August 2017
Autor: Michael Sauermost
Roboter-Rezeptionist in Dinogewand im „Henn na Hotel“ („Seltsames Hotel“) in der Nähe von Disneyland Tokio. In dem Hotel mit seinen 100 Zimmern arbeiten sieben Menschen und 140 Roboter. © YOSHIKAZU TSUNO/GAMMA-RAPHO/laif
Das Menschliche und das Soziale ist ihm wichtig, betont Hiroshi Ishiguro. Der Professor der Osaka-Universität ist mittlerweile als Roboterforscher international bekannt und davon überzeugt, dass die mechanischen Freunde die Lebensqualität der Menschen nachhaltig erhöhen. Mit seinem eigenen, über das Internet gesteuerten Androiden, den er in Teile zerlegt mit auf internationale Konferenzen nimmt, genießt er so etwas wie Promistatus.
Nach dem Computer und dem Smartphone hält Ishiguro persönliche Serviceroboter für die logische nächste Stufe. Auf dem Weg zu einer Robotergesellschaft sieht er Japan gegenüber anderen Nationen im Vorteil: Denn mit ihrer Inselmentalität hätten Japaner einen besseren Draht zu Robotern. Dass Roboter dem Menschen ähnlich sind, findet Ishiguro für die Kommunikation sehr wichtig. Das sei eben der Unterschied zu rein sprachgesteuerten Assistenten wie Apples Siri. Wer Emotionen zeigen könne – und das auch ohne Worte –, der habe ganz einfach mehr Möglichkeiten sich auszudrücken. Und er komme bei seinen menschlichen Gesprächspartnern besser an.
Für Ishiguro sind Roboter ohnehin weitaus mehr als nur die mechanischen Butler der Menschen. In einer Gesellschaft, in der Mensch und Maschine sich zunehmend annähern, könnten sie sogar zu Lebenspartnern werden. Und in einer schrumpfenden und rapide alternden Gesellschaft ist dieser Gedankensprung gar nicht so weit hergeholt. Wo Kritiker ängstlich werden, gönnt der Visionär den Robotern eine Eigenständigkeit – daran arbeitet er intensiv, beispielsweise für die Roboterdame Erica, die sogar erste Ansätze von Mimik zeigt.
»Eigenständige Androiden«
Hiroshi Ishiguro ist Professor an der Osaka University, Department of Systems Innovation. Er hat einen Androiden entwickelt, der aussieht wie er selbst.
Es wird gesagt, dass Japaner eine viel engere Beziehung zu Robotern aufbauen können als beispielsweise Europäer. Teilen Sie diese Meinung, und was könnte der Grund dafür sein?
Wir Japaner unterscheiden nicht so sehr zwischen Menschen untereinander oder zwischen Menschen und anderen. Wir leben auf einer kleinen Insel, getrennt von anderen Nationen, und vor den Weltkriegen haben wir nicht mit anderen Ländern gekämpft. Wir empfinden Menschen als gleich. Daher können wir auch Roboter als Freunde leicht akzeptieren.
Sie haben Ihren Androiden im Laufe der Zeit viermal verbessert. Ging es dabei um technische Verfeinerungen, oder war es Ihre Absicht, Ihr Ebenbild noch stärker an Sie selbst anzupassen?
Wir haben verschiedene Funktionen verbessert und versucht, die Ähnlichkeit zum Menschen zu erhöhen. Aber wir sind nicht auf ein Ebenbild von mir fokussiert. Unser Ziel ist es, völlig eigenständige Konversationsandroiden zu kreieren.
Mit Blick in die Zukunft und auf den Businessaspekt bezogen: In welchen Sektoren sehen Sie das größte Wachstumspotenzial für Humanoidroboter?
Reiseführer, Übersetzer, Rezeptionist, Nachrichtensprecher, Schauspielerei, Gesprächspartner für ältere Leute …
Fast unbegrenzte Möglichkeiten
Letztendlich geht es auch ums Geschäft. Es wird fleißig in die Erhöhung des Intelligenzquotienten von Robotern investiert. Der japanische Fachverband Japan Electronics and Information Technology Industries Association rechnet damit, dass sich der globale Markt für Künstliche Intelligenz, die für Robotersteuerung insgesamt eingesetzt wird, bis zum Jahr 2025 auf mehr als 1,1 Billionen Euro erhöht. Während Kritiker dem Androidenboom nicht ganz trauen, steigen immer mehr Unternehmer in das Geschäft ein. Einer von ihnen ist Takayoshi Ishii. Mit seiner Firma Mars Electric hat er im Eingangsbereich des Start-up-Events „Slush Tokyo“ einen Stand, an dem ein Roboter mit Silikongesicht Besucher anstarrt.
„Die Anwendungsbereiche von Humanoidrobotern sind vielfältig“, schwärmt Ishii. Er träumt davon, dass im Jahr 2020 mehrere Hundert Androiden in Japans Städten als „Festangestellte“ im Einsatz sein werden. Dann trägt Tokio die Olympischen Sommerspiele aus, und Touristen werden sich über die Sprachkenntnisse der Humanoiden freuen. Im „Henn na Hotel“ stellen mechanische Rezeptionisten ihre Effizienz schon heute unter Beweis.
Als Pilotprojekt jobbte Aiko Chihira, ein von Toshiba erfundener Humanoidroboter im Kaufhaus Mitsukoshi auf Tokios berühmter Einkaufsstraße Ginza. Aiko beherrscht sogar Gebärdensprache.
Mars Electric produziert auch den Kommunikationsandroiden „Teleporter“. Im Jahr 2015 gewann das Unternehmen mit einem Robotergesicht beim „Ghost in the Shell Realize Project Award“ einen Preis. Der Roboter kann bei seinem Einsatz aus der Distanz über das Internet gesteuert werden. Erstes Ziel der Entwickler: Der Roboter sollte dem Menschen so ähnlich wie möglich sein.
Mithilfe eines 3-D-Scanners gewinnt Mars Electric ein Abbild des Kunden, der „Teleporter“ wird dann mit dessen Gesicht versehen und vermietet. „Wir produzieren auch Standardmodelle von Erwachsenen oder Kindern“, erklärt der Androidenvermieter Ishii. Er hat bereits Geschäftsführer nachgebildet, die dann ferngesteuert über ihren elektromechanischen Klon Reden hielten. Der „Teleporter“ soll auch in der Lage sein, an Konferenzen teilzunehmen. Das könnte persönlicher sein als eine Videokonferenz. Und so denkt man vielleicht nicht nur in Japan.
Service & Kontakt
Ihr GTAI-Ansprechpartner
Michael Sauermost
+49 228 24 993 379
Schreiben Sie uns!
Weitere Informatioen zu Japan finden Sie auf der GTAI-Länderseite.
Kommentare (0)
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!