»Energiespeicherung ist besonders wichtig«

Die Anträge für Erneuerbare-Energien-Anlagen bringen das Stromnetz bereits an seine Grenzen. Dennoch bietet Griechenland lukrative Geschäftschancen für deutsche Unternehmen, wie die Generalsekretärin für Energie und mineralische Rohstoffe des griechischen ­Umwelt- und Energieministeriums, Alexandra Sdoukou, im Interview erläutert.

Februar 2023
Interview: Michaela Balis

Alexandra Sdoukou, gebürtige Nordgriechin, ist Generalsekretärin für Energie und mineralische Rohstoffe im Umwelt- und Energieministerium in Griechenland. Die Rechtsanwältin und Energieexpertin beriet den Vorsitzenden der Partei Nea Dimokratia sowie Umwelt- und Energieminister. © Alexandra Sdoukou/privat

Die konservative griechische Regierung, die seit Juli 2019 im Amt ist, setzt sich im Nationalen Energie- und Klimaplan (NECP) ehrgeizige Ziele. Glauben Sie, dass sie erreicht werden?

Umweltbewusstsein zeichnet den griechischen Premierminister aus. Aber auch die Überzeugung, dass der Klimawandel einer gemeinsamen Herangehensweise auf europäischer Ebene bedarf. Gemäß dem aktuellen NECP sollen bis 2030 mindestens 61 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Wir sind davon überzeugt, dass wir dieses Ziel schon im Jahr 2025 erreichen. Im Jahr 2021 wurden rund 1,2 Gigawatt aus Wind- und Fotovoltaik­anlagen ans Netz angeschlossen. Im Jahr 2022 sollen 1,5 Gigawatt hinzukommen. Wir haben 2022 zudem einen Meilenstein in unserer Energierealität geschafft, der Wegweiser für die Zukunft sein soll: Anfang Oktober 2022 deckte Griechenland seinen gesamten Strombedarf für fünf Stunden aus erneuerbaren Energien.

Was macht den griechischen Markt der erneuerbaren Energien besonders attraktiv?

Weltweit führende Unternehmen aus der Solar- und Windbranche sind schon jetzt auf dem Markt aktiv und wollen ihre Tätigkeiten ausweiten, beispielsweise in Richtung Offshorewindanlagen. Griechenland bietet ihnen ein sicheres Investitionsklima sowie hohes Wind- und Sonnenpotenzial. Zudem beschleunigen, vereinfachen und digitalisieren wir die administrativen Verfahren. Hinzu kommt, dass griechische Unternehmen und Arbeitnehmer über hohes Branchen-Know-how verfügen. Und nicht zuletzt ist die gute geostrategische Lage des Landes in Südosteuropa positiv zu erwähnen.

Umweltpolitik in Griechenland

Griechenlands Pläne sind klar: Das Land will bis 2030 mehr als 60 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien speisen. Der Anteil des grünen Stroms am gesamten Bruttoendenergieverbrauch soll auf 35 Prozent steigen. Das Umwelt- und Energieministerium arbeitet an der Aktualisierung des Nationalen Energie- und Klimaplans von 2019 und plant, höhere Ziele zu setzen. Der Ausstieg aus der Kohleförderung wird für Ende 2028 angepeilt.

Die Pläne sind realistisch. Investoren von Fotovoltaik- und Windanlagen mit einer maximalen Leistung von rund zwölf Gigawatt stellten Anträge für Netzanschlüsse. Mehr Energie kann das Netz kaum aufnehmen. Mit einem Ministerialerlass vom August 2022 werden die Kategorien, die prioritär behandelt werden, festgelegt. Die zugrunde gelegten Kriterien variieren von bilateralen Stromlieferverträgen über die Gesamtkapazität bis
zum Standort eines Projekts.

In Griechenland sind bereits zahlreiche deutsche Unternehmen aktiv, zum Beispiel RWE, Juwi, Baywa, Abo Wind, Aleo Solar, WPD und Enercon.

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um Investitionen in erneuerbare Energien zu fördern?

Wir haben bereits eine Reihe von Reformen umgesetzt. Mit zwei Gesetzen haben wir das Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energieprojekte vereinfacht: Es dauert nun anstelle von sechs bis sieben Jahren nur noch zwei Jahre. Über ein von der EU-Kommission genehmigtes Ausschreibungsverfahren für erneuerbare Energien bieten wir Investoren einen sicheren und transparenten Investitionsrahmen bis 2025. Zudem behandeln wir bilaterale Strom­lieferverträge zwischen Stromerzeugern aus erneuerbaren Energien und Verbrauchern ­prioritär bei Anträgen für Netzanschlussverträge. Außerdem genehmigte die EU-Kommission unser Fördersystem für Energiespeicher und für Hybridstationen, also Erneuerbare-Energien-Anlagen inklusive Speicher, auf Inseln, die nicht an das kontinentale Stromsystem angebunden sind. Die erste Ausschreibung für Speicher wird im Jahr 2023 stattfinden.

Wo ergeben sich Investitionschancen?

Beispielsweise bei Offshorewindparks: Um das Windpotenzial der griechischen Meere zu nutzen, haben wir den gesetzlichen Rahmen für Offshorewindparks verabschiedet. Die Leistung wird auf mindestens zehn Gigawatt für feste Anlagen und auf mehr als 30 Gigawatt für schwimmende Windparks geschätzt. Unser Ziel liegt bei zwei Gigawatt bis 2030. Was die Energiespeicher angeht: Diese sind vielleicht die wichtigste Technologie für den Übergang zu einem Energiesystem, das hauptsächlich, wenn nicht sogar vollständig, auf erneuerbaren Quellen basiert. Um Investitionen in diesem Bereich anzukurbeln, stehen 250 Millionen Euro aus dem EU-Aufbaufonds bereit. Griechenland unterstützt auch Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Entwicklung und Nutzung innovativer Energietechnologien. Gefördert wird unter anderem die Herstellung von Ausrüstungsteilen für erneuerbare Energien und Elektromobilität. Schließlich konzentrieren wir uns in Abstimmung mit der EU-Kommission auf Wasserstofftech­nologien. Zwei Projekte, die zu den Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse, den sogenannten IPCEI, zählen, werden mit 800 Millionen Euro kofinanziert. Und nicht zuletzt gibt es ein Pilotprojekt für schwimmende Fotovoltaikanlagen auf dem Meer.

Wie geht Griechenland die Probleme mit dem gesättigten Stromnetz an?

Wir sind unserem Erfolg zum Opfer gefallen: Die Förderung der erneuerbaren Energien hat zu einem hohen Interesse für Investitionen geführt, sodass das System überlastet ist. Um das zu ändern, setzen der Übertragungsnetz- und der Verteilnetzbetreiber ein großes Investitionsprogramm für den Netzausbau um. Aus dem EU-Aufbaufonds fließen etwa 300 Millionen Euro in den Ausbau der Stromnetze. Auch Finanzmittel aus dem EU-Partnerschaftsprogramm und aus dem Fonds für die Dekarbonisierung der Inseln sind hierfür vorgesehen.

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