Februar 2018
Autor: Christian Glosauer
Sicherungskasten in einem Mietshaus in der Hafenstadt El Mina. Im Libanon ist es üblich, einfach ein neues Kabel an so ein Knäuel anzuklemmen, wenn man Strom benötigt.
© Ad Van Denderen/VU/laif
Stromausfälle sind im Libanon Alltag – seit Jahren klagen Bürger und Unternehmen über das unzuverlässige Netz. Doch jetzt kommt Bewegung in den Energiemarkt des Landes. Der sogenannte Islamische Staat ist in Syrien auf dem Rückzug. Demnächst könnte das Nachbarland dem Libanon also wieder Strom liefern. Bis zu 200 Megawatt waren es, bevor der Krieg ausbrach. Vor der eigenen Küste haben die Libanesen gerade große Gasvorkommen gefunden. Und dann ist da noch der kleine Fotovoltaikboom.
Der Preis für Sonnenstrom ist im Libanon zuletzt so stark gesunken, dass er inzwischen mit dem Angebot des öffentlichen Netzbetreibers Électricité du Liban und privaten Generatorenbetreibern konkurrieren kann. Im Durchschnitt kostet Strom im Libanon 14 US-Cent pro Kilowattstunde. Die jüngsten Ausschreibungen für drei große Solarkraftwerke mit zusammen rund 200 Megawatt Kapazität gehen von sechs bis höchstens neun US-Cent pro Kilowattstunde aus. Zwölf Anbieter sollen jeweils 15 Megawatt übernehmen.
»Chinesische Fotovoltaikanbieter sind schon auf dem Vormarsch.«
Hassan Harajli, Leiter Cedro-Institut Beirut
Zwischen 2010 und 2015 ist die neu installierte Fotovoltaik-(PV-)Kapazität um durchschnittlich 100 Prozent pro Jahr gewachsen. Und die Nachfrage steigt weiter: Im Jahr 2015 haben Projektentwickler 259 Solarkraftwerke gebaut und die Kapazität für Sonnenstrom damit auf eine Spitzenleistung von 9,45 Megawatt gesteigert. Das ist eine Zunahme von 149 Prozent. 2016 lag der Zuwachs schon bei rund 200 Prozent.
Der Trend eröffnet auch deutschen PV-Spezialisten Perspektiven, insbesondere bei kommerziellen Projekten – etwa Kühlanlagen in Supermärkten. Die Unternehmen müssen sich jedoch beeilen. Mächtige Anbieter von erneuerbaren Energien aus China können einen kleinen Markt wie den Libanon mit nur knapp fünf Millionen Einwohnern leicht „überrennen“, warnen Beobachter. „Bei Wechselrichtern ist Huawei schon auf dem Vormarsch“, sagt Hassan Harajli, Leiter des Cedro-Instituts in Beirut, das den Ausbau erneuerbarer Energien im Land fördert. „Andere Anbieter wie die Schweizer Firma Studer werden teilweise verdrängt.“
Cedro (Motto: Empowering Lebanon with Renewable Energy) wird vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) gefördert. Harajli erklärt, warum die Preise für Solarstrom zwar sinken, im Libanon aber immer noch höher sind als in anderen Märkten. Das zeigte sich zuletzt vor allem bei sehr großen PV-Projekten am persisch-arabischen Golf. „PV-Generatoren im Libanon sind kleiner“, sagt Harajli. „Und auch das Risiko ist für Investoren aufgrund der politischen Lage größer.“ All das erhöht für Projekte im Libanon die Finanzierungskosten.
Chancencheck
Hoffen auf den Frieden
Energietechnik: Die Nachfrage bei Privathaushalten und Unternehmen ist hoch, denn das Stromnetz fällt ständig aus. Schnelle und pragmatische Lösungen sind gefragt. Großes Potenzial gibt es bei kommerziellen Projekten, wie zum Beispiel PV-Anlagen für Kühleinrichtungen in Supermärkten.
Logistik: Der sogenannte Islamische Staat ist vertrieben, Syrien womöglich auf dem Weg zum Frieden. Libanon könnte bald also wieder seine traditionelle Rolle als Zugang zum großen Nachbarn einnehmen. Dem privat betriebenen Containerhafen Beirut kommt dabei eine besondere Rolle zu. Chancen entstehen daraus auch für die Nachfrage nach Lastwagen und anderen kommerziellen Fahrzeugen.
Wasserversorgung/Landwirtschaft: Ähnlich drängend wie in der Elektrizitätsversorgung sind die Probleme der Wasserwirtschaft. Hier gibt es bereits eine lange Entwicklungszusammenarbeit mit Deutschland.
Regierung fördert Sonnenstrom
Dass die PV im Libanon boomt, geht auch auf eine Initiative der Regierung zurück. Nach langer Untätigkeit versucht sie seit dem Jahr 2010 mit neuer Gesetzgebung und mit Förderprogrammen die erneuerbaren Energien anzuschieben. Das ehrgeizige Ziel: Im Energiemix sollen sie bis 2020 einen Anteil von zwölf Prozent erreichen.
Kommerzielle PV-Projekte wachsen inzwischen schneller als die staatlich geförderten. Die Kunden stimmen mit den Füßen ab und wenden sich preiswerteren Alternativen zum teuren und vor allem unsteten Netzstrom zu. Auch die durchschnittliche Größe einzelner PV-Projekte ist gewachsen: Im Jahr 2010 lag sie noch bei einer Spitzenleistung von fünf Kilowatt, 2015 bereits bei 21 Kilowatt.
PV hat im Libanon bei den erneuerbaren Energien das größte Potenzial. Nach Einschätzung der Cedro-Experten wären Erzeugungskapazitäten von bis zu 110 Gigawatt denkbar. Besonders interessant: Weil der Libanon so bergig ist, lassen sich die Sonnenkraftwerke mit Pumpspeichern und Wasserkraftturbinen kombinieren.
Auch gegenüber der Windkraft ist die PV in den nächsten Jahren im Vorteil. Die Investitionskosten sind geringer, Solarzellen lassen sich schneller installieren als Windräder. Und: Sie stellen geringere Anforderungen an den Netzausbau, weil sich auch kleinere Anlagen lohnen.
Außerdem sind Libanons Berge hinderlich: Im Jahr 2011 hat die UNDP einen „Windatlas“ für den Libanon vorgestellt. Im günstigen Szenario gehen die Experten von einem möglichen Ausbau der Windkraft auf 6,1 Gigawatt aus. Würde man die Windräder allerdings nur auf Flächen mit weniger als acht Prozent Neigung aufstellen, dann schrumpft das Potenzial auf lediglich 1,5 Gigawatt. In dem Mittelmeerstaat sollten Unternehmen also vor allem auf die Sonne setzen.
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Christian Glosauer
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Weitere Informationen zum Libanon finden Sie auf der GTAI-Länderseite: www.gtai.de/libanon.
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