„In unserer fossilen Welt haben es E-Fuels schwer“
E-Fuels könnten bei der Mobilitätswende eine zentrale Rolle spielen. Doch damit sie erschwinglich werden, muss die Nachfrage anziehen und eine Massenproduktion befördern. Die Regulierer könnten ihren Teil dazu beitragen könnten, meint Peter Müller-Baum vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Juni 2022
Interview: Anne Hünninghaus und Caroline Lindekamp, wortwert Köln
Markets International: E-Fuels haben es in die Debatte um eine Mobilitätswende geschafft, aber nicht in die breite Anwendung. Liegt es daran, dass die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt?
Peter Müller-Baum: Nein, technisch ist das Power-to-X-Verfahren kein Hexenwerk, weil letztlich altbekannte Technologien in die Anwendung kommen. Wasser- und Sauerstoff werden aufgespalten und mit Kohlendioxid angereichert. Liefern erneuerbare Energien den nötigen Strom, entsteht zunächst grüner Wasserstoff. Dieser kann zu Gas oder eben flüssigen E-Fuels weiterverarbeitet werden, die wir in die bestehende Infrastruktur einspeisen können. Bisher stehen einer flächendeckenden Nachfrage von E-Fuels vor allem die hohen Kosten im Weg. Ihr Einsatz ist für Unternehmen nicht wirtschaftlich, solange die Produktion in der Größenordnung von Manufakturbetrieben läuft. Und für potenzielle Produzenten lohnt sich die Investition in große petrochemische Anlagen nicht, wenn es keine zuverlässige Nachfrage gibt. Das Problem: Wir leben in einer fossilen Welt. In der sind die neuartigen Kraftstoffe erst mal teurer als fossile Energieträger – und folglich nicht konkurrenzfähig. So lässt sich der Wechsel zur grünen Energie nicht bewerkstelligen.
Um in eine Massenproduktion zu kommen, müssen Unternehmen E-Fuels nachfragen. Wie kann man ihr Interesse wecken?
Das Interesse ist längst da. Ich kann Ihnen sagen: Die Investoren scharren mit den Hufen. Es gibt weltweit viele Firmen, die das Power-to-X-Verfahren technisch meistern, und Geldgeber, die Interesse haben. Aber der Markthochlauf kommt aus meiner Sicht erst in Gang, wenn der Gesetzgeber bestimmte Richtungsweisungen vornimmt. Solange das nicht passiert, wird auch nicht investiert. Es gibt zahlreiche kleine Pilotprojekte, aber kaum nennenswerte Großprojekte. Daran ist die Politik nicht ganz unschuldig. Sie muss klare Signale senden, auch durch regulatorische Vorgaben.
Peter Müller-Baum
Geschäftsführer Motoren und Systeme sowie Power-to-X for Applications beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Das ist ein klarer Appell. Was genau kann die Politik machen: Quoten festlegen oder Subventionen anbieten?
Subventionen haben immer das Risiko einer Marktverzerrung. Das beste Beispiel für verfehlte Subventionierung ist die Photovoltaik-Industrie. Deutschland hat die Technologieentwicklung zwar finanziert. Doch weil Regulierung und Subventionen nicht Hand in Hand gingen, findet die Produktion mittlerweile komplett in China statt. Vor Wiederholungsfehlern muss man warnen. Eine E-Fuels-Industrie mit Subventionen hochzupäppeln, bringt nichts ohne die entsprechende Regulatorik. Dank der Zuschüsse ist die Produktion im großen Stil zwar am Ende möglich. Aber wenn auf der anderen Seite die Nachfrage fehlt, läuft der Markt nicht nachhaltig an – und die Subventionen laufen ins Leere. Deswegen muss sich auf regulatorischer Seite dringend was bewegen.
Sind Quoten das Mittel der Wahl?
Auch von diesem ordnungspolitischen Teufelszeug halte ich eigentlich nicht viel. Aber für eine Initialzündung könnten sie äußerst hilfreich sein. E-Fuels haben den großen Vorteil, dass sie den natürlichen Brennstoffen weitgehend entsprechen. So kann man sie einfach in die bestehende Infrastruktur einschleusen und als sogenannten Drop-in den fossilen Brennstoffen beimischen. Nehmen wir die Luftfahrt als Beispiel: Ersetzen E-Fuels zwei Prozent des Kerosins, fallen die geringen Mengen auf Marktseite kaum ins Gewicht. Einer Modellrechnung des VDMA zufolge würde ein Flugticket nach Mallorca den Verbraucher nur rund drei Euro mehr kosten. Trotzdem wären in der Summe Produktionsmengen in einer Größenordnung nötig, die den Markt in Gang setzen könnten. Die gleiche Rechnung können Sie für den Individualverkehr aufmachen. Um das zu erreichen, ist eine signifikante CO2-Bepreisung das allerbeste Instrument. Aber wir wissen, wie schwierig sie auf einem Niveau durchzusetzen ist, auf dem sie wirklich Marktsignale sendet. Quoten sind also eine gute Alternative, wenn sie die Branchen verpflichten, gewisse Mengen E-Fuels beizumischen.
Emissionen machen nicht an Ländergrenzen Halt. Ist die EU daher mehr in der Pflicht als nationale Regierungen?
Eine nationale Regulierung wird bei dem Problem immer an Grenzen stoßen. Allerdings nimmt das die Bundesregierung nicht aus der Verantwortung. Das Pariser Klimaschutzabkommen hat der Großteil der Weltgemeinschaft unterzeichnet. Insofern müssen Deutschland und andere Länder innerhalb wie außerhalb der EU ihren Verpflichtungen nachkommen. Aber die EU muss das Thema ebenso adressieren: Viele relevante Direktiven kommen aus Brüssel, da kann sich Deutschland lediglich in die Diskussion einbringen.
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