E-Mails reichen nicht

Interkulturelle Kommunikation ist ein entscheidendes Puzzleteil auf dem Weg zu erfolgreichen Exportgeschäften. Markets International erklärt an einem Beispiel, wie man es machen sollte – und wie besser nicht.

Februar 2021
Autorin: Inge Kozel

Medizintechnikmesse Medica, Düsseldorf: Filipe Hernandez ist auf Einkaufstour. Das private Krankenhaus, in dem er in Mexiko City arbeitet, wird erweitert, und er ist auf der Suche nach neuester Medizintechnik. Hernandez kommt in Kontakt mit einem französischen und einem deutschen Hersteller. Mit wem er den Deal letzt­lich abschließt, wird nicht nur von der Qualität der Technik abhängen – sondern auch davon, ob die Chemie mit dem Geschäftspartner stimmt.

Alles richtig macht der Vertriebsleiter des französischen Herstellers, Marcel Dupont: Er reist nach Mexiko City und besucht das Krankenhaus. Die beiden Geschäftspartner treffen sich zum Abendessen, reden über Hobbys, Familie, Reisen und die Branche. Hernandez spricht über die Erweiterungspläne und seine Anforderung an die Technik. Einzelheiten über den Kauf von Geräten in Höhe von mehreren Millionen Euro? Die sind erst später dran. Peter Breuer, Vertriebsleiter des deutschen Unternehmens in Nürnberg, geht einen anderen Weg. Er schreibt ein detailliertes Angebot per E-Mail, erläutert Details und Vorteile der deutschen Technik und macht preislich das günstigere Angebot.

China


„Man sollte wichtige Punkte in der Hinterhand haben, um noch Zugeständnisse machen zu können.“

Stefanie Schmitt, GTAI-Korrespondentin Beijing

Beim Verhandeln mit Chinesen muss man sich Zeit nehmen und cool bleiben. „Im Zweifel bedeutet das auch aufstehen und den Verhandlungstisch verlassen“, sagt Stefanie Schmitt, GTAI-Korrespondentin in Beijing. „Wer sich zu schnell in die Karten schauen lässt oder zeigt, dass er den Vertragsabschluss unbedingt will, hat verloren.“ Besser: Die eigenen Prioritäten im Blick behalten. „Man sollte immer noch ein, zwei wichtige Punkte in der Hinterhand haben, um gegebenenfalls Zugeständnisse machen zu können“, rät Schmitt. „Mitunter hilft es, die Meeting-Zeit zu überziehen, um Zugeständnisse zu erreichen.“ Grundsätzlich ist ein unterschriebener Vertrag erst der Anfang: Nachfragen und Änderungswünsche folgen mit Sicherheit.

Ansprechpartner und Adressen:

AHK-Standorte in China: www.ahk.de/china
Stefanie Schmitt, GTAI Beijing: stefanie.schmitt@gtai.de

Westafrika


„Vermeiden Sie offene Kritik. Ein direktes Nein gilt als unhöflich.“

Dieter Grau, Berater für West- und Zentralafrika

Verhandeln in Westafrika ist komplex: Immerhin unterscheiden sich die Staaten hinsichtlich Kommunikation, Werten, Ritualen, Körpersprache sowie Ethnien und sozialen Gruppen. Die Bewohner sprechen oft mehrere (Mix-)Sprachen. „Entsprechend sind auch die Verhandlungsformen verschieden“, sagt Dieter Grau, der als Berater für West- und Zentralafrika in Köln und Abidjan arbeitet. Eines gilt jedoch für alle Staaten: Die Körperdistanz ist enger und das Verständnis von Zeit und Pünktlichkeit großzügiger als bei uns. Die Gesellschaft ist hierarchisch gegliedert, Entscheidungen werden selten nur von Einzelpersonen getroffen. Westafrikaner berücksichtigen immer auch die Interessen ihrer Gruppe oder ihres Clans. Grau rät zu Vorsicht beim Umgang mit Geld: „Versuchen Sie, Vorkasse zu vermeiden und achten Sie auf ausreichende Sicherheiten wie unwiderrufliche, bestätigte Akkreditive.“
Suchen Sie sich einen vertrauenswürdigen Partner vor Ort. Sie finden ihn über die Auslandshandelskammern, die deutschen Botschaften vor Ort oder indem Sie andere Geschäftsleute fragen.

