Exportschlager Bauhaus

In Pekings Wohnzimmern bekommt das sino-barocke Bling-Bling Konkurrenz. Gefragt sind neue Stilideen und auch deutsche Klassiker: Bauhaus ist zu einem Synonym für Modernes geworden und bereitet Herstellern schlicht-funktionalen Designs den Weg in den chinesischen Markt.

Juni 2021
Autorin: Stefanie Schmitt

Die Installation Bauhaus Imaginista hat internationale Kunstmuseen bespielt – so auch im südchinesischen Hangzhou: Deutsches Design hat in China längst eine Nische gefunden. © Bauhaus Imaginista/Silke Briel

Eine Tour über den riesigen Lampengroßmarkt in Shanghai macht chinesische Design-Trends erlebbar. Noch bis vor wenigen Jahren ging es dort fast ausschließlich vorbei an protzigen Kronleuchtern und üppigen Kandelabern. Das auffällige und bunte Bling-Bling war kein Ladenhüter, sondern fand seine Abnehmer in allen Bereichen. So dominiert das berühmt-berüchtigte Sino-Barock bis heute in vielen chinesischen Hotellobbys und Wohnungen. Hingegen waren gut verarbeitete Lampen in eher nüchternem Design auf dem Großmarkt kaum zu entdecken, und deutsche Modelle konnten sich gegen die grelle Konkurrenz erst recht nicht durchsetzen. Darauf angesprochen, suchte der Geschäftsführer des Großmarktes nach einer Erklärung. „Wissen Sie, wir Chinesen mögen eben doch eher schönes Design“, sagte er – ohne den ausländischen Besucher vor den Kopf stoßen zu wollen. Geschmäcker seien nun mal verschieden.

CHINA DESIGN MUSEUM

Auf dem Xiangshan-Campus der China Academy of Art in Hangzhou wurde das Museum 2018 gegründet. Den Entwurf für den Campus lieferte Wang Shu, der bislang einzige chinesische Pritzker-Preisträger. Das Museum residiert in einem spektakulären dreieckigen Gebäude aus rotem Sandstein. Dessen federführender Architekt, der Portugiese Álvaro Siza, hat ebenfalls den weltweit renommierten Pritzker-Architektenpreis erhalten.

Auf 7.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche zeigt das Museum Dauer- und Wechselausstellungen zu internationalem und chinesischem Design. Zuletzt wurden etwa Sonderausstellungen zu Pierre Jeanneret und Chandigarh sowie aktuelle chinesische Prototypenentwürfe gezeigt. Darunter waren beispielsweise ein kontaktlos zu bedienender Fahrstuhl oder Reißverschlüsse aus nachwachsenden Rohstoffen. Kern des Museums ist und bleibt jedoch die umfangreiche Bauhaus-Sammlung.

Weitere Informationen: http://cdm.caa.edu.cn

Deutsches Design steht für Qualität

Doch Geschmäcker wandeln sich auch. Und in China verändern sie sich gerade zumindest in den Großstädten und unter den jüngeren Menschen. Mit dem Wunsch nach mehr Individualität haben sich die Vorlieben aufgefächert, und nicht zuletzt bei den vielen Möglichkeiten für Auslandsreisen ergeben sich Ideen für eine größere Varianz. Was als schön empfunden wird, ist jetzt vielfältig. Nicht ohne Grund haben sich beispielsweise die Möbelhäuser von Ikea zu Verkaufsmagneten entwickelt. Erfolgreich ist zudem der deutsche Sanitärkeramikhersteller Duravit. Mit seinem schlicht-funktionalen Design bedient Duravit von Chongqing aus den chinesischen Markt. Die Modelle sind mittlerweile so gefragt, dass die Produktion sieben Tage in der Woche an der Kapazitätsgrenze laufen muss.

Auch an anderer Stelle setzt sich deutsches Design durch. In dem berühmten China Design Museum im südchinesischen Hangzhou finden heimische wie internationale Künstler eine Bühne. Der große Stolz der Einrichtung kommt aber aus Deutschland: eine umfangreiche Bauhaus-Sammlung mit zeitgenössischen Trendsettern wie einer originalen Frankfurter Küche von 1926. „Das Wissen zu internationalem Design und speziell auch zum Bauhaus hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen“, sagt Zoe Zhang, Direktorin der Forschungsabteilung des China Design Museum. „Stellen Sie sich vor, noch 2010 hat mich jemand gefragt, ob Bauhaus eigentlich ein Mann oder eine Frau sei. Inzwischen hat sich der Diskurs über deutsches und internationales Design ausgeweitet. Speziell deutsches Design steht für hohe Qualität – auch wenn viele Leute nach wie vor nicht wissen, was sie da tatsächlich kaufen.“

Mit seinen hochkarätigen und sorgfältig beschrifteten Ausstellungen sieht sich das Museum als Mittler in diesem Prozess. Dafür steht nicht zuletzt der enge Kontakt mit dem Bauhaus-Museum in Dessau. „Neben den Studenten der Kunstakademie hier auf dem Campus besuchen uns viele Klassen mit ihren Lehrern, um zu lernen. Auch der Deutsche Werkbund ist ein gutes Beispiel, wie man den Geschmack der Menschen in China beeinflussen und heben kann.“

Vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren, also in den ersten Jahren der Politik der Reform und der Öffnung, fand an Chinas Hochschulen eine Art Design-Revolution statt. Damals wurde der Begriff „Bauhaus“ instrumentalisiert, um den zuvor dominierenden sowjetischen Einfluss zurückzudrängen, erläutert Zhang. Doch weil die Informationslage sehr dürftig war und kaum jemand ins Ausland reisen konnte, entstanden viele Missverständnisse. Zudem kam Bauhaus-Design nicht selten über den Umweg aus den USA nach China. Dies gilt ganz besonders auch für den Bausektor. Viele denken bis heute, dass alles ein Bauhaus-Erzeugnis sei, was simpel oder westlich erscheint. Doch so einfach ist es selbstverständlich nicht.

Trotzdem ist der Bauhaus-Stil nach wie vor ein Synonym für modernes Design. Und so sind echte Wagenfeld-Leuchten auf dem Lampengroßmarkt in Shanghai zwar immer noch eine echte Rarität. Doch mittlerweile haben auch dort funktional-minimalistisch gestaltete Modelle ihre Nische gefunden und machen den sino-barocken Kronleuchtern erfolgreich Konkurrenz.

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