Die Pharmainsel

Puerto Rico liegt mitten in der Karibik – und gehört als Überseeterritorium zu den USA. Viele deutsche Firmen nutzen den Sonderstatus und investieren kräftig. Vor allem für Pharmafirmen ist das Land ein Eldorado.

Juni 2020
Autor: Ullrich Umann

Von Pastellfassaden bis Pharmaeldorado: Puerto Rico hat sowohl für Touristen als auch für Unternehmen einiges zu bieten. Vor allem bei internationalen Pharmakonzernen ist die Karibikinsel beliebt.  © Raimund Koch/Getty Images

Nach einem dreistündigen Flug aus Miami landet die Maschine pünktlich in San Juan, der Hauptstadt von Puerto Rico, auf den Großen Antillen. Obwohl sich die Insel in der östlichen Karibik befindet, trägt sie die administrative Bezeichnung assoziierter Freistaat – der USA. Auch die politischen Rahmenbedingungen erinnern an das US-Festland: Puerto Rico wird von einem Gouverneur regiert, hat ein eigenes Repräsentantenhaus und einen Senat. Ein entscheidender Unterschied: Die ­offizielle Amtssprache ist Spanisch.

Das Beste aus beiden Welten

Puerto Rico ist fester Bestandteil der USA – „nicht inkorporiertes Gebiet“ beziehungsweise US-Überseeterritorium nennt sich dieses komplizierte Geflecht. Niedergelassenen Unternehmen erwachsen aus dem Sonderstatus zahlreiche Vorteile: Trotz politischer Selbstverwaltung gelten auf der Insel die gleichen Gesetze und Verwaltungsvorschriften wie in den USA, darunter fallen auch Industrie- und Qualitätsstandards. Offizielles Zahlungsmittel ist ebenfalls der US-Dollar.

Gleichzeitig liegt das durchschnittliche Lohnniveau unterhalb der US-Vergleichswerte. Speziell für Exportgeschäfte ist wiederum die sprachliche und kulturelle Ambivalenz der Puerto Ricaner von Vorteil – sind sie doch hin- und hergerissen zwischen Nord- und Südamerika, weshalb auch zahlreiche familiäre und geschäftliche Kontakte in beide Himmelsrichtungen bestehen.

Gute Lage, gutes Wetter

Die Lufthansa Technik Puerto Rico profitiert von der geografischen Lage des Archipels. Am Standort Aguadilla, an der Westküste der Insel, warten und reparieren 320 hoch qualifizierte Techniker seit dem Jahr 2015 Passagiermaschinen der Airbus-Flotte. Vom guten Karibikwetter profitiert der Batteriespeicherhersteller Sonnen aus dem Oberallgäu. In Kooperation mit der lokalen Installationsfirma Pura Energia hat der deutsche Anbieter die ersten Fotovoltaikstromspeicher und dezentralen Smart-Grid-Lösungen auf Puerto Rico verkauft. Nicht nur das gute Wetter befördert die Nachfrage, sondern auch die politische Agenda: Bis 2050 soll die Stromversorgung komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden.

Eldorado für Pharmaproduzenten

Eigentlich ist Puerto Rico aber ein Zentrum der pharmazeutischen Industrie, sogar ein regionaler Gigant in dieser Hinsicht: Von hier aus liefern die niedergelassenen Hersteller, darunter Merck, Galephar und Merial, Produkte im Gesamtwert von 40 Milliarden US-Dollar in die USA. Zu den Lieferungen gehören Wirkstoffe zur Krebs- und HIV-Therapie, Mittel gegen kardiovaskuläre Erkrankungen, Antidepressiva, Salzlösungen sowie veterinärmedizinische Produkte. Auch der Göttinger Pharmazulieferer Sartorius hat im vergangenen Jahr mehr als 100 Millionen US-Dollar in sein Werk auf der Insel investiert und die Produktionskapazitäten damit mehr als verdoppelt.

Über 50 Medizintechnikhersteller, darunter das hessische Familienunternehmen Heraeus, haben sich in Puerto Rico niedergelassen. Die Firmen fertigen unter anderem Herzschrittmacher, Infusionsgeräte für Glukoselösungen sowie Technik zur Blutabnahme und -aufbewahrung. Auch die deutschen Chemieschwergewichte Bayer und BASF unterhalten auf Puerto Rico Produktionen im Bereich Agrarchemie.

Schwere Zeiten

Puerto Rico wurde wie viele Gebiete der USA vom Coronavirus erfasst, weshalb das öffentliche Leben auf behördliche Anordnung vorübergehend heruntergefahren wurde. Die US-Regierung ruft als eine Reaktion auf die Pandemie die Pharma- und Medizintechnikproduzenten nun nachdrücklicher denn je auf, ihre Lieferketten aus dem Ausland zurück in die USA zu verlagern. US-Finanzminister Steven Mnuchin kann sich in diesem Zusammenhang sogar vorstellen, ehemals gewährte Steueranreize für Industrieansiedlungen auf Puerto Rico erneut zuzulassen.

Die ehemaligen Incentives hatte die Clinton-Administration in den 1990er-Jahren untersagt. Bis dahin war es Produktionsniederlassungen gestattet, ihre auf Puerto Rico erwirtschafteten Gewinne in Form von Dividenden steuerfrei an ihre Mutterhäuser auf dem US-Festland auszuschütten. Kämen die Anreize zurück, würde auf Puerto Rico eine neue Investitionswelle zurollen.

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