»Diversität ist gut fürs Business.«
Anne Cocquyt, Gründerin des Unternehmerinnen-Netzwerks The Guild, im Interview mit Markets International.
Februar 2023
Interview: Heiko Steinacher
Frau Cocquyt, Sie leben seit fast elf Jahren im Silicon Valley. Wie haben Sie den Start in der Tech-Männerdomäne erlebt?
Also zugegeben, das In-Turnschuhen-Verstecken kostete mich schon Überwindung. Das Valley ist eine Welt der Westenträger und Tech-Bro’s. Es ist nicht leicht, sich da als Frau wiederzufinden. Überspitzt gesagt, lässt es sich in Stöckelschuhen schlecht über das nächste große Ding reden.
© Anne Cocquyt/privat
Aber es geht doch sicher nicht nur ums Outfit?
Nein, aber Gründerwettbewerbe, Innovationsteams, Investoren und Business-Angel-Gruppen – alles ist hier stark von Männern dominiert. Dasselbe gilt für Vorstände bei Technologiefirmen. Meine Beobachtung war immer: Wenn ich mit meinem Mann auf Konferenzen gehe, wird er meist zuerst angesprochen. Frauen müssen meistens kämpfen und sagen: „Hey, wir sind genauso wichtig!“, bevor auch wir gepitcht werden. Quotenfrauen helfen da wenig, die nimmt kaum jemand ernst. Es muss sie eben geben, zur Selbstverpflichtung. Zumindest primär geht es den Unternehmen dabei aber nicht darum, eine qualifizierte Person zu gewinnen – sie wollen, nein müssen eben die Quote erfüllen.
Wie wirkt sich das auf die Finanzierungschancen von Gründerinnern aus?
Im Fundraising-Prozess bekommen Frauen derzeit nur zwei Prozent von den Investitionen hier in den USA. Wenn sie einen männlichen Mitgründer haben, sind es 15 Prozent. Dabei konnte ich mich leider zuweilen nicht des Eindrucks erwehren, dass bei einigen Kapitalgebern auch noch andere Motive im Spiel waren, als nur einen Scheck für eine tolle Idee ausstellen zu wollen.
Was können Frauen selbst dagegen tun?
Weibliche Talente in der Tech-Welt brauchen einfach ein besseres Netzwerk. Deshalb habe ich „The Guild“ gegründet, eine Plattform für Frauen. Damit wir uns einfach mal besser kennenlernen, tauschen wir uns nicht nur über Tech-Themen aus. Die Teilnehmerinnen sollen sich näher kommen und Bindungen untereinander stärken, etwa bei einer Weinprobe oder einem Pferderennen. Gleichzeitig wollen wir dabei den weiblichen Unternehmergeist fördern und versuchen, Frauen und ihre Unternehmen für Investitionen fit zu machen. Wir bieten Seminare zu Unternehmensgründung, Marketing, Führungsqualitäten, Angel Investing und die Arbeit in einem Vorstand an. Das machen wir über unsere Online-Akademie und bei Konferenzen. Rednerinnen sind immer Frauen, die es schon geschafft haben und ihre Erfahrungen gern an die nächste Generation von Unternehmerinnen weitergeben wollen.
Was muss Ihrer Meinung nach sonst geschehen, damit sich Diversität und Inklusion in der Hightech-Welt des Silicon Valley stärker durchsetzen?
Vieles, aber das geht nicht von heute auf morgen. Da wäre etwa die Bruderschaftsmentalität: Studentencliquen sind in den USA oft geschlechtergetrennt. Viele Start-ups kommen zum Beispiel aus Stanford. Zwei Studenten, die sich von dieser Universität schon kennen, haben eine Idee für ein Start-up, gehen ein Bier trinken und treffen dann vielleicht noch weitere aus ihrer Clique, die miteinsteigen wollen. Wenn man schon miteinander vertraut ist, ist es leichter, ein Business zu gründen. Bis diese eingeschworenen Zirkel aber auch auf die Idee kommen, Frauen, Personen aus anderen Kulturen, Schwarze, Alte oder Behinderte mit ins Boot zu holen, werden sicher noch ein paar Jahre vergehen.
Das klingt so, als ob sich grundlegend etwas ändern müsste.
Ja, um ein solches Problem zu lösen, müssen wir viel früher ansetzen. Schon die Schulkassen sind in den USA zu wenig sozial durchmischt. Kinder von Reichen landen in teuren Privatschulen, andere in öffentlichen. Das zieht sich dann auch durchs Studium, und so landen Leute in „Schubladen“, wodurch sich dann auch im Nachgang schwerlich mehr Diversität reinbringen lässt. Das ist schade, denn wir wissen ja aus vielen Studien, dass Diversität gut fürs Business ist.
Diversität gehört deshalb von Anbeginn ins grundlegende Mindset. Gerade bei sportlichen Aktivitäten gäbe es hier viel Potenzial, denn die fördern den Teamgeist. Oder es müssten sich Themen wie Unternehmensgründung bereits in den Lehrplänen der Schulen wiederfinden, dann käme in der Start-up-Welt der Zukunft gewiss auch eine größere kulturelle, ethnische und Geschlechtervielfalt zustande.
Und wenn auch in Zukunft nichts passieren würde?
Dann bleibt das Ganze ein, ich nenne es mal provozierend, Teufelskreis: Männliche Gründer, die schon vor zwanzig Jahren angefangen haben und inzwischen reich geworden sind, wollen in junge Unternehmer investieren. Und zwar am liebsten in solche, die sie an sich selbst erinnern, etwa weil sie ähnlich aussehen oder denken. Oft stoßen sie auch durch ihre Alumni-Netzwerke auf solche Newcomer, die auf der gleichen Universität waren wie sie. Dafür mobilisieren sie dann wieder ihre alten, ebenso männlich dominierten, Kanäle. Wir müssen also mehr Frauen in die Investitionskanäle bringen, etwa als Partner bei Wagniskapitalfirmen. Dafür gibt es bereits ganz tolle Programme wie „All Raise“, Mikro-Fonds wie „How Women Invest“ oder unsere eigenen Workshops, die Frauen dabei helfen, selbst Investorinnen zu werden und so darüber mitzuentscheiden, ob Gründerinnen gefördert werden.
Service & Kontakt
Lesen Sie in unserem Schwerpunkt „Anders zum Erfolg“, warum Diversität für das Auslandsgeschäft wichtig ist.
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