rechnen.
Im Kontext der Covid19-Pandemie ist auch die Coaliton for Epidemic Preparedness Innovation (CEPI) von Bedeutung. CEPI vernetzt öffentliche und private Akteure international bei der Impfstoffentwicklung. Zu den deutschen Akteuren gehören auch der Impfstoffentwickler CureVac sowie das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung.
Welche wichtigen Erfolge hatten letzter Zeit deutsche Forscher auf dem Gebiet der Impfstoffe?
Seit Ende 2019 gibt es einen von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassen Impfstoff gegen die hochinfektiöse Krankheit Ebola, der maßgeblich in Deutschland entwickelt wurde und hier auch produziert wird. Das Medikament wird bereits seit einiger Zeit eingesetzt. Für den regulären Einsatz fehlte bis vor Kurzem jedoch noch die Freigabe durch eine weltweit anerkannte Regulierungsbehörde.
Dieser Impfstoff entstammte übrigens ursprünglich einem Forschungsprojekt der kanadischen Gesundheitsbehörden und wurde danach von dem US-amerikanischen Unternehmen Merck Sharp & Dohme (MSD) in Deutschland veredelt. Dabei arbeitete MSD unter anderem eng mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie dem Paul-Ehrlich-Institut zusammen. Finanziell gefördert wurde die Entwicklung durch das Bundesforschungsministerium sowie die Global Alliance for Vaccines and Immunisation, die ebenfalls von Deutschland mitfinanziert wird. Produziert und gelagert wird der Impfstoff nun am MSD-Standort in Burgwedel bei Hannover in Niedersachsen. Von dort wird er je nach Bedarf in Krisenregionen in aller Welt versendet.
Daran kann man schön erkennen wie hoch die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich ist und welche positive Rolle Deutschland bei der Entwicklung und Herstellung von lebenswichtigen Arzneimitteln spielen kann.
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