Weltweit wachsen die Müllberge, deutsche Entsorgungs- und Recyclingfirmen können mit ihrem Know-how helfen. Doch in jedem Land sind die Voraussetzungen andere.
Januar 2019
Autorin: Daniela Vaziri
Plastikmüll schwimmt im Meer bei Marseille. Kunststoffverpackungen, die Jahrhunderte brauchen, um sich zu zersetzen, sind weltweit ein Problem, selbst in Frankreich mit seinen bereits respektablen Recyclingquoten. In Entwicklungsländern ist die Lage weit dramatischer. © Aurora Photos/Alamy Stock Photo
Im Jahr 2050 könnte mehr Müll in den Weltmeeren schwimmen als Fische, zeigt eine Studie, die auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt wurde. Zehn Millionen Tonnen Plastik landen jedes Jahr in den Ozeanen, der Großteil stammt aus den Entwicklungs- und Schwellenländern, die schnell wachsen und immer mehr konsumieren. Vor allem haben sie selten eine funktionierende Abfallwirtschaft.
Industrieländer wie Deutschland, das international als Vorreiter in Sachen Umweltschutz gilt, können helfen. Seit den 1990er-Jahren stellt die Bundesrepublik systematisch auf Kreislaufwirtschaft um: In letzter Konsequenz sollen alle Rohstoffe im deutschen Müll wieder zurück in den Stoffkreislauf wandern.
Abfall ist in Deutschland längst eine Wirtschaftsmacht: Laut Bundesumweltministerium erwirtschaften rund 11.000 Unternehmen und mehr als 270.000 Beschäftigte damit einen Umsatz von rund 70 Milliarden Euro jährlich. Und: Deutsche Spezialisten helfen anderen Ländern beim Aufbau geregelter Entsorgungsstrukturen. Daraus entstehen mittelfristig gute Chancen für deutsche Zulieferer.
Markets International hat exemplarisch den Stand der Abfallwirtschaft in fünf Ländern weltweit untersucht. Sie stehen jeweils für eine der verschiedenen Entwicklungsstufen der Branche. Je nachdem, wo sich ein Land auf dem Fünf-Stufen-Modell der Abfallwirtschaft befindet, sind ganz andere Technologien erforderlich. Wie weit Indonesien, Tunesien, Chile, Kroatien und Frankreich in Sachen Abfallwirtschaft sind – und wie deutsche Spezialisten ihnen helfen könnten:
Stufe 1: Ungeordnete Entsorgung am Beispiel Indonesien
Stufe 2: Bessere Deponien am Beispiel Tunesien
Stufe 3: Einfache Abfalltrennung am Beispiel Chile
Stufe 4: Recycling und Verbrennung am Beispiel Kroatien
Stufe 5: Kreislaufwirtschaft am Beispiel Frankreich
Interview
»Nicht die beste – die am besten passende Lösung«
Recyclingexperte Ralf Menzel erklärt, wie deutsche Unternehmen weltweit eine nachhaltige Abfallwirtschaft aufbauen und auch in Schwellenländern europäische Umweltstandards etablieren können. Und wie all das die Nachfrage nach deutschen Produkten der Abfallwirtschaft steigert.
Ralf Menzel ist beim Umweltbundesamt für Abfalltechnologietransfer zuständig. Der Transfer von Umwelttechnologie, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländer, ist erklärtes Ziel der Bundesregierung.
Welche Rolle spielt Deutschland weltweit
beim Aufbau nachhaltiger Abfallwirtschaftssysteme?
Der internationale Umwelttechnologietransfer spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung globaler Umweltprobleme. Deutschland sieht sich hier in der Pflicht, und zahlreiche deutsche Akteure beteiligen sich am Technologietransfer, zum Beispiel über Projekte der Bundes- oder Landesministerien. Auch die private Entsorgungswirtschaft spielt eine wichtige Rolle. So hat sich ein Großteil der Akteure der deutschen Abfallwirtschaft im Netzwerk German Retech Partnership e. V. zusammengeschlossen. Ziel ist es, deutsches Know-how und Technologien international zu positionieren.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Die Anforderungen sind regional sehr unterschiedlich. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern steht die Daseinsvorsorge im Fokus: Ungeordnet abgelagerte Abfälle führen zu Luftverschmutzung, wenn Deponien brennen, oder zu direkten Gesundheitsschäden bei unsachgemäßem Recycling. In weiterentwickelten Regionen geht es um Klima- und Ressourcenschutz: Die Recyclingquoten sind zu gering, die Ablagerung unbehandelter Abfälle führt zu hohen Methanemissionen, bestehende Deponien müssen saniert werden.
Warum dauert es oft so lange, bis etwas passiert?
Häufig mangelt es an Umweltbewusstsein, vor allem auf politischer Ebene. Die Entsorgungs- und Verwaltungsstrukturen sind unzureichend, die gesetzlichen Grundlagen fehlen. Viele Entscheidungsträger leben in dem Irrglauben, ein modernes Abfallsystem könne sich über die Erlöse aus Wertstoffen finanziell tragen. Eine nachhaltige Abfallwirtschaft jedoch wird die Kommunen immer Geld kosten. Folglich brauchen sie dauerhafte Finanzierungsmodelle – bestenfalls über Gebührensysteme.
Was kann die deutsche Wirtschaft beitragen?
Die deutsche Wirtschaft verfügt über langjähriges und umfangreiches Know-how und hat für nahezu jeden Einsatzfall eine Lösung parat. International sind aber kostspielige Hightechlösungen häufig nicht gefragt. Es geht weniger darum, die beste, sondern die am besten passende Lösung zu finden. Dadurch lassen sich Investitionsruinen vermeiden. Allerdings sind die Technologien in den Ausschreibungen in der Regel schon vorgegeben. Es wäre zu wünschen, dass deutsches Know-how bereits in die Ausschreibungserstellung stärker einfließt.
Welche Chancen sehen Sie für deutsche Firmen?
Die deutschen Unternehmen der Entsorgungsbranche sind für die Weltmärkte grundsätzlich gut aufgestellt, sie sind aber eher klein- und mittelständisch geprägt. Das ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits können sie dadurch auf spezifische Kundenanforderungen flexibel reagieren. Andererseits sind bei Ausschreibungen für Komplettlösungen deutsche Mittelständler nur dann wettbewerbsfähig, wenn sie Konsortien bilden. Das gilt vor allem gegenüber Großunternehmen aus Frankreich oder den USA. Dennoch bietet der globale Markt großes Potenzial. Das Marktvolumen ist etwa fünfmal so groß wie das heimische und wächst mit durchschnittlich rund 7,5 Prozent jährlich. Die Exportquote der deutschen Gesamtwirtschaft liegt bei 38,5 Prozent, in der Entsorgungsbranche sind es nur 29 Prozent. Da ist also noch viel Luft nach oben.
Was raten Sie Unternehmen, die in dem Sektor international aktiv werden wollen?
Die Erfahrung zeigt, dass das Auslandsengagement eher zufällig und wenig systematisch erfolgt. Das muss grundsätzlich kein Nachteil sein. Allerdings können Länder- und Marktinformationen Hinweise geben, ob die geplante Aktivität mehr oder weniger erfolgversprechend ist. Darüber hinaus ist es wichtig, sich zu vernetzen und Auslandserfahrungen mit anderen Mittelständlern zu teilen.
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