Ansprechpartner und Adressen:

Delegation der Deutschen Wirtschaft in Nigeria: www.nigeria.ahk.de
Delegation der Deutschen Wirtschaft in Ghana: www.ghana.ahk.de
Corinna Päffgen, GTAI Accra: corinna.paeffgen@gtai.de

Einige Wochen später reist Hernandez nach Straßburg und Nürnberg. Vertriebschef Dupont lädt am Abend des Ankunftstags zum Essen ein. Bei einem guten Tropfen Wein und exquisitem Essen unterhalten sich die Herren über Sehenswürdigkeiten und Spezialitäten des Elsass, das Wetter und Fußball. Am nächsten Tag beginnen die Verhandlungen – zugeschnitten auf die Bedürfnisse des Krankenhauses, die Dupont durch den Krankenhausbesuch kannte.

Tags drauf fliegt Hernandez nach Nürnberg. Breuer will seinen Gast nicht überfallen. Er denkt, der mexikanische Geschäftspartner möchte sich abends von der langen Reise ausruhen. Hernandez allerdings ist irritiert: Kein Treffen vor den Verhandlungen? Man kennt sich doch gar nicht. Wie soll er einem fremden Geschäftspartner vertrauen? Am Tag der Verhandlung ist die Stimmung distanziert, doch für Breuer ist das kein Grund zur Sorge – es geht ja um technische Geräte. Da zählen Tatsachen, nicht Gefühle. Breuer präsentiert also perfekt vorbereitete Charts. Der potenzielle Kunde hört sich die Fakten und Vorteile an, lässt sich die Geräte erläutern. Nach einer Stunde verabschieden sich die beiden höflich voneinander. Vier Wochen später erfährt Breuer, dass der französische Wettbewerber den Auftrag erhalten hat.

Zugegeben, die Darstellung ist überzeichnet und hätte sich genauso mit einem italienischen, afrikanischen, osteuropäischen oder asiatischen Geschäftspartner ereignen können. Doch sie zeigt, wie wichtig interkulturelle Kommunikation ist: Die einen legen Wert auf personenorientierte Kommunikation, die anderen auf Fakten. Wer weiß, wie der Geschäftspartner tickt und worauf dessen Kultur Wert legt, punktet beim persönlichen Verhältnis und schafft Vertrauen – und das entscheidet häufig über den Erfolg einer Geschäftsbeziehung.

Indien


„Zeigen Sie, dass Sie sich im Land und in der Branche auskennen. Namedropping kommt gut an.“

Seema Bhardwaj, Director India Germany Trade & Invest

Inder sind sehr beziehungsorientiert. „Ein Geschäft ist eine Beziehung, die man langfristig aufbaut“, sagt Seema Bhardwaj, die 14 Jahre lang den Indian Desk der Unternehmensberatung Rödl und Partner geleitet hat und seit 2020 als Director India für GTAI arbeitet. „Deutsche, die erstmalig in Indien Geschäfte machen, sollten bereits ein Netzwerk vor Ort haben“, rät sie. Gute Adressen zum Netzwerken sind beispielsweise Veranstaltungen der IHK-Schwerpunktkammern für Indien oder des Ostasiatischen Vereins. Networking Events organisiert auch die indische Botschaft mit ihrem Programm „Make in India – Mittelstand“. Bhardwaj rät: „Bei Verhandlungen sollten Deutsche zeigen, dass sie sich im Land und in der indischen Branche auskennen. Namedropping kommt gut an.“ Und: Inder kommunizieren indirekt, die Zwischentöne sind wichtig. „Ein schroffes Nein werden Geschäftspartner nie hören“, sagt die GTAI-Expertin.

