April 2020
Autorin: Annika Pattberg
Eine von sechs 1,5-Megawatt-Turbinen des größten Gezeitenkraftwerks der Welt an Schottlands Nordküste wartet auf die Installation unter Wasser. Jede der aktuell vier installierten Turbinen hat einen Durchmesser von 18 Metern. Zwei weitere Turbinen sollen noch folgen. © MeyGen Project/Simec Atlantis Energy
Die Schotten sind nicht nur naturverbunden, sondern auch ganz besonders ehrgeizig in Sachen Klimaschutz. Bis 2045, fünf Jahre früher als das gesamte Vereinigte Königreich, will Schottland klimaneutral sein. Bis dahin wollen die Schotten den Ausstoß von Treibhausgasen stark reduzieren und die noch austretenden kompensieren. Wenn Ende 2020 die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen im schottischen Glasgow stattfindet, kann das Land als Vorbild glänzen.
Nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs finden deutsche Geschäftsleute ausgerechnet im rauen Norden der britischen Inseln ein EU-freundliches Klima vor. Im Referendum hatten die Schotten, anders als die Engländer und die Waliser, mit deutlicher Mehrheit für die weitere Mitgliedschaft gestimmt. Seitdem intensivieren sie den Kontakt mit dem europäischen Kontinent, vor allem mit Deutschland. So hat die schottische Regierung seit 2018 eine eigene Vertretung in Berlin.
Für deutsche Firmen bieten sich unter anderem im Bereich Energie sehr gute Chancen. Seit Jahren setzt Schottland auf erneuerbare Energien, vor allem auf Offshorewindenergie, klassische Wasserkraft, Wellen- und Gezeitenkraftwerke sowie Wasserstofftechnologien.
So ticken die Schotten
Die Schotten werden wegen ihrer Liebe zur Unabhängigkeit, aufgrund ihres Patriotismus und ihres Traditionsbewusstseins gern mit den Bayern und wegen ihrer angeblichen Sparsamkeit auch schon mal mit den Schwaben verglichen. Einige Geschäftsleute sprechen sogar von einer besonderen Affinität zwischen Schotten und Deutschen.
Gar nicht gut ankommen würde es, die Schotten als Engländer zu bezeichnen. Sie trinken nicht English Breakfast Tea, sondern Scottish Breakfast Tea, auch wenn es sich um das gleiche Getränk handelt und aus Indien stammt.
Höflichkeit ist überall auf den britischen Inseln angesagt. Doch während sich Engländer gern indirekt ausdrücken, kommunizieren die Schotten etwas offener. Das macht die Kommunikation für deutsche Geschäftsleute etwas einfacher.
Apropos: Das schottische Englisch – nicht zu verwechseln mit dem schottischen Gälisch – mag für deutsche Ohren zunächst gewöhnungsbedürftig klingen, ist aber gar nicht so schwer. Die Aussprache des schottischen Wortes für See (Loch) fällt Deutschen übrigens viel leichter als Engländern, die keinen Ch-Laut kennen.
Überheblichkeit kommt in Schottland gar nicht an, Bescheidenheit stattdessen umso mehr.
In Sachen Offshorewindkraft führten die Briten – und mit ihnen die Schotten – schon immer die Weltrangliste an. Gerade die Schotten profitieren auf offener See von ihrer jahrelangen Erfahrung im Offshoreöl- und -gasgeschäft. 2017 eröffnete das norwegische Unternehmen Statoil vor der schottischen Ostküste den weltweit ersten schwimmenden Windpark. Neuerdings übernehmen fliegende Roboter beziehungsweise autonome Drohnen die Inspektionen schottischer Windturbinen.
Die Bewohner der Orkneyinseln, einer Inselgruppe im Nordosten Schottlands, erzeugen deutlich mehr grünen Strom aus Wind- und Gezeitenenergie, als sie benötigen. Den überschüssigen Strom nutzen die Orkadier, um Wasser per Elektrolyse in den gut transportierbaren Energieträger Wasserstoff zu verwandeln. Mit diesem Wasserstoff betankt die Inselverwaltung ihre fünf Gemeinde-Vans und beheizt außerdem eine Schule. Ab 2022 soll eine nur mit Wasserstoff angetriebene Fähre die kleinen Orkneyinseln klimafreundlich miteinander verbinden.
Prozent ihres eigenen Strombedarfs erzeugen die Orkneyinseln selbst.
Prozent ihres Strombedarfs wollen die Schotten bis Ende 2020 mit erneuerbaren Energien erzeugen.
Gigawattstunden Strom speiste das weltgrößte Gezeitenkraftwerk an Schottlands Nordküste 2019 ins Netz ein.
Quellen: 1) Orkney Islands Council, 2) Annual Energy Statement 2019 der schottischen Regierung, 3) Simec Atlantis Energy
Viele deutsche Firmen vor Ort
Bis 2030 wollen sich die Briten selbst überbieten und ihre installierte Kapazität bei der Offshorewindkraft von aktuell fast zehn Gigawatt vervierfachen. Ein großer Teil dürfte in Schottland errichtet werden. „Im Rahmen des geplanten Offshorewindausbaus in Schottland ergeben sich sehr gute Kooperationsmöglichkeiten und Exportchancen für deutsche Unternehmen“, sagt Heike Winkler, Geschäftsführerin des Branchennetzwerks für Windenergie WAB mit Sitz in Bremerhaven. „Darum werden wir die Zusammenarbeit mit unseren Partnern auf den britischen Inseln ab sofort verstärken.“
Aus Deutschland sind unter anderem Eon, RWE, Innogy, Siemens und auch öffentliche Versorgungsunternehmen bereits vor Ort. So übernahm die Mannheimer MVV Energie AG 2017 eine Müllverbrennungsanlage in der ostschottischen Stadt Dundee. Noch in diesem Jahr eröffnen die Mannheimer neben der alten Anlage ein neues abfallbefeuertes Heizkraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung für 135 Millionen Euro, das Wärme für einen großen benachbarten Industriebetrieb erzeugt. MVV-Sprecher Roland Kress war mehrmals vor Ort. „Die Schotten sind sehr offen gegenüber internationalen Partnern. Die Kooperation mit der Stadt Dundee, dem Kreis Angus und der schottischen Regierung funktioniert hervorragend“, sagt er.
Neue Visionen
In Zukunft wollen die Schotten im wahrsten Sinne des Wortes nach den Sternen greifen. Aktuell planen sie den ersten britischen Weltraumbahnhof an Schottlands Nordküste, rund 100 Kilometer Luftlinie von den Orkneyinseln entfernt. Von dem Space Hub Sutherland sollen kleine Raketen mit Satelliten an Bord ins Weltall starten. Diese sollen unter anderem auch den Klimawandel beobachten.
Service & Kontakt
GTAI-Ansprechpartnerin
Charlotte Schneider
+49 228 249 993 279
Mehr zu Schottland lesen Sie unter:
www.gtai.de/vereinigtes-koenigreich
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