Fahrradmarkt in Kambodscha

Kaum eine andere Branche erlebt derzeit einen solchen Boom wie die Fahrrad­industrie. Auch Länder, in denen Fahrradfahrer bislang kaum zum Straßenbild gehörten, sind mit dabei – ein Blick nach Kambodscha.

Dezember 2021
Autor: Thomas Hundt

»Das Niedriglohnland Kambodscha näht nicht nur in großem Stil Bekleidung für westliche Abnehmer. Die internationale Fahrradindustrie setzt ebenfalls auf den aufstrebenden Standort in Südostasien.«

Thomas Hundt,
GTAI Bangkok/Thailand

Wer hätte das gedacht? Die meisten in Europa verkauften Fahrräder stammen aus Kambodscha. Das kleine südostasiatische Land wurde im Jahr 2017 zum größten Ursprungsland von Fahrrädern in der EU und löste den bisherigen Primus Taiwan ab. Taiwanische Investoren haben die Entwicklung der Fahrradindustrie in Kambodscha vor 15 Jahren angestoßen. Sie erkannten, dass die Herstellungskosten, insbesondere die Arbeitskosten, sehr günstig sind und verlagerten dorthin ihre Fertigungen, um nach Europa und Nordamerika zu exportieren.

Die drei größten Produzenten des Landes stammen aus Taiwan. A&J, Smart Tech und SpeedTech Industrial haben sich in der Cambodian Bicycle Coalition zusammengeschlossen und setzen sich für ordentliche Produktionsbedingungen sowie einen fairen Handel mit der Europäischen Union ein. Die EU erkennt die Bemühungen der drei Firmen an und befreit sie von einem 48,5 Prozent Antidumping Zoll, den sie auf Zweiräder ohne Motor (HS-Warencode 8712) aus mehreren asiatischen Ländern verhängt. Mit der EU kooperierende Hersteller entrichten einen Zollsatz von 0 Prozent gemäß dem Allgemeinen Präferenzsystems, das die EU Entwicklungsländern gewährt.

Zahlen & Fakten

52,7

Exportumsatz von Fahrrädern 2020
(in Mio. US-Dollar)

Um sich für den Präferenzzoll zu qualifizieren, muss der Wert aller verwendeten Vormaterialien der Fahrräder mindesten 30 Prozent betragen. In Kambodscha ist dies ein schwieriges Unterfangen, weil die meisten Komponenten aus Vietnam und anderen asiatischen Ländern stammen. Inzwischen kann Kambodscha aber auch Räder und Rahmen herstellen und zuliefern.

Die günstigen Bedingungen ziehen neue Investoren an. Nach Pressemeldungen möchte die deutsche Firma Leisger eine Fabrik für Elektrofahrräder, Batterien und Komponenten in der Sonderwirtschaftszone Bavet aufbauen, die nur zehn Kilometer von der vietnamesischen Grenze entfernt ist. Dort sind die meisten Fahrradfabriken beheimatet.

Auch der US-amerikanische Hersteller Trek Bicycle will seine Produktion von China nach Kambodscha verlagern. Und chinesische Fahrradkonzerne bauen zusätzliche Fabriken in Kambodscha auf, um die hohen westlichen Einfuhrangaben auf Fahrräder mit Ursprung China zu umfahren.

Färbt der Boom auch auf heimische Radler ab? In den frühen Morgenstunden sind in Phnom Penh viele Sportler mit ihren Bikes unterwegs, berichtet Christoph Janensch vom Business & Cooperation Desk Cambodia der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Ihre Nachfrage nach neuen Sportfahrrädern bedienen in der kambodschanischen Hauptstadt zahlreiche Fachgeschäfte.

Service & Kontakt