Ein Land brennt für neue Energie

Brasilien investiert in Energie aus Wind, Sonne und Biomasse – trotz Jahrhundert­rezession. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen: Sie sind schon lange nicht mehr nur ­Zulieferer. Lesen Sie hier, in welchen Bereichen sich Investitionen besonders lohnen.

Dezember 2017
Autorin: Gloria Rose

Bei der herkömmlichen Zuckerrohrernte werden die Pflanzen abgeflammt, sodass die Blätter verbrennen und sich das Rohr einfacher ernten lässt. Bei der Biomasse­produktion ist das nicht mehr nötig.

© Francesco Zizola/laif

Das Unternehmen Axitec ist Spezialist für Solarenergie. Es produziert Solarmodule und vertreibt seine Produkte in die ganze Welt. In Brasilien verdoppelt das Unternehmen seit 2013 seinen Umsatz von Jahr zu Jahr. „Von Krise kann in der Fotovoltaikbranche keine Rede sein“, sagt Marco Nowak, Geschäftsführer von Axitec Solar do Brasil. Die Strompreise steigen, sodass immer mehr kleine Unternehmen und private Haushalte in Fotovoltaikanlagen für die eigene Stromversorgung investieren. Nowak erwartet zudem, dass künftig mehr Energiegenossenschaften und -konsortien gegründet werden. „Die Stromregulierungsbehörde Aneel hat einen guten Rechtsrahmen geschaffen.“ Anfang Oktober 2016 errichtete Coober, die erste Genossenschaft im Bereich erneuerbare Energien, in Paragominas im Bundesstaat Para eine Solaranlage mit einer Spitzenleistung von 75 Kilowatt. Coober entschied sich unter acht Bewerbern für Axitec.

Seit Brasilien das sogenannte Net-Metering-Verfahren eingeführt hat, steigt die Nachfrage nach kleinen Aufdachanlagen. Firmen verkaufen oft komplette Sets und bedienen so die Nachfrage. Unternehmen wie Axitec stoßen allerdings auf Herausforderungen. Das Problem: Kunden schätzen zwar Beratungsleistungen, sind aber selten bereit, dafür extra zu zahlen.

Das hat auch Christian Belt festgestellt, der die mecklenburgische Unternehmensgruppe ME-LE seit 2015 in Brasilien vertritt. ME-LE hat sich in dem Land auf Biogasanlagen spezialisiert. „Vorkonzept und Ausführungsplanung werden als unentgeltliche Vorleistung des Anbieters gesehen“, sagt Belt. Die Kosten für die ersten beiden Projektphasen müssen deshalb in die Baukosten der Anlagen eingerechnet werden. Entsprechend hoch sind die Anfangsinvestitionen beim Markteinstieg.

Zudem müssen Neueinsteiger in Belts Segment Überzeugungsarbeit leisten. „Biogas hat in Brasilien einen schlechten Ruf“, sagt er. Das liege vor allem daran, dass viele Anlagen errichtet wurden, die wenig effizient sind. „Umso wichtiger ist es, sich mit einem Referenzprojekt vor Ort einen Namen zu machen.“ Grundsätzlich gilt: Verhandlungen mit dem öffentlichen Sektor erfordern viel Einsatz und Geduld.

»Deutsche ­Unternehmen gelten als ­zuverlässige Anbieter ­innovativer ­Technologien.«

Henrique Ferreira,

Geschäftsführer von GEO-NET Consultoria para Energias Renovaveis

Chancen im Agrarsektor

Bessere Aussichten bietet der Agrarsektor. Die Entwicklung der dezentralen Stromerzeugung und günstige Kredite bieten Investitionsanreize für große landwirtschaftliche Betriebe und Kooperativen. Gute Chancen sieht Belt zum Beispiel in der Zuckerrohrindustrie, die sich bislang auf Biomasse konzentriert. Im Jahr 2016 ersteigerte erstmals ein Biogasprojekt einen langfristigen Stromliefervertrag. Die 21-Megawatt-Anlage wird das Konsortium von Geo Energetica und Raizen mit Biomethan aus der Schlempe der Zucker-Ethanol-Produktion betreiben. Der Biokraftstoffkonzern Raizen ist mit 24 Kraftwerken der größte Erzeuger von Strom aus Biomasse.

Etwa 200 der 378 Biomassekraftwerke speisen überschüssigen Strom ins Verbundnetz Sistema Interligado Nacional ein. Biomasse ist damit nach Wasserkraft und Erdgas der wichtigste Energieträger in der Stromerzeugung Brasiliens. Auch hier wird weiter investiert: Dank geänderter Rechtsgrundlage lohnt sich die Erweiterung der Biomassekraftwerke auf über 30 Megawatt.

Vom Windkraftausbau profitieren

Die exzellenten natürlichen Voraussetzungen vor allem in Brasiliens Nordosten machen das Land zu einem optimalen Standort für Windkraft. Seit drei Jahren in Folge zählt Brasilien zu den fünf Ländern mit dem stärksten Windkraftausbau. Im Juli 2017 registrierte der Branchenverband Abeeolica 491 Parks mit einer Leistung von 12,3 Gigawatt (GW). Bis Ende 2020 werden weitere 287 Parks und 6,6 GW hinzukommen.

Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach professioneller Windmessung, auch davon profitieren deutsche Unternehmen. Ein Beispiel dafür ist GEO-NET Umweltconsulting: Die Firma arbeitet mit dem deutschen Windkraftentwickler Sowitec zusammen. Henrique Ferreira betreut für die GEO-NET-Tochter Consultoria para Energias Renovaveis von Brasilien aus den südamerikanischen Markt. Er erwartet insbesondere im Bereich Leistungsanalysen steigenden Bedarf. „Der hohe bürokratische Aufwand der Gründung einer Niederlassung lohnt sich“, sagt er. Zwar werden die Analysen seines Unternehmens derzeit noch in Deutschland erstellt. Doch bei der zu erwartenden Auftragslage sei auch der Technologietransfer nach Brasilien sinnvoll.

Staatliche Förderung

Günstige Kredite für erneuerbare Energien

Im April startete das Programm Agro Energia der Banco do Brasil. Bis Ende des Jahres stellt die staatliche Bank umgerechnet etwa 680 Millionen Euro für Erneuerbare-Energien-Projekte in der Landwirtschaft bereit. Fotovoltaik, Windkraft, Biomasse und Biogas mit einer installierten Leistung bis zu einem Megawatt fördert die brasilianische Regierung mithilfe von vergünstigten Kreditlinien. Das Programm richtet sich an Großbauern, Agrarunternehmen und -genos­sen­schaften mit hohem Stromverbrauch. Das erneute Aufflammen der politischen Krise im Frühjahr dieses Jahres verschlechterte jedoch das Investitionsklima. Von April bis Oktober sind im Rahmen des Programms nur Kredite in Höhe von umgerechnet 20 Millionen Euro beantragt worden.

Service & Kontakt