April 2019
Autoren: Karl-Heinz Dahm und Michael Sauermost
Über den Wolken: In Köln können Besucher seit Oktober 2018 ganz besondere Schnappschüsse machen. Das pinkfarbene Flugzeug ist eine von 20 Installationen im Supercandy! Pop-Up Museum. Die knallbunten Fotospots sind perfekt für Selfies. Vor allem Frauen strömen in das Museum – und haben gleich mehrere Outfits im Gepäck. © Michael Gottschalk/Freier Fotograf
Wenn Farina Opoku ein Eis isst, passiert das nicht einfach nur so. Die Kölnerin schmeißt sich dafür in Schale, posiert in einem glitzernden Oberteil und mit top gestylten Haaren, als wäre sie auf einer Gala zu Gast. In ihrer Hand: ein weißes Magnum. Opoku – oder Novalanalove, wie sie auf Instagram heißt – erreicht Hunderttausende Jugendliche weltweit. Allein auf Instagram hat sie 940.000 Follower, dazu kommen 50.000 Abonnenten auf Youtube und 45.000 Fans bei Facebook. Kein Wunder also, dass Eishersteller Langnese sein Produkt mithilfe von Opoku bewirbt. Denn das Unternehmen weiß: Wer die Generation Z erreichen will, muss mit Influencern arbeiten.
So läuft das eben bei der Generation Z. Sie ist mit dem Internet aufgewachsen, nimmt Produktempfehlungen von Influencern ähnlich dankbar an wie ihre Eltern früher die Empfehlungen von Freunden. Unternehmen und Werbestrategen versuchen deshalb, das Geld der Jugendlichen über soziale Netzwerke abzuschöpfen. Denn: Sie wollen die potenziellen Kunden von morgen am besten frühzeitig an sich binden. Im Jahr 2027 stellt die Generation Z laut dem US-Marktforschungsunternehmen A. T. Kearney rund 2,3 Milliarden potenzielle Kunden und damit ein Drittel der Weltbevölkerung. Um diese kaufkräftigen Konsumenten auch langfristig zu ködern, müssen Unternehmen mehr über diese auch als Digital Natives bezeichnete Generation erfahren. Gibt es eine Z-Formel, mit der Unternehmen Aufmerksamkeit erregen und in den sozialen Netzwerken Likes, Shares und Weiterempfehlungen einsammeln? Und: Wirkt diese Formel auch international?
der Kinder und Jugendlichen in Brasilien sind laut Unicef von Armut betroffen. Das heißt: Sie haben weder Zugang zu Bildung, sauberem Trinkwasser noch Wohnraum und sind häufig von Kinderarbeit betroffen.
Abonnenten hat der italienische Influencer Favij bei Youtube. Auf seinem Kanal packt er unter anderem Nintendo-Spiele aus. Er hat bereits einen Kinofilm gedreht, es gibt sogar ein Panini-Album von ihm.
sind brasilianische Kinder im Durchschnitt, wenn sie ihr erstes Smartphone erhalten. Zum Vergleich: In ganz Lateinamerika liegt das Einstiegsalter im Schnitt bei zwölf Jahren.
Quellen: Unicef, www.youtube.com, GTAI-Recherche
So tickt die Generation Z
Um die Generation Z gezielt anzusprechen, muss man zunächst einmal verstehen, wer sich überhaupt dahinter verbirgt. Über ihre Altersgruppe sind sich Experten uneins. Klar ist: Sie sind die Nachfolgegeneration der Millennials und damit etwa zwischen 1998 und 2016 geboren. Der Begriff Generation Z ist dabei eigentlich ebenso wie Generation X oder Y eher soziologisch als demografisch zu verstehen. Die Eigenschaften der Generation Z: Sie ist in soliden Verhältnissen aufgewachsen, gebildet, wohlhabend und international unterwegs.
Dennoch muss man hier zwischen den Weltregionen differenzieren. In Brasilien beispielsweise unterscheiden sich die Lebensbedingungen der Teenager stark. Laut Unicef sind dort 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Armut betroffen. Viele gehen bereits früh arbeiten, vor allem Mädchen brechen häufig die Schule ab, um die Familie zu versorgen. Vergleichsweise gut geht es denjenigen, die studieren: Sie sind mehrsprachig und ehrgeizig. Doch ein Problem ist für alle gleich: In Brasilien leben sie gefährlich. Täglich werden im Schnitt 30 Kinder und Jugendliche ermordet. Ein sicherer Treffpunkt sind überwachte Shoppingmalls – ein Plus für Unternehmen.
In Polen zeichnet sich ein homogeneres Bild: Polnische Teenager sind in der Regel anspruchsvoll und ehrgeizig. Im Unterschied zu den beiden Vorgängergenerationen spielt für sie der eigene Erfolg eine deutlich größere Rolle. Das liegt auch an den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten: Seitdem die polnischen Zetts auf der Welt sind, gehört ihr Heimatland zur Europäischen Union. Das sorgt für Stabilität. Wie in Deutschland suchen auch Firmen in Polen händeringend nach Fachkräften, die Jugendlichen haben also gute Aufstiegschancen.
Teenager sind mit dem Internet aufgewachsen und nehmen Produktempfehlungen von Influencern dankbar an.
Ohne digital geht nichts
Schon die Vorgängergenerationen X und Y hatten eine hohe Affinität zu digitalen Medien. Doch: Während die Millennials noch mit Begeisterung auf digitale Neuheiten reagierten, bestimmt Technologie von Geburt an das natürliche Lebensumfeld der Zetts. Jugendliche von heute sind quasi immer online: Das Smartphone stets griffbereit, bewegen sie sich in einer On-Demand-Welt. Sie kontrollieren im Minutentakt Statusmeldungen, neueste Nachrichten oder Tweets. Kontakte pflegen sie über Instant Messenger wie Whatsapp und Wechat sowie über soziale Netzwerke wie Snapchat und Twitter. Facebook dagegen gerät ins Hintertreffen – wer will schon das gleiche Medium wie die Eltern nutzen? Auch Telefonieren ist von gestern. Gängige Kommunikationstools sind heute Sprachnachrichten und Videochats.
Fakt ist: Selbst die Jüngeren der Generation Z spielen bereits mehr im World Wide Web als auf realen Spielplätzen. Die Regeln, wann und wie oft sie im Internet sein dürfen, wurden von ihren Eltern gelockert, die manchmal selbst Millennials sind – und damit internetaffin. Die jüngsten der Erziehungsberechtigten können sich selbst kaum an die Zeit vor Smartphone & Co. erinnern. Entsprechend locker gehen sie mit dem Risiko eines zu frühen Einstiegs in die digitale Welt um. Mit einer Hand am Smartphone, den Kinderwagen schiebend, navigieren sie durch die Einkaufspassagen der Städte. Zwangsläufig finden Generation-Z-Kinder schon sehr früh ein Tablet oder ein Smartphone auf dem Geburtstagsgabentisch oder unterm Weihnachtsbaum. In Brasilien sind die Kinder im Schnitt erst acht Jahre alt, wenn sie ihr erstes Smartphone erhalten. Zum Vergleich: In ganz Lateinamerika liegt das durchschnittliche Einstiegsalter bei zwölf Jahren.
Selfiesüchtig: Jugendliche Besucher der Made-For-Instagram-Ausstellung setzen sich im Kölner Supercandy! Pop-Up Museum in Szene. © Michael Gottschalk/Freier Fotograf
Unternehmen brauchen Ideen
Derweil suchen Heerscharen von Marktforschern und Werbestrategen nach Wegen, die junge, neugierige Zielgruppe als Konsumenten zu erreichen. Wem dies gelingen will, der muss kreativ sein und den Kontakt auf Augenhöhe suchen. Eine Herausforderung, denn die Jugendlichen gelten als misstrauisch gegenüber großen Marken, perfekt produzierter Industriewerbung und platten Slogans. Das betrifft vor allem China: Die Teenager gelten als weniger markenaffin als noch ihre Vorgängergenerationen. Sie entscheiden nach ihrem Geschmack und das meist spontan. Chinesische Zetts vertrauen eher sich selbst oder ihren Klassenkameraden als einem bestimmten Markenversprechen. Das liegt unter anderem daran, dass sie in einem internationaleren Umfeld aufgewachsen sind als noch ihre Eltern. Sie kennen mehr von der Welt und sehen sich daher eher in der Lage, eigenständig zu entscheiden. Hinzu kommt das Selbstbewusstsein chinesischer Teenager, die ungern in etablierten Trends mitschwimmen.
Wenn sich chinesische Jugendliche für ein Produkt entscheiden, schauen sie nicht aufs Geld: Sie kaufen einfach, was ihnen gefällt, ohne nachzurechnen, ob sie es sich überhaupt leisten können. Das liegt auch daran, dass viele Eltern wollen, dass ihre Kinder sich auf die Schule und das Lernen konzentrieren – und ihnen deshalb den Rücken möglichst frei halten von den Realitäten des Lebens. Darüber hinaus versuchen viele chinesische Eltern, ihren Kindern, sofern sie ordentlich lernen, möglichst viele materielle Wünsche zu erfüllen, sozusagen als Ausgleich für die Plackerei. Zur Not kaufen chinesische Teenies auch auf Kredit, denn sie haben nie eine Wirtschaftskrise miterlebt. Seit ihrer Geburt geht es in China wirtschaftlich stets bergauf, und sie vertrauen darauf, später einen guten Job zu finden.
Brasilianische Teenager dagegen verhalten sich genau umgekehrt: Statt ungezügelten Konsums herrscht eher ein vorsichtiges Kaufverhalten. Brasiliens schwere Rezession von 2014 bis 2017 hinterließ auch in der jungen Generation Spuren. Vor allem die jungen Erwachsenen leiden unter den Folgen der Wirtschaftskrise: 26 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sind arbeitslos, das sind doppelt so viele wie im Durchschnitt aller Beschäftigten. Entsprechend groß ist die Unsicherheit bezüglich der Zukunft. Materieller Besitz ist ihnen weniger wichtig. Wenn sie Geld ausgeben, dann am liebsten für Smartphones und Gadgets, für Klamotten und Kosmetik. Der Rest des Geldes fließt in Bildung. Wer einen Platz an der Universität ergattern möchte, investiert oftmals in teure Kurse, die auf die Prüfungen zur Universitätszulassung vorbereiten.
aller angestellten Chinesen bis 35 Jahre haben laut Fidelity International keine Rücklagen. Sie stecken ihr Geld direkt in den Konsum, möchten immer im Trend liegen.
beträgt die Kaufkraft der Generation Z bereits heute. Die meisten Zetts sind noch Kinder beziehungsweise Teenager – und leben von ihrem Taschengeld.
Konsumenten und damit aus Unternehmenssicht potenzielle Kunden wird die Generation Z im Jahr 2027 umfassen. Das entspricht fast einem Drittel der Weltbevölkerung.
Quellen: Fidelity International, National Retail Federation, A. T. Keaney
Authentizität entscheidet
Für alle Jugendlichen weltweit gilt: Sie möchten von Werbung unterhalten werden. Auch erwarten sie von Marken, dass sie eine Botschaft transportieren, für etwas stehen. Dazu gehören Themen wie fairer Handel, Nachhaltigkeit und ökologisch hergestellte Produkte. Werbebotschaften sollen ihre Lebenswirklichkeit widerspiegeln. Sie möchten sich damit identifizieren können. Gut ist, was authentisch rüberkommt.
Diesem Bedürfnis nach Authentizität kommen Influencer wie Novalanalove nach. Die jungen Werbebotschafter, die zum Teil aus ihren Kinderzimmern mit Videos oder Videotagebüchern – sogenannten Vlogs – mitunter Millionen von Followern erreichen, sind längst Kult. Sie werden von der Generation Z eher als Kumpel von nebenan wahrgenommen. In Italien beispielsweise beherrscht Influencer Lorenzo Ostuni alias Favij die sozialen Kanäle. Der 23-Jährige lässt seine Follower an Onlinespielen teilhaben und vloggt über seinen Alltag. Seine fünf Millionen Youtube-Follower schauen ihm dabei zu, wie er Nintendo-Spiele auspackt und durchspielt.
Prominente aus Film und Fernsehen verlieren dabei zunehmend ihren Vorbildcharakter. Das lässt sich auch in Brasilien beobachten: Teenager stehen auf Youtuber oder auf Musikstars. Das Gleiche gilt in China: Während Jugendliche bis vor wenigen Jahren vor allem südkoreanischen Stars nacheiferten, sind inzwischen chinesische Teeniestars wie Zhang Yixing oder Lu Han angesagt. Das liegt vor allem daran, dass südkoreanische Serien aus politischen Gründen nicht mehr im TV gezeigt werden dürfen.
Es verwundert nicht, dass immer mehr Firmen mit Influencern zusammenarbeiten. Sie sind effiziente Werbeträger für Kosmetik, Parfüm, Lebensmittel, Smartphones und Games. Die tunesische Modekette Hamadi Abid bewirbt neue Artikel stets durch Influencer auf Facebook und Instagram. „Die Verkaufszahlen schnellen jedes Mal in die Höhe“, sagt Marketingmanagerin Mariem Drira. Bis zu 15 Prozent des gesamten Werbeetats von Unternehmen könnte in den kommenden fünf Jahren auf Influencer Relations entfallen, rechnet Ismael Ben Salha vor, General Manager des Kosmetikherstellers Laboratoire SVR in Tunis. Die Jugendlichen haben jedenfalls genügend Gelegenheit, mit den Werbebotschaften von Unternehmen in Berührung zu kommen: Sie sind auf mehreren Bildschirmen gleichzeitig unterwegs – während sie vor dem TV sitzen, spielen sie an Smartphone und Tablet und surfen am Computer. Ihre Aufmerksamkeitsspanne ist kurz, sie reagieren eher auf Bilder statt auf Text.
Interview
Interview mit Philippe Guinaudeau, Präsident der Spezialmarketingagentur Kidz Global Europa
»Follower ist nicht gleich Käufer.«
Herr Guinaudeau, wie wichtig bleiben demografische Zielgruppen für die Werbung in der digitalen Welt?
Sehr wichtig. Man muss die Generation Z sogar in weitere Untergruppen aufteilen. Die Jüngsten kennen nichts anderes als die digitale Welt und empfinden daher keine Nostalgie für die Zeit davor, ganz im Gegensatz zu den Älteren der Zielgruppe. Unternehmen müssen viel investieren, um sich zu informieren und zu vernetzen. Sie müssen auf den richtigen Plattformen sichtbar sein und vorhersehen, was als Nächstes passiert.
Darauf kommt es an
Es gilt: Zetts verfolgen das Prinzip Too Long; Didn’t Read. Unternehmen erreichen diese Generation also am besten visuell. So hat Coca-Cola zur Vermarktung seiner Produkte in Polen die Serie „Storyline“ gedreht, die sich speziell an Jugendliche richtet. Auf dem dazugehörigen Portal Woah finden sich neben der Serie auch Hintergrundinfos und klassische Kundenbindungsinstrumente, wie etwa die Möglichkeit, Punkte für gekaufte Cola-Flaschen zu sammeln und gegen Prämien einzutauschen. Werbung assoziieren die Zetts in Polen übrigens deutlich seltener mit Langeweile als andere Generationen, zeigen sich dafür aber widerstandsfähiger gegen Reklame von der Stange. Auch in China beeinflussen Werbesendungen das Kaufverhalten, vor allem, wenn sie omnipräsent sind und neue Ideen transportieren. Auch wenn die Generation Z im internationalen Vergleich eine sehr heterogene Zielgruppe ist, sollten sich Unternehmen dennoch ausgiebig mit ihr befassen. Es könnte sich lohnen: Schon in einigen Jahren werden sie die relevanteste Käuferschicht ausmachen. Wer sich bereits heute in den Köpfen der Teenager einnistet, schafft eine gute Basis für die Zukunft – egal, welche Netzwerke und Influencer dann angesagt sind.
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