Ansprechpartner und Adressen:

Deutsch-Indische Handelskammer: www.indo-german.com
Boris Alex, GTAI Neu-Delhi: boris.alex@gtai.de

USA


„Die Rollen sind bei Verhandlungen streng verteilt. Der Leiter bestimmt das Geschehen.“

Ullrich Umann, GTAI-Korrespondent Washington D.C.

US-Amerikaner verhandeln bevorzugt zielorientiert. „Zeit ist Geld“, sagt Ullrich Umann, GTAI-Korrespondent in Washington D.C.. Ein überzogenes Treffen mit einem New Yorker Anwalt kann schnell mehrere Tausend Dollar an Zusatzhonorar kosten. Im Süden des Landes geht es gemütlicher zu: Dort trifft man sich für gewöhnlich zum Lunch – Nachtisch eingeschlossen. Die US-amerikanische Gesellschaft verstehe sich als Inkarnation persönlicher Freiheit, erklärt Umann. Dennoch herrschen im Berufsleben strenge Hierarchien. „Die Rollen sind bei Verhandlungen streng verteilt. Der Leiter bestimmt das Geschehen, selbst im auf Partizipation bedachten Silicon Valley“, sagt Umann. Freundliche, teilweise sehr persönlich gehaltene Einführungssätze sind in den USA Pflicht, selbst bei schwierigen Verhandlungsthemen. „Generell zeichnet sich das Land durch ausgewählte Höflichkeit sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben aus“, sagt Umann.

Ansprechpartner und Adressen:

Deutsch-Amerikanische Handelskammern: www.ahk.de/usa
Ullrich Umann, GTAI Washington D.C.: ullrich.umann@gtai.de

Tipp 1: Englisch allein reicht nicht.

Wir leben in einer globalisierten Welt. Gerade die deutsche Wirtschaft hängt stark vom Export ab – und so kommen deutsche Unternehmer zwangsläufig mit Geschäftspartnern aus verschiedenen Ländern in Berührung. Ein sich hartnäckig haltender Irrglaube: Man spricht Englisch, dann sollten doch keine Schwierigkeiten bei Verhandlungen auftreten. Erstens sprechen häufig nicht alle Partner verhandlungssicher Englisch. Dann empfiehlt es sich, einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Die deutschen Auslandshandelskammern können bei der Auswahl behilflich sein. Zweitens: Viele Menschen sind stolz auf ihre Geschichte und Landeskultur, kennen häufig nur ihre eigenen Sitten und Umgangsformen. Haben beide Verhandlungspartner keine Sensibilität für die Andersartigkeit des Gegenübers, kommt es leicht zu Missverständnissen. Für exportierende Unternehmen ist es also essenziell, sich der kulturellen Verschiedenheiten bewusst zu sein.

Tipp 2: Interkulturelle Trainings beugen Missverständnissen vor.

Zugegeben, interkulturelle Kommunikation ist kein Kassenschlager, wenn es um Fortbildungsthemen im Unternehmen geht. Zu Unrecht, denn hier wird das Bewusstsein dafür geschärft, dass andere Menschen durch ihre Erziehung, Geografie und Geschichte anders denken, empfinden und reagieren. Zudem vermitteln die Trainings Wissen über Verhalten und Rituale eines anderen Landes. Dieses Wissen erlaubt ein besseres Verständnis des Partners und ermöglicht einen sensibleren Umgang mit dessen Bedürfnissen und Wünschen.

Tipp 3: Den Geschäftspartner kennenlernen und Vertrauen aufbauen.

