Februar 2018
Autor: Marcus Knupp
Der Premierminister der neuen französischen Regierung, Édouard Philippe: Er kommt, anders als Emmanuel Macron, aus dem Lager der konservativen Republikaner. Macron hat ihn ausgewählt, um linke und rechte Lager miteinander zu vereinen.
© Lionel Préau/Riva Press/laif
Mit viel Elan geht die neue französische Regierung unter dem jungen Präsidenten Emmanuel Macron ans Werk. Arbeitsmarkt, Steuern, Renten, Umwelt, Europa: Praktisch im Wochenrhythmus bringt Macron neue, ambitionierte Pläne aufs Parkett. Nicht wenige setzt er auch gleich per Verordnung und Gesetz in Gang. Denn der Weg durch die Institutionen ist steinig. Macron muss die Balance halten zwischen Wahlversprechen und Realpolitik, zwischen fiskalischen Wohltaten und Haushaltskonsolidierung, zwischen notwendigen Reformen und sozialpolitischer Verantwortung.
Deutsche Unternehmer in Frankreich sind bis jetzt mehrheitlich zufrieden mit den Reformversuchen. „Meine Sicht der Entwicklung ist insgesamt positiv“, sagt zum Beispiel Peter Nass, Generaldirektor von Nass & Wind, einem Spezialisten für erneuerbare Energien mit Sitz in der Hafenstadt Lorient in der Bretagne. „Ich sehe, dass wichtige Reformen tatsächlich angegangen werden.“ Allerdings hält sich Nass’ Euphorie noch in Grenzen.
„Es bleibt abzuwarten, wie Macron es schafft, seine Popularität zu halten, bis die Maßnahmen wirken und die Effekte auch bei der Masse der Wähler ankommen.“
Der Präsident hat sich einige Neuerungen vorgenommen. Zentral ist die Reform des Arbeitsrechts, von der Vorgängerregierung zögerlich und zaghaft angegangen und dennoch von den Gewerkschaften vehement bekämpft. Macrons Hoffnung: Einschneidende Maßnahmen zu Beginn werden noch im Laufe der Legislaturperiode Wirkung zeigen und die Arbeitslosigkeit weiter senken. Das erwarten auch die von der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer (AHK Frankreich) befragten deutschen Unternehmen in Frankreich. Vier von fünf gehen davon aus, dass die Reform neue Stellen schaffen wird, 62 Prozent sagen, dass es nun leichter fällt, neues Personal einzustellen.
Macron: sowohl links als auch rechts
Auch der französische Unternehmerverband Medef zeigt sich mit der Marschrichtung zufrieden. Ob die Regierung des ehemaligen sozialistischen Wirtschaftsministers dabei eher liberal und wirtschaftsnah, eher links oder rechts agiert, ist dabei eine Frage für die Kommentarseiten der großen Tageszeitungen. Macron selbst hatte sich im Wahlkampf „sowohl links als auch rechts“ positioniert. Die mit einer soliden Parlamentsmehrheit ausgestattete Regierung der neu gegründeten Partei La République en Marche ist entsprechend bunt gemischt.
Ministerpräsident Édouard Philippe und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kommen eher aus dem rechten Lager, Außenminister Jean-Yves Le Drian gehörte bereits der Mitte-links-Regierung von Macrons Vorgänger François Hollande an, die Arbeitsministerin Muriel Pénicaud gilt als ausgemachte Arbeitsmarktexpertin, dabei eher technokratisch und wenig politisch. Der neue Umweltminister Nicolas Hulot ist eher auf der linken Seite des Spektrums zu verorten. Von ihm sind also Schritte zu erwarten, die nicht in allen Teilen der Wirtschaft auf Gegenliebe treffen werden. Beispiel: eine stärkere Besteuerung des CO2-Ausstoßes. Schon ab 2018 gibt es eine saftige Erhöhung der Mineralölsteuer, beim Diesel um rund zehn Prozent.
Macrons Reformvorhaben im Überblick
Arbeitslosenversicherung
Um die Abgabenlast zu verringern, will Macron die Arbeitnehmerbeiträge zur Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung abschaffen. Zwar wird im Gegenzug die allgemeine Sozialabgabe CSG erhöht. Da hier aber auch Rentner und Kapitaleinkommensbezieher einzahlen, bleibt unter dem Strich eine Entlastung. Die Arbeitslosenkasse soll künftig über Steuern mitfinanziert werden.
Steuern
Mit der weitgehenden Freistellung von der lokal erhobenen Wohnungssteuer Taxe d’Habitation löst die Regierung ihr Wahlversprechen ein. Davon profitieren breite Bevölkerungsschichten. Unternehmen können sich über die schrittweise Senkung der Körperschaftssteuer freuen. Der Satz wird von derzeit 33,3 Prozent bis zum Jahr 2022 auf 25 Prozent zurückgefahren. Kapitalerträge werden ab 2018 pauschal mit 30 Prozent besteuert.
Arbeitsrecht
Die Regierung hat in den ersten Monaten mehr als 30 Neuerungen auf den Weg gebracht. Es geht unter anderem um betriebliche Einigungen im Tarifstreit in Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten, ohne Beteiligung der Gewerkschaften. Außerdem möchte die Regierung Entschädigungszahlungen bei Kündigung im Streit begrenzen und Einspruchsfristen für Mitarbeiter verkürzen.
Rentensystem
Die Umsetzung der Rentenreform wird im Vergleich zu anderen Reformen etwas länger dauern. Die wesentlichen Punkte: Die mehr als 40 verschiedenen Systeme sollen unter einem Dach zusammengeführt werden, die potenzielle Lebenserwartung in die Berechnung der Rentenhöhe einfließen. Das Renteneintrittsalter von 62 Jahren wird während der laufenden Regierungszeit wohl nicht angetastet.
Ausbildungssystem
Rund 15 Milliarden Euro sollen in der Legislaturperiode in die berufliche Bildung fließen. Das Geld soll Langzeitarbeitslose besser qualifizieren, Berufsausbildung für 470.000 Jugendliche ermöglichen und der betrieblichen Ausbildung mehr Gewicht geben. Die Garantie Jeunes soll 200.000 gefährdete Jugendliche in die Arbeitswelt integrieren.
Europapolitik
Ein eigenes Budget für die Eurozone, eine europäische Verteidigungspolitik mit einer speziellen Eingreiftruppe, eine europäische Grenzsicherung und Asylpolitik – die Regierung Macron will die Staaten der Europäischen Union stärker integrieren. Ebenfalls geplant: eine Revision der gemeinsamen Agrarpolitik und eine gemeinschaftliche Innovationsstrategie.
Umwelt und Energie im Mittelpunkt
Spezialisten für erneuerbare Energien hingegen begrüßen diese Form der Umweltökonomie. „Das ist für uns Deutsche in Frankreich ein wichtiges Thema“, unterstreicht Peter Nass. Denn Hulot will nicht nur an dem Teilausstieg aus der Kernkraft festhalten und 17 der 58 aktiven französischen Atommeiler abschalten. Er will auch Energiesparmaßnahmen fördern und die Produktion erneuerbarer Energien ausbauen.
So spielen Umwelt und Energie auch eine prominente Rolle im Investitionsprogramm für die nächsten fünf Jahre, das die Regierung im September 2017 vorgestellt hat. Von den insgesamt verplanten 57 Milliarden Euro sollen 20 Milliarden in die Transition Écologique fließen, in die französische Variante der Energiewende. Größte Einzelmaßnahme: die Unterstützung der thermischen Renovierung von Häusern und Wohnungen mit neun Milliarden Euro. Erst danach kommt der zweitwichtigste Posten in Macrons Investitionsplanung: 16 Milliarden Euro sind für die berufliche Bildung vorgesehen. Sie ist das Gegenstück zur Arbeitsrechtsreform. Denn Unternehmen sollen es nicht nur leichter haben, Mitarbeiter zu entlassen, sondern vor allem neue einstellen. Viele Jugendliche und Langzeitarbeitslose bringen derzeit noch nicht die richtigen Qualifikationen mit, um dauerhaft im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das Rezept, um die Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren, lautet: mehr duale Berufsausbildung und gezieltere qualifizierende Maßnahmen. Bis zum Ende der Legislaturperiode wollen die Reformer die Arbeitslosenquote so von derzeit knapp zehn Prozent auf sieben Prozent senken.
Das würde auch die Arbeitslosenversicherung entlasten, eine weitere Baustelle der neuen Regierung. Vor seiner Wahl hatte Macron angekündigt, diese für alle Erwerbstätigen zu öffnen, also auch für Freiberufler und Selbstständige. Außerdem sollen auch Personen, die selbst gekündigt haben, Arbeitslosengeld erhalten können. Das würde teuer, haben Experten errechnet. Je weniger Arbeitslose es gibt, desto einfacher ließe sich die Reform umsetzen. Zu erwarten ist allerdings, dass die Bedingungen nun doch etwas enger gefasst werden.
Privathaushalte profitieren
Insgesamt profitiert die Regierung von der derzeit guten Konjunktur – das staatliche Statistikinstitut Insee erwartet 2017 ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von bis zu 1,8 Prozent. Die Einschnitte in die öffentlichen Ausgaben müssen deshalb nicht ganz so tief sein, um die Defizitobergrenze von drei Prozent einzuhalten. Andererseits könnte es gelingen, die Steuern für Haushalte und Unternehmen gleichermaßen zu senken. Privathaushalte dürften am meisten davon haben, dass Macron die lokal erhobene Wohnungssteuer weitgehend abschaffen will. Unternehmen profitieren von der geplanten Senkung der Körperschaftssteuer – wichtig ist für sie auch, dass die Vermögenssteuer zukünftig nur noch auf Immobilienvermögen erhoben wird. Damit ist in Unternehmen investiertes Kapital ab 2018 nicht mehr vermögenssteuerpflichtig. Aus Sicht von Experten werden Investitionen in die Wirtschaft für Privatleute interessanter.
Eine Blackbox für Unternehmer sind die Vorschläge Macrons zur Weiterentwicklung der Europäischen Union (EU) – dabei dürften auch sie in ihrer Umsetzung handfeste ökonomische Interessen berühren. Der Präsident will die gemeinsame Agrarpolitik reformieren, wünscht sich ein europäisches Verteidigungskommando mit eigener Eingreiftruppe oder eine europäische Asylagentur zur gemeinsamen Grenzsicherung.
Um die zusätzlichen gemeinschaftlichen Aufgaben zu finanzieren, sieht Macron unter anderem eine Finanztransaktionssteuer vor. Im Rahmen einer engeren Wirtschafts- und Währungsunion denkt er an ein eigenes Budget für die Eurozone, gespeist durch europäische Steuern, etwa auf Umweltverschmutzung oder auf digitale Dienstleistungen. Die EU-Kommission könnte damit eigenständig Investitionen umsetzen. Für Macron darf es eben doch ein bisschen Revolution sein. Oder, wie der Präsident es mit Blick auf die Partnerländer selbst formuliert hat: Für ihn gibt es keine roten Linien – sondern nur neue Horizonte.
Interview
„Eine positive Grundstimmung“
Jörn Bousselmi ist Hauptgeschäfsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer. Im Interview erklärt er, warum deutsche Unternehmer die Reformen positiv bewerten.
Wie ist die Stimmung bei den Unternehmen nach einem halben Jahr Macron?
Die AHK Frankreich hat dazu deutsche Unternehmen in Frankreich befragt. 84 Prozent äußerten sich zufrieden über die Maßnahmen und gingen davon aus, dass es leichter wird, Arbeitsplätze zu schaffen. Generell steht die deutsche Wirtschaft der Regierung Macron positiv gegenüber.
Auf welche Reformschritte setzen Unternehmer die größte Hoffnung?
Wichtig ist die Arbeitsmarktreform. Sie soll Unternehmen mehr Spielraum und Sicherheit geben. Unter anderem werden die Rahmenbedingungen für betriebsbedingte Kündigungen verbessert, Abfindungen gedeckelt und Betriebsvereinbarungen gestärkt. Die Regierung will die französische Wirtschaft moderner machen. Es wurde ein Investitionsplan von über 57 Milliarden Euro angekündigt, der den ökologischen Wandel, die Ausbildung, den Verkehr und das Gesundheitssystem voranbringen und den öffentlichen Sektor modernisieren soll.
Sind solche Reformen nur für Unternehmen interessant, die in Frankreich Standorte unterhalten?
Nein. Frankreich und Deutschland sind wichtige Handelspartner. Das Wirtschaftsklima bessert sich leicht, aber für eine Konsolidierung sind weitere Reformen notwendig. Die Unternehmen sehen besonders den angekündigten Senkungen der Unternehmenssteuer und der Sozialabgaben entgegen.
Wird Frankreich für deutsche Firmen nun also attraktiver?
Im letzten Jahr war Deutschland der wichtigste Direktinvestor in Frankreich. Deutsche Unternehmen schaffen jedes Jahr Tausende Arbeitsplätze in Frankreich. Wir verzeichnen bei ihnen eine positive Grundstimmung, die Frankreich guttut und die Attraktivität als Markt und Standort fördert.
GTAI-Ansprechpartner Frankreich
Marcus Knupp
+49 30 200 099 269
Schreiben Sie uns!
Weitere Informationen zu Frankreich finden Sie auf der GTAI-Länderseite: www.gtai.de/frankreich.
Kommentare (0)
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!