Frankreich: Zukunftsvisionen

Französische Unternehmen gelten als wenig automatisiert, die Maschinenparks sind veraltet. Die starke Softwarebranche und eine agile Start-up-Szene könnten helfen, Betriebe besser miteinander zu vernetzen und die Industrie wieder wettbewerbsfähiger zu machen.

Februar 2018
Autor:  Peter Buerstedde

Stark bei Software

Auch in Frankreich ist mit der Digitalisierung der Wirtschaft die Hoffnung verknüpft, die eigene Industrie wieder nach vorn zu bringen – die Wirtschaftsstruktur ist indes eine andere als in Italien. Der europäische Nachbar durchlief viele Jahre eine langsame Deindustrialisierung. Jetzt setzt er auf die Industrie du Futur, die Industrie der Zukunft, um trotz eines schwach entwickelten Maschinenbaus die Kehrtwende zu schaffen.

» Die Fabrik der Zukunft ist der Hebel für eine Reindustrialisierung Frankreichs.«

Emmanuel Macron, Staatspräsident von Frankreich

Durch die Transformation Numérique, die digitale Transformation, könnten die Karten in der Industrieproduktion weltweit ohnehin neu gemischt werden, hofft jedenfalls die Alliance Industrie du Futur, das französische Pendant der Plattform Industrie 4.0, die in Deutschland das Know-how zum Thema bündelt.

3-D-Druck statt Zulieferer

Wie das funktionieren kann, zeigt das Beispiel des Unternehmers Philippe Véran. Er ist vielfacher Unternehmensgründer und Patriot und lässt sich von Schwierigkeiten nicht leicht aus der Fassung bringen. Doch als er für die Herstellung von Zahnprothesen einen Zulieferer guter Schrauben in Frankreich suchte, war das schwierig. „In Baden-Württemberg sind alle Zulieferer in der Region angesiedelt, hier musste ich lange suchen“, beklagt sich der Unternehmer.

Zahlen & Fakten

132

Roboterdichte in der verarbeitenden Industrie pro 10.000 Beschäftigte (Zahl der Multifunktionsroboter 2016**)

19,0

Zahl der SIM-Karten für Maschinen 2017 je 100 Einwohner ***

Rang 24

von 139 beim Networked Readiness Index. Dieser zeigt die digitale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes an. (Deutschland belegt Rang 15.)*

53,9 Mrd. Euro

Der französische Fachverband Syntec Numérique meldet für das Jahr 2017
knapp 54 Mrd. Euro Umsatz von Anbietern aus Frankreich mit Software, IT-Dienstleistungen und Technologieberatung. Der Bereich gilt als eine Stärke Frankreichs.

1.150

Roboterdichte in der Automobilindustrie pro 10.000 Beschäftigte (Zahl der Multifunktionsroboter 2016**)

Quellen:

* Weltwirtschaftsforum, ** IFR World Robotics 2017, *** Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Für ihn ist es aber Ehrensache, französische Zulieferer zu finden, die er dann vielfach über seine Holding, die Groupe Upperside, aufkauft. Durch den Niedergang der Industrie fehlen in Frankreich inzwischen die mittelgroßen Zulieferer mit dem handwerklichen Know-how, die bei der Entwicklung neuer, wettbewerbsfähiger Produkte helfen können, sagt Véran.

Diese Schwierigkeiten und die preiswerte Konkurrenz aus Ostasien brachten ihn frühzeitig auf den 3-D-Druck, ein modernes, additives Fertigungsverfahren im Rahmen von Industrie 4.0. Die verschiedenen Firmen von Upperside erstellen inzwischen Prototypen für andere Unternehmen und immer mehr Zahnprodukte mit selbst gedruckten Teilen aus eigener Fertigung. Seine Prothesen könnten dadurch preislich mit der chinesischen Importkonkurrenz mithalten und punkteten zudem mit dem Qualitätssiegel „Made in France“, sagt der Unternehmer.

»Industrie 4.0 fördert Kooperation von großen und kleinen Firmen, Konzernen und Start-ups.«

Peter Buerstedde, GTAI-Korrespondent, Paris

Dieses Modell lässt sich zwar nicht beliebig in Frankreich replizieren, neue Ideen für Industrie-4.0-Anwendungen liefern aber heimische Start-ups, die überall aus dem Boden schießen. Sie gelten als besonders findig bei Software für Simulationen und bei der Auswertung von Big Data. Tellmeplus oder OptimData etwa bieten Systeme an, die vor Fertigungsausfällen warnen und vorausschauende Wartung ermöglichen.

Vielfach fehlt es aber an der Verzahnung mit der Hardwareseite der Produktion. Und das liegt nicht nur an den Technikern. Wie in Italien sind die Maschinenparks in Frankreich vielfach veraltet, der Automatisierungsgrad ist niedrig. Außerhalb der Vorzeigesektoren Luftfahrt und Automobilindustrie kommen Roboter selten zum Einsatz, das erschwert digitale Anwendungen. Allerdings haben 2017 französische Firmen 25 Prozent mehr Roboter gekauft als noch im Vorjahr.

Digitalisierungsinitiativen

Im Sommer 2015 hat die Regierung die Alliance Industrie du Futur ins Leben gerufen. Sie bündelt Sonderabschreibungen, Investitionskredite und Zuschüsse zu Digitalisierungsprojekten, zum Teil sind die Mittel bei der Förderbank Bpifrance erhältlich.

Im Frühjahr 2018 soll ein neues Gesetz zur Industrieentwicklung vorgestellt werden, das Loi pour la Transformation de l’Industrie.