Für die meisten Kulturen ist es wichtig, den Geschäftspartner erst einmal kennenzulernen, um ihm vertrauen zu können. Unter den aktuellen Coronabeschränkungen ist ein persönliches Kennenlernen oft allerdings zunächst nicht möglich. Dies empfinden vor allem Mittelständler ganz überwiegend als Belastung, sagt Hans-Wolfgang Busch, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer. „Gerade am Anfang der Geschäftsbeziehung braucht es die persönliche Begegnung, die ein digitaler Kontakt nicht ersetzen kann“, sagt er. Kommt ein ausländischer Geschäftspartner nach Deutschland, geht er in der Regel davon aus, dass es zunächst ein Treffen zum Aufwärmen gibt – auch nach einem Langstreckenflug.

Über Small Talk nähert man sich einander an, entdeckt Gemeinsamkeiten. Wichtig: konfliktbehaftete Themen wie Politik und Religion außen vor lassen. Sogenannte Safe Bets sind Reisen, Essen, Sport, Kultur und Küche. Kennen sich die Geschäftspartner schon etwas besser, kann auch die Familie ein Thema sein.

Small-Talk-Meister sind übrigens die Niederländer: Sie haben zwar grundsätzlich einen ähnlich sachorientierten Verhandlungs- und Entscheidungsstil wie die Deutschen. Aller­dings lockern sie Besprechungen häufig und gern mit kurzen privaten Statements und ­Humor auf. In puncto Humor haben Deutsche im Ausland leider keinen guten Ruf, sie gelten als trocken. Also: Wer Humor zeigt, kann sein Gegenüber überraschen.

Tipp 4: Kleider machen Leute.

Zu den Verhandlungsritualen gehört in den meisten Ländern auch eine entsprechende Kleiderordnung. Dunkler Anzug oder Kostüm kommen gut an. Wer sich mit den Vertretern eines Start-ups trifft, kann den Dresscode ruhig lockerer interpretieren, aber in der Regel gilt: lieber overdressed als underdressed. Formelle und qualitativ hochwertige Kleidung gilt in vielen Kulturen häufig auch als ein Zeichen von Wertschätzung.

Tipp 5: Kritik genau abwägen.

Deutsche sind in ihrer Kommunikation häufig sehr direkt, ähnlich wie US-Amerikaner, Skandinavier und Niederländer. Doch: In fast allen anderen Ländern lässt Kritik den Geschäftspartner das Gesicht verlieren. Ein klares Nein gilt in vielen Kulturen als unhöflich, etwa in ­Indien. Um ein Nein auszudrücken, gibt es dort andere Möglichkeiten. Wer also den Eindruck hat, sein Gesprächspartner gibt keine klaren Antworten auf Fragen, könnte es mit einem höflichen Nein zu tun haben. Das Gleiche gilt, wenn eine Entscheidung immer wieder verzögert wird. Oder wenn jemand wieder und wieder darauf hinweist, dass etwas „sehr schwierig“ ist.

Niederlande


„Die gründliche und effiziente deutsche Arbeitsweise kommt Niederländern entgegen.“

Katja Schleicher, Trainerin und Coach für interkulturelle Kommunikation

Wer in den Niederlanden Geschäfte macht, sollte flexibel sein. „Niederländer kommen häufig mit einer für deutsche Begriffe unfertigen Idee, die sie dann gemeinsam weiterentwickeln möchten“, sagt Katja Schleicher, Trainerin und Coach für interkulturelle Kommunikation. „Quasi Beziehungsarbeit am gemeinsamen Projekt.“ Deutsche haben zusätzlich zu ihrem genauen Plan A oft noch einen Plan B oder C dabei. „Diese gründliche Vorbereitung zeigt Respekt, das schätzen die Niederländer“, sagt Schleicher. „Niederländische Verhandlungspartner fragen schnell nach der dritten oder sogar vierten Variante, ohne die beiden ersten überhaupt geprüft zu haben“, so Schleicher. Davon sollte man sich nicht irritieren lassen.

Ansprechpartner und Adressen:

Deutsch-Niederländische Handelskammer: www.dnhk.org
Torsten Pauly, GTAI Berlin: torsten.pauly@gtai.de

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