Richtig entsenden – Sozialversichungsrecht

Wann die deutsche Sozialversicherung greift und warum die Bundesrepublik Sozialversicherungsabkommen pflegt.
Dezember 2020

Aufnahmeritual der besonderen Art: Um Teil der Wandergesellen zu sein, lässt sich Zimmermann Felix Kantt ein Ohrloch stechen. Diese mittelalterliche Tradition der Wandergesellen wurde in den 1980er-Jahren wiederbelebt. © TOMAS MUNITA/NYT/Redux/laif

Gilt das deutsche Sozialversicherungsrecht bei einer Entsendung ins Ausland weiter?

Grundsätzlich gilt nach dem sogenannten Territorialitätsprinzip das Sozialversicherungsrecht des Ortes, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Eine Ausnahme davon besteht bei Entsendungen, das heißt, dass das deutsche Recht unter bestimmten Voraussetzungen bei Beschäftigung im Ausland weiterhin anwendbar ist, sogenannte Ausstrahlung. Dafür muss die Entsendung insbesondere vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sein und im Rahmen eines weiterhin bestehenden inländischen Beschäftigungsverhältnisses mit Weisungsrecht des inländischen Arbeitgebers erfolgen.

Worauf ist bei Tätigkeiten in der EU besonders zu achten?

Damit ein entsandter Arbeitnehmer in der EU, Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz weiterhin über die Sozialversicherung des Entsendestaates versichert bleiben kann, muss der Arbeitgeber beim inländischen Sozialversicherungsträger eine sogenannte A1-Bescheinigung beantragen. Dies ist in Deutschland nur noch online möglich. Nur dann greift die deutsche Sozialversicherung auch bei einem Aufenthalt in diesen Ländern. Eine A1-Bescheinigung ist bei jedem geschäftlichen Auslandseinsatz – und sei er noch so kurz – zu beantragen. Passiert dies nicht, drohen teils erhebliche Bußgelder.

Wie ist das mit der Sozialversicherung?

Wer in ein Land der Europäischen Union entsandt wird, braucht eine sogenannte A1-Bescheinigung. Diese dient als Nachweis, dass man im Entsendestaat sozialversichert ist. Wichtig bei Tätigkeiten in Drittstaaten ist, ob es zwischen Deutschland und jenem Land ein Sozialversicherungsabkommen gibt. Oft sehen diese einen Zeitraum vor, wie lange die deutschen Vorschriften gelten.

Was hat es mit Sozialversicherungsabkommen auf sich?

Sie kommen bei Entsendungen in Drittstaaten zum Einsatz, wenn zwischen Deutschland und dem entsprechenden Land ein solches Abkommen besteht. Damit es nicht zu einer Doppelversicherung kommt, regeln diese Abkommen die zwischenstaatliche Verteilung der Versicherungspflicht und sehen zwei Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip vor: zum einen die Entsendung und zum anderen die Ausnahmevereinbarung.

In diesen Fällen gelten auch bei Tätigkeiten im Ausland weiter ausschließlich die deutschen Rechtsvorschriften im Bereich der vom jeweiligen Abkommen umfassten Sozialversicherungszweige. Dies sind teilweise lediglich die Rentenversicherung, zum Beispiel in den Abkommen mit Japan und Indien, oder die Renten- und Arbeitslosenversicherung, zum Beispiel im Entsendeabkommen mit China.

Welchen Zeitraum decken die Abkommen ab?

Die Abkommen umfassen unterschiedliche Zeiträume, in denen bei Entsendungen die deutschen Rechtsvorschriften weitergelten, beispielsweise zwölf oder 48 Monate, oder sie enthalten gar keine Begrenzung. In Marokko beispielsweise gilt ab Beginn des 37. Monats der Entsendung grundsätzlich marokkanisches Recht.

Eine Ausnahmevereinbarung, dass die deutschen Vorschriften weitergelten, kann zwischen dem GKV-Spitzenverband, der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland, und der zuständigen Behörde im Ausland für den Fall geschlossen werden, dass keine Entsendung im Sinne des nationalen Rechts vorliegt oder deren maximale Dauer überschritten wird. Die Vereinbarung betrifft auch lediglich die vom Abkommen umfassten Versicherungszweige und gilt für einen bestimmten Höchstzeitraum, in China beispielsweise für fünf Jahre. Die nicht vom Abkommen erfassten Sozialversicherungszweige richten sich bei Tätigkeit im Ausland grundsätzlich nach dem dortigen Recht. Zudem kann (aufgrund der Ausstrahlung) deutsches Recht anwendbar sein. Somit kann es hinsichtlich verschiedener Zweige zu einer doppelten Sozialversicherungspflicht im Drittland und in Deutschland kommen. Dies ist auch möglich bei Staaten, mit denen kein Abkommen existiert, etwa Südafrika oder Thailand. In diesen Fällen ist für alle Sozialversicherungszweige nach deutschem Recht zu prüfen, ob dieses weiterhin Anwendung findet. Schließlich ist zu beachten, dass das ausländische Recht andere oder weitere Versicherungszweige als das deutsche vorsehen kann.

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