Juli 2019
Autorin: Anna Friedrich, wortwert
Der Solartrockner von Unternehmer A. P. Prabhakar hilft Bauern dabei, ihre Ernte zu konservieren. Statt nicht verkauftes Gemüse direkt zu entsorgen, können sie die getrocknete Ernte weiterverwerten. © Niko Palosuo
Markus Steilemann stapft über den staubigen Lehmboden. Es ist heiß in Sinnar, einem kleinen Ort rund vier Autostunden von der Megacity Mumbai entfernt. Der CEO des deutschen Kunststoffkonzerns Covestro besucht die Entwicklungsorganisation Yuva Mitra, die Kleinbauern beim Aufbau von Produktionsgemeinschaften unterstützt. Es ist Steilemanns erster Indienbesuch, seitdem er das Amt des Vorstandsvorsitzenden des Leverkusener Konzerns im Jahr 2015 übernommen hat. Nun will er sich selbst ein Bild davon machen, wo seine Produkte zum Einsatz kommen.
In Sinnar betreibt Covestro-Partner Yuva Mitra eine Art Technologiepark, in der die Firma neue Erntetechnologien zeigt: Kühl- und Gewächshäuser zum Beispiel oder Solartrockner und Entfeuchter, die mit der Kraft der Sonne betrieben werden. Steilemann trifft A. P. Prabhakar, den Chef des Start-ups Vivunes. Prabhakar kauft Polycarbonat bei Covestro ein, verarbeitet es zu Platten und baut daraus anschließend rund 60 Quadratmeter große Gewächshäuser mit Solartrocknertechnik. Ein Musterhaus steht im Technologiepark von Yuva Mitra. Im Solartrockner herrschen heiße 45 Grad, eine ideale Temperatur zum Trocknen von Bohnen, Roter Bete und Zwiebeln. „Indem die Bauern ihre Ernte trocknen, können sie das Obst und Gemüse, das sie nicht loswerden, konservieren“, erklärt Prabhakar.
Zahlen & Fakten
trägt die Landwirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt Indiens bei – und das, obwohl fast die Hälfte aller Erwerbstätigen im Land Bauern sind.
beträgt der Grad der Urbanisierung in Indien. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, da die Lebensbedingungen auf dem Land sehr schlecht sind.
Deutschland ist wichtigster Handelspartner Indiens innerhalb der EU und weltweit auf Platz sechs. Deutsche Firmen liefