Diese jungen Leute

Start-ups und etablierte Unternehmen kommen aus unterschiedlichen Welten, sind aber oft voneinander abhängig. Wir beschreiben, wie die Zusammenarbeit gelingt: einmal aus der Perspektive der Kleinen, einmal aus der Sicht der Großen.

Mai 2018
Autor: Oliver Döhne

Der Konzern Bosch sponsert Events und vernetzt sich so mit Start-ups. Diese niederländischen Gründer finden offenbar Gefallen an neuen Elektrorollern, die der Konzern über einen Sharingdienst in Berlin vermietet.

© Bosch Software Innovations GmbH

Kleine über Große: träge Riesen

»Sehr interessant, wir werden uns dazu im Gremium in drei Monaten weiterberaten.« Wenn Start-up-Gründer Marcel Pirlich diesen Satz nach einem Pitch zu hören bekommt, fühlt er sich wie im falschen Film. Pirlich und zwei Partner machten sich Ende 2010 mit einer Online-Marketing-Software selbstständig. Seitdem ist er einer von vielen agilen und risikofreudigen Entrepreneuren. „Wenn ich eigentlich mit einem ,nächste Woche‘ rechne, bekomme ich oft ein ,nächstes Jahr‘ zu hören“, sagt der Gründer. „Besonders beim Mittelstand vermisse ich die nötige Ernsthaftigkeit, entschlossen und radikal auf den schnellen technischen Wandel zu reagieren.“ Pirlichs Start-up Adspert zählt mittlerweile 25 Mitarbeiter und Kunden in den USA und Russland.

Schnell, fokussiert und digital: Das sind die Hauptstärken von Start-ups. Um diese Innovationskraft aber auch in ein funktionierendes Geschäftsmodell umzuwandeln, sind sie auf etablierte Firmen angewiesen, zum Beispiel, um Zugang zu Kapital und Kundennetzwerken zu bekommen. Allerdings ist die Suche nach Partnern umständlich, selbst wenn sich Vermittler einschalten – so wie die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer. Seit zwei Jahren versucht die Kammer, tschechische Start-ups mit deutschen Industrieunternehmen zusammenzubringen. Bislang stößt das Vorhaben aber auf wenig Interesse seitens der Industrie. „Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind zu sehr mit ihrem operativen Geschäft beschäftigt und können keine Mitarbeiter für solche Kooperationen abstellen“, sagt Projektleiterin Lenka Solcova. Das Problem hat auch Marcel Pirlich beobachtet. „Es ist schwierig, den richtigen Treiber in Firmen zu finden, der das Ganze mit entsprechender Geschwindigkeit voranbringt und kein Problem damit hat, Gremien zu überzeugen oder auch mal abgewiesen zu werden“, sagt er. Anderen Gründern rät er deshalb, einzukalkulieren, dass Partner in etablierten Unternehmen für Entscheidungen etwa fünfmal so lange brauchen wie Start-ups.

10 Tipps für Start-ups

1. Auf Mittelständler zu- und eingehen: Firmenbesuche auch abseits der Metropolen ermöglichen

2. Respekt für Firmentradition und jahrzehntelange Hidden Champions zeigen

3. Grundlegendes Verständnis fördern und Grenzen des Partners aneignen

4. Schnell geeigneten Ansprechpartner mit Entscheidungsbefugnis identifizieren und auf finanzielles Commitment drängen

5. Vertrauen bilden: erfahrene Partner ins Boot holen, Tests ermöglichen, ausgiebig erklären

6. Ständig Potenzial und Erfolgswahrscheinlichkeit von Kooperationen abwägen

7. Bei Risiken ehrlich sein

8. Klären, welche Rolle das etablierte Unternehmen bei der Verwirklichung der eigenen Ziele spielen soll

9. Nicht zu sehr abhängig von einem Partnerunternehmen machen

10. Genug Zeit einplanen – Konzerne brauchen für Entscheidungen bis zu fünfmal so lange wie Start-ups

Da viele Unternehmen in Start-ups vor allem Geld verbrennende, verantwortungslose potenzielle Eintagsfliegen sehen und sich dieses Bild hartnäckig hält, sollten Start-ups sich gut überlegen, wie sie Vertrauen aufbauen können. „Keine Kundenreferenz zu haben, ist in Deutschland schwierig. Niemand will der Erste sein. Im Silicon Valley ist das anders“, sagt Oliver Hanisch von German Silicon Valley Innovators. Das Unternehmen berät deutsche Start-ups und hilft ihnen, im Silicon Valley Fuß zu fassen.

Grundsätzlich sei in den USA das gegenseitige Verständnis höher als in Deutschland, sagt Martin Wrobel, Koordinator der Studie „Kooperation zwischen Startups und Mittelstand“, die vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft veröffentlicht wurde. Das liege zum einen an der Strahlkraft des Silicon Valley, das als führendes Start-up-Ökosystem gilt und viele Erfolgsgeschichten ehemaliger Start-ups wie Google, Airbnb und Uber hervorgebracht hat. Zum anderen gibt es in den USA viel mehr personelle Wechsel zwischen den beiden Welten – das fördert die unterschiedlichen Blickwinkel.

Dass er selbst bereits auf eine längere Karriere in Konzernen zurückblickte, half auch Gründer Marcel Pirlich. Er konnte früh eine große Versandhausgruppe als Investor gewinnen. Dazu ließ der Gründer seine zukünftigen Partner vorerst als Kunden die Software ausgiebig testen, um so weiter das gegenseitige Vertrauen zu fördern. Gleichzeitig nahm sich Pirlichs Team viel Zeit für die Kommunikation. „Vorteile lassen sich schnell erklären“, sagt der Gründer. „Schwieriger wird es, den Unterschied zu anderen Anbietern aufzuzeigen, da wird es schnell technisch.“ In jedem Fall gilt: Nur wenn es auf der menschlichen Ebene funktioniert, hat die Zusammenarbeit auch wirklich eine Chance. Und darauf kommt es letztendlich an.