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Digitale Dunkelmänner

Unternehmen in Russland werden immer öfter Ziel von schwarzer PR. Spezielle Agenturen machen die Konkurrenten ihrer Auftraggeber mit Falschmeldungen schlecht. Oft trifft es Mittelständler. Wie schwarze PR funktioniert und was Opfer tun können.

Juni 2019
Autor: Hans-Jürgen Wittmann

Russischer Aktivist bei einer Demonstration gegen die Abschottung des Landes vom Internet. Unternehmen im Land werden neuerdings häufiger Opfer von verleumderischen Falschmeldungen, die sich in russischen sozialen Medien rasant verbreiten. © Aleksandr Bogachev/Polaris/laif

Der Direktor der mittelständischen Molkerei aus Moskau kann es nicht fassen: Ein lokales Webportal berichtet von Beschwerden in sozialen Medien. „Mein Sohn hat gestern Milch von dieser Firma getrunken“, hat ein anonymer Nutzer gepostet. „Seither liegt er mit Bauchschmerzen im Bett.“ Ein zweiter bestätigt: „Meine Tochter hat Joghurt von denen gegessen, und ihr ist jetzt auch schlecht. Ich glaube, dass die statt Milchfett billiges Palmöl beimischen.“ Der Manager greift panisch zum Hörer, um seinen Kunden und Partnern zu versichern, dass an den Meldungen nichts dran sei. Leider macht er sie damit erst auf die Sache aufmerksam – und alles noch viel schlimmer.

Oder der mittelständische Automobilzulieferer, der Besuch vom Föderalen Steuerdienst bekommen hat. Ein Lokalreporter erfährt davon und bezichtigt das Unternehmen auf dem Messenger-Dienst Telegram nun des Betrugs. Der Zulieferer grübelt über die passende Reaktion. Die Nachricht über die Durchsuchung macht schon die Runde – auch unter seinen Kunden.

Falschmeldungen verbreiten sich schnell

Es sind konstruierte Fälle, denn betroffene Unternehmen sprechen nicht öffentlich über das Phänomen. Doch solche Dinge kommen in Russland in letzter Zeit immer häufiger vor. Es handelt sich um sogenannte schwarze PR. Unternehmen heuern spezielle Agenturen an, die dann Produkte ihrer Konkurrenten schlechtmachen. Schon ab umgerechnet 400 Euro kann man entsprechende Dienstleistungen bestellen. Noch perfider: Die Dunkelmänner zielen auf besonders erfolgreiche Unternehmen, die bereit sind, zu bezahlen, damit die Kampagne schnellstmöglich eingestellt wird. Meist erscheinen die Falschmeldungen der schwarzen PR zuerst auf regionalen Internetportalen und in sozialen Medien, dann verbreiten sie sich rasend schnell landesweit.

Erschwerend kommt in Russland dazu, dass kleinere Firmen während der letzten Wirtschaftskrise oft an der Unternehmenskommunikation gespart haben. Jetzt verfügen sie über kein professionelles PR-Management und haben nicht genügend Ressourcen, um kurzfristig reagieren zu können.

Dabei sind die Methoden der schwarzen PR äußerst flexibel. Ein vergiftetes Lob auf einer Konferenz kann für ein Unternehmen genauso negative Folgen haben, wie das Streuen von Gerüchten im Internet: Anonyme Nutzer behaupten zum Beispiel, dass ein Lebensmittelhersteller Hygienestandards missachtet. Oder dass einem Zulieferer
Zahlungsunfähigkeit droht. Auch tendenziös und einseitig geschriebene Medienberichte können Zweifel an der Integrität oder Kompetenz eines Unternehmens oder seines
Repräsentanten wecken.

Interview

»Unternehmen sollten Mitarbeiter schulen.«

Interview mit Sergej Verejkin, Generaldirektor der Agentur Mint, Kommunikationsgruppe BBDO und Vorsitzender des Komitees für Corporate Communications der AHK Russland

Ist „schwarze PR“ in Russland ein verbreitetes Phänomen oder eher eine Randerscheinung?

Das Thema „schwarze PR“ wird immer aktueller! Mit sozialen Medien und Messengerdiensten eröffnen sich neue Kommunikationskanäle. Dabei gibt es nicht nur ganz klassisch beauftragte PR-Kampagnen gegen Unternehmen, auch die Opfer machen die Situation häufig selbst noch schlimmer. Etwa in dem ihre Mitarbeiter die Falschmeldungen ihrerseits unbewusst verbreiten, indem sie auf Messenger-Nachrichten reagieren. Oder indem Sprecher sich im Eifer des Gefechts ungeschickt ausdrücken und zum Beispiel religiöse oder nationale Gefühle verletzen.

Welche Fehler sollte man in so einem Fall unbedingt vermeiden?

Weniger ist oft mehr! Nach einem Angriff sollten Sie nur das tun, was notwendig ist, um die Krise einzudämmen. Statistisch gesehen bleibt eine negative Meldung nur etwa drei Tage in den Medien. Keinesfalls sollten Sie Ihrerseits eine Gegenkampagne gegen den Angreifer fahren. Das führt nur in eine langwierige Auseinandersetzung, aus der niemand unbeschadet herauskommt.

Welchen Tipp können Sie betroffenen Unternehmen geben?

Zuerst einmal Ruhe bewahren! Analysieren Sie, woher der Angriff kommt und welchem Ziel er dienen könnte. Ist nur die Kommunikation betroffen oder Ihr ganzer Business-Case in Gefahr? Um sich gegen Angriffe zu wappnen, sollten Sie Kontakt zu regionalen Medien halten, sowie Ihre PR-Strategie immer aktualisieren und regelmäßig auditieren lassen.

Was sollten Unternehmen tun, um sich vor Angriffen zu schützen?

Proaktivität ist Trumpf! Unternehmen sollten regelmäßig positive Meldungen verbreiten. Im Falle eines Angriffs müssen dann PR-Profis ran. Wenn ein Jurist das Presse-Statement verfasst, klingt es oft sehr fachspezifisch und transportiert im Zweifel die gewünschte Message nicht. Trotzdem kann auch eine bezahlte positive PR-Kampagne regelmäßige Unternehmensmeldungen nur kurzfristig ersetzen.

Auch deutsche Firmen werden Opfer

Unter den betroffenen Unternehmen finden sich auch deutsche Firmen. „Schwarze PR macht keinen Unterschied zwischen russischen oder internationalen Firmen“, erklärt Alexej Knelz, Leiter der Kommunikationsabteilung der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK). Die Angreifer nehmen sich B2B- genauso wie B2C-Unternehmen vor. Nur ein Muster ist zu erkennen: Große Konzerne, die gut aufgestellt sind, geraten seltener ins Visier als kleinere Firmen ohne eigene PR-Ressourcen.

Wenn die Kampagne bereits angelaufen ist, kann ein Unternehmen nur noch reagieren. Zum einen läuft die Verbreitung der schwarzen PR online viel schneller, als eine PR-Abteilung dagegenhalten kann. Zum anderen ist es immer leichter, Gerüchte zu verbreiten, als gegen sie anzukämpfen. Man kann zwar unliebsame Informationen aus digitalen Archiven löschen lassen, doch das kostet Zeit und Geld.

„Das Unternehmen muss Ruhe bewahren und ein kurzes, glaubwürdiges und sachliches Statement herausbringen, dass die erhobenen Vorwürfe geprüft würden“, rät Knelz. „Diese Erklärung schafft die nötige Zeit – meistens wenige Stunden – um eine Krisenkommunikationsstrategie zu entwickeln, am besten mit einer externen PR-Agentur.“ Der Fokus sollte dabei auf digitalen Kommunikationskanälen wie den sozialen Netzwerken vk.com, Facebook, auf Messenger-Diensten wie Whatsapp, Telegram oder Viber oder auf Twitter liegen, die in Russland eine höhere Reichweite und Glaubwürdigkeit als in Deutschland haben.

Unternehmen sollten vorbeugen

Wichtiger als zu reagieren sei es allerdings, im Vorhinein aktiv zu werden, rät Sergej Verejkin, Generaldirektor der Agentur Mint, die zur Kommunikationsgruppe BBDO gehört. Er ist auch Vorsitzender des Komitees für Corporate Communications bei der AHK: „Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter für solche Situationen schulen. Das bedeutet, dass die Kommunikation für das Unternehmen einen genauso hohen Stellenwert haben muss wie Vertrieb, Marketing oder Service.“

Eine andere Möglichkeit ist es, PR-Agenturen mit der Verbreitung positiver Nachrichten zu beauftragen. Doch wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist, reicht es meist nicht aus, auf die Schnelle mit Positivmeldungen gegenzuhalten. „Als Agentur sollen wir für ein Unternehmen, das Opfer von schwarzer PR geworden ist, in wenigen Stunden das leisten, was die Firma monatelang nicht gemacht hat“, so Verejkin. „Eine PR-Strategie entwickeln, die richtigen Kanäle bespielen, positive Meldungen verbreiten.“ Das gehe zwar, betont der Experte. Aber dann muss ein Unternehmen schon investieren, um das Medienimage wieder hinzukriegen.

Checkliste

Zehn Tipps, wie Sie sich wehren können

1. Ruhe bewahren, und das auch in Richtung Mutterhaus vermitteln.

2. Analysieren, welche Auswirkungen die Meldung auf Geschäft, Partner und Kunden hat.

3. Prüfen, welche Reichweite das veröffentlichende Medium hat.

4. Untersuchen, wie sich die Story auf Suchmaschinen wie Google oder Yandex verbreitet.

5. Mit positiven Nachrichten gegenhalten! Dazu braucht es einen Pool an PR-Kontakten.

6. Klagen. Oft werden Markenrechte, Logos, ­Labels oder Autorenrechte verletzt.

7. Gegendarstellung verlangen, falls der Schaden existenziell sein könnte.

8. Die Sache auf sich beruhen lassen, falls der Schaden überschaubar ist.

9. Rachegefühle herunterschlucken und keine Gegenkampagne starten.

10. Niemals bezahlen, wenn die Agentur, die die schwarze PR verbreitet, so einen Deal anbietet.

Service & Kontakt

Ihr GTAI-Ansprechpartner für Russland
Boris Alex
+49 30 200 099 605
Schreiben Sie uns!

Mehr zum Wirtschaftsstandort Russland auf der GTAI-Länderseite.

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