April 2018
Autor: Thomas Hundt
»Im Internet nimmt sich der Gewinner alles. Entweder man siegt – oder man tut sich mit dem Sieger zusammen.«
Rajeev Misra, CEO bei Softbank Investment Advisers
Sie haben noch nie von Flipkart, Paytm oder Ola gehört? 460 Millionen Internetnutzer in Indien schon. Flipkart ist der größte Onlineversandhändler auf dem indischen Subkontinent. Sachin Bansal und Binny Bansal, ehemalige Mitarbeiter von Amazon, gründeten das Start-up vor mehr als zehn Jahren. Wie beim US-Vorbild fingen sie mit dem Verkauf von Büchern an und haben ihr Geschäft seitdem systematisch ausgeweitet. Mit einem Unternehmenswert von geschätzten zwölf Milliarden US-Dollar ist Flipkart heute die wertvollste Internetfirma Indiens. Im April 2017 beteiligte sich der japanische Technologiefonds Softbank Vision an Flipkart und füllte dessen Kriegskasse auf insgesamt rund vier Milliarden US-Dollar auf.
Amazon hält mit einer Investitionszusage von fünf Milliarden US-Dollar dagegen. Schließlich muss der Konzern ausgleichen, dass er sechs Jahre nach Flipkart ins Land kam. Die beiden liefern sich ein heißes Rennen um jeden E-Commerce-Kunden. Ihre Waffen sind exklusive Preisnachlässe und eigens subventionierte Sonderangebote. Die Verluste der beiden Rivalen sind gigantisch.
US-Firmen haben es in Indien schwerer
Indien ist ein Markt mit riesigen Potenzialen und einigen Besonderheiten. Westliche Internetfirmen können ihre Konzepte nicht einfach eins zu eins übertragen: Zwei Drittel der Kunden bezahlen bar, Kreditkarten sind kaum verbreitet, Käufer trauen Händlern nicht. Hausanschriften sind vielerorts ungenau. Internetverbindungen sind langsam und brechen gelegentlich völlig zusammen. Nicht zuletzt muss jedes Marketing immer an die diversen Kulturen, Regionalsprachen und Hunderte Dialekte angepasst werden.
Weil indische Hochschulen gleichzeitig Topabsolventen hervorbringen, bietet der indische Standort Technologiefirmen viele Möglichkeiten, Lösungen zu finden. Amazon etwa verbessert Adressverwaltung, Suchmaschinen und Logistik mithilfe von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz. Auch Flipkart-Gründer Sachin Bansal kündigte im Dezember 2017 an, das Unternehmen werde „Hunderte Millionen US-Dollar“ in künstliche Intelligenz investieren.
Bei den Onlinetaxidiensten heißt es Ola Cabs gegen Uber. Bhavish Aggarwal und Ankit Bhati, Absolventen der Elitehochschule Indian Institute of Technology Bombay, gründeten Ola Cabs im Jahr 2010 und sammelten 2017 rund vier Milliarden US-Dollar frisches Kapital ein. Nutzer können über die Ola-App in 110 Städten mehr als 800.000 bei Ola Cabs registrierte Taxis buchen. US-Konkurrent Uber bezeichnet Indien als seinen wichtigsten Auslandsmarkt, trat 2013 in den Markt ein und ist bislang erst in 30 Städten vertreten.
Spannend ist auch die Bezahl-App Paytm. Internetunternehmer Vijay Shekhar Sharma rief sie im Jahr 2010 ins Leben. Die elektronische Geldbörse Paytm Wallet erhielt nach der Bargeldreform am 8. November 2016 stürmischen Zulauf und zählt inzwischen mehr als 180 Millionen Kunden.
Paytm mischt gleich mehrere Felder auf. Die E-Commerce-Webseite Paytm Mall nimmt es seit 2017 mit Flipkart und Amazon auf. Die weitgehend gebührenfreie Onlinebank Paytm Payments Bank will seit Mai 2017 Menschen ohne Bankkonto erreichen, im Juli 2017 galt das für ungefähr jeden fünften Inder. Anfang 2018 liegt der Unternehmenswert von Paytm bei schätzungsweise zehn Milliarden US-Dollar, die größten Anteilseigner sind Alibaba und die Softbank aus Japan.
Die Player
Gegen Google & Co.
Onlineversandhandel
Flipkart: Über 80 Millionen Produkte im Onlineshop. Mehr als 100.000 Verkäufer und über 100 Millionen Kunden. Der Umsatz stieg im Finanzjahr April 2016 bis März 2017 um 19 Prozent auf 2,4 Milliarden US-Dollar.
Amazon: Mehr als 40 Fulfillment Center, 150 eigene Abgabestationen und 350 Stationen von Partnern. Seit März 2018 verkauft Amazon auch Lebensmittel und rechnet sich gute Chancen gegen die heimischen Onlinelebensmittelhändler Big Basket und Grofers aus.
Essensbestelldienste
Zomato: Gegründet: 2008, Umsatz 2016/17: circa 49 Millionen US-Dollar, Übernahme des Konkurrenten Runnr im September 2017.
Foodpanda: Umsatz 2016/17: circa 9,6 Millionen US-Dollar. Das deutsche Unternehmen Delivery Hero verkaufte Foodpanda im Dezember 2017 an Ola Cabs und erhielt dafür Anteile an Ola Cabs. Gleichzeitig verpflichtet sich Ola Cabs, 200 Millionen US-Dollar in Foodpanda zu investieren.
Swiggy: Gegründet: 2014. Umsatz 2016/17: circa 21 Millionen US-Dollar. Der südafrikanische Medienkonzern Naspers investierte 2017 rund 80 Millionen US-Dollar in Swiggy.
Herausforderer: Areo von Google (seit April 2017), Uber Eats (Mai 2017), Food Mingo (gegründet 2012), Faasos (2011), Box8 (2012).
Indien wird digital
Das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen Makemytrip gilt als das größte Onlinereise-
portal des Landes. Es nutzt den Umstand, dass Inder immer häufiger reisen und bequem Angebote vergleichen wollen. Größter Anteilseigner ist der südafrikanische Mediengigant Naspers, nachdem Makemytrip Anfang 2017 mit dem heimischen Konkurrenten Ibibo verschmolz. Herausforderer sind Portale wie Yatra, Ixigo oder Cleartrip.
In Indien regiert der Preis. Eine kaufkräftige Mittelschicht, die auf Markenqualität achtet, entwickelt sich langsamer, als viele Marktforscher und Internetunternehmer dachten. Günstige Lösungen kommen daher an, auch im Tourismus. Das indische Hotelportal Oyo vermittelt preiswerte Zimmer, die einem Mindeststandard genügen. Mehr als 8.500 Hotels in Indien, Malaysia und Nepal kooperieren schon mit Oyo. Das weckt Interesse. Der japanische Softbank Vision Fund beteiligte sich im September 2017 mit 250 Millionen US-Dollar an dem Start-up.
Selbst die ganz großen US-Webfirmen sind in Indien nicht automatisch überall die Nummer eins. Google beschränkt sich bisher auf seine Suchmaschine – sie hat einen Marktanteil von 97 Prozent – und seinen Kartendienst Maps. Ohne Google Maps kommen weder Taxi-Apps aus, noch finden Kuriere ihre Ziele. Im April 2017 machte Google einen Vorstoß mit der App Areo, mit der man in Mumbai und Bangalore Essen bestellen oder Handwerker beauftragen kann. Im September folgte die speziell für Indien entwickelte Google-Bezahl-App Tez. Der Hindiname ist Programm: Er bedeutet – schnell.
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