Oktober 2018
Autor: Kilian Dick
Dass Wasserstoff nicht nur Autos antreibt, beweist Pierre Forte: Sein Unternehmen Pragma Industries entwickelt E-Bikes, bei denen der Strom aus Wasserstoff gewonnen wird.
© Lepetit/Le Figaro Magazine
Frankreich will in zehn Jahren Marktführer in der Wasserstoffwirtschaft sein. Dann soll grüner, mit erneuerbaren Energien erzeugter, Wasserstoff nicht nur der Industrie als Energieträger und -speicher dienen, sondern auch Züge, Lkw und Schiffe antreiben. Statt klimaschädlicher Abgase kommt dann Wasserdampf aus den Auspuffen.
Dafür hat die Regierung einen sektorübergreifenden Maßnahmenplan zur Wasserstoffwirtschaft vorgelegt. Der sogenannte Plan Hydrogene stellt jährlich 100 Millionen Euro Kredite bereit: für Projekte in der Industrie, zur Energiespeicherung und für die Umstellung des Transports auf Wasserstoff. Bis zum Jahr 2028 sollen bis zu 50.000 leichte Nutzfahrzeuge und bis zu 2.000 schwere Transportmittel Wasserstoff nutzen. 400 bis 1.000 Wasserstofftankstellen sind geplant. Die Industrie soll 20 bis 40 Prozent ihres Wasserstoffbedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Es ist ein Plan nach französischer Art: umfassend und ambitioniert.
Was ist Wasserstoff?
Wasserstoff ist ein Energieträger. Er wird heute meist aus fossilen Brennstoffen durch Reformierung oder Elektrolyse erzeugt oder fällt in industriellen Prozessen als Nebenprodukt an. Unter sehr hohem Druck oder sehr niedrigen Temperaturen ist Wasserstoff gasförmig oder flüssig speicherbar. Anschließend kann er für Brennstoffzellenfahrzeuge oder Flugzeuge oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen als Kraftstoff dienen. Auch die Einspeisung ins bestehende Gasnetz ist möglich, um Häuser und Wohnungen zu heizen. Wasserstoff lässt sich außerdem zu weiteren flüssigen Kraftstoffen weiterverarbeiten oder kann für Prozesse in der Chemieindustrie verwendet werden.
Für deutsche Exporteure sind das gute Nachrichten. „Frankreich hat verstanden, dass Wasserstoff eine Schlüsseltechnologie für die Sektorenkopplung und somit für eine kluge Energiewende ist“, sagt Tristan Kretschmer, Vertriebsleiter von McPhy Energy Deutschland. Das Unternehmen stellt Elektrolyseure, Wasserstoffspeicher und -stationen her. Wasserstoff biete für die Sektorenkopplung, also für die Verzahnung von Transport-, Wärme- und Stromsektor, ein enormes Potenzial, sagt Kretschmer. In Deutschland hätte man sich bisher zu sehr auf die Mobilität konzentriert.
Trotz Förderung sind Fahrzeuge mit Brennstoffzellen allerdings noch zu teuer. Gleichzeitig fehlt die Infrastruktur, um der Wasserstoffmobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Ähnlich sieht es bei Wasserstoffspeichertechnologien aus. In der Industrie findet Wasserstoff zwar in vielen Prozessen Anwendung, zum Beispiel bei der Raffinierung von Mineralöl. Zu 95 Prozent wird Wasserstoff heute allerdings durch CO2-intensive Prozesse und fossile Energieträger wie Erdgas hergestellt. So geht beispielsweise ein Viertel der jährlichen CO2-Emissionen der französischen Industrie auf die Herstellung von Wasserstoff zurück. Entsprechend groß ist das Potenzial der Emissionseinsparung. Dafür müsste der Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Energien in Elektrolyseverfahren erzeugt werden – das wiederum ist aber sehr energieaufwendig.
Wasserstofftankstellen soll es bis zum Jahr 2028 in Frankreich geben. Dann rollen bis zu 50.000 leichte Nutzfahrzeuge und bis zu 2.000 schwere Transporter mit ihren Wasserstofftanks durch das Land.
Euro pro Jahr stellt die französische Regierung dafür bereit: So sieht es das Förderprogramm Plan Hydrogene vor. Die staatliche Agentur Agence de l’Environnement et de la Maitrise de l’Energie verteilt die Mittel.
Euro pro Jahr stehen im Rahmen des Förderprogramms NIP II in Deutschland zur Verfügung. Das Programm läuft über zehn Jahre und ist der Nachfolger des NIP I.
Das Ziel: Mobilität, die auf Wasserstoff basiert, soll wettbewerbsfähig werden.
Quellen: Französisches Umweltministerium, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
Deutschland ist Vorreiter
Durch das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) habe die deutsche Wirtschaft einen Startvorteil, so Ulrich Schmidtchen vom Wasserstoffverband DWV. Seit 2007 hat das Programm die Branche mit insgesamt 750 Millionen Euro gefördert. Etwa 500 Unternehmen und Organisationen sind in Deutschland im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzelle tätig, viele von ihnen sind mit französischen Unternehmen eng verflochten. „Bei den Wasserstofftankstellen haben wir in Frankreich einen Marktanteil von 50 Prozent“, sagt McPhy-Vertriebsleiter Kretschmer. „Die Komponenten kommen vor allem von deutschen und französischen Zulieferern.“
Der Startvorteil deutscher Firmen lässt sich in vielen Bereichen beobachten. SFC Energy zum Beispiel, deutscher Hersteller von Direkt-Methanol-Brennstoffzellen-Stapeln, ist, gemessen an der verkauften Stückzahl, nach eigenen Angaben Weltmarktführer. In Stapeln werden die einzelnen Brennstoffzellen zusammengefügt und in Reihe geschaltet.
Im Tandem könnten das deutsche NIP II und der französische Plan Hydrogene wichtige Impulse geben, damit Europa im Bereich Wasserstoff eine Führungsrolle einnimmt. Denn während es im globalen Wettbewerb der Batteriezellenproduktion schwierig ist, aufzuholen, spielt Europa in der Brennstoffzellenforschung heute in der ersten Liga. Diesen Vorteil müssen die Unternehmen jetzt auf ihre Produktion auszuweiten.
Service & Kontakt
Den Plan Hydrogène finden Sie hier (in französischer Sprache)
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