Die perfekte Simulation

Welche Technologien werden wichtig, worauf sollten Unternehmen jetzt schon achten? Die Antworten geben Vordenker an dieser Stelle. Unser Gastautor: Björn Theis, Head of Foresight bei Evonik über die perfekte Simulation.

Februar 2021
Gastautor: Björn Theis, Head of Foresight bei Evonik

© Jörg Schneider/Kammann Rossi

In Deutschland spielt jemand Kopf oder Zahl, eine andere Münze am ­anderen Ende der Welt zeigt zeitgleich das gleiche Ergebnis. Diese „spukhafte Fernwirkung“, wie Albert Einstein sie einst nannte, sie existiert tatsächlich. Hier ist die Quantenmechanik miteinander verschränkter Teilchen am Werk. Was mittlerweile technisch machbar ist, führt zu einer Revolution: der Entwicklung von Quantencomputern.

Heutige Computer übersetzten die Welt in das binäre System. Doch unsere Welt besteht nicht aus Nullen und Einsen, die ­Berechnungen werden schnell zu komplex. Ein heutiger Supercomputer bräuchte für die exakte Simulation von Insulin mehr als 13 Milliarden Jahre.

Ein Quantencomputer kann bei derselben Aufgabe deutlich schneller sein. Während ein Bit – die klassische Informationseinheit binärer Computer – entweder den Wert 0 oder 1 hat, kann ein verschränktes Qubit beides sein, und alles dazwischen. Quantenalgorithmen machen sich das zunutze, um große Informationsmengen simultan zu verarbeiten – und damit außerordentlich schnell.

Ein optimales Einsatzgebiet für Quantenrechner ist die Simulation von Materie. Mit der exakten Simulation von Molekülen wären im wahrsten Sinne des Wortes Quanten­sprünge in der Material- oder Pharmaforschung möglich. Die Vision: Man erstellt die Wunschbeschreibung etwa eines Medikaments, und der Quantenrechner spuckt die bestmögliche Lösung aus.

Daher ist es für Evonik als Produzent von Spezialmaterialien, aber gerade auch für Mittelständler wichtig, die Entwicklung im Auge zu behalten: Noch ist Zeit, sich in dem Feld zu positionieren, etwa, indem Unternehmer an Konsortien und Forschungskooperationen teilnehmen. Sie sollten sich aber beeilen, rechtzeitig Teil der Quantenrevolution zu werden. Zwar stecken die heutigen Prototypen noch in den Kinderschuhen. Allerdings gehen Experten davon aus, dass es nur noch fünf Jahre ­dauern wird, bis Quantencomputer praktische Probleme lösen.

Im Oktober 2019 erklärte Google, die Quantum Supremacy erreicht zu haben. Googles Quantencomputer hatte eine Rechenaufgabe in 200 Sekunden gelöst, für die ein klassischer Computer 10.000 Jahre gebraucht hätte. Auch Konzerne wie Alibaba, IBM, Intel, Microsoft oder Rigetti sowie alle großen Nationalstaaten investieren Milliarden in die Entwicklung von Quantencomputern. Wer als Erster einen leistungsfähigen Quantencomputer entwickelt, könnte in zahlreichen Industrien Technologieführer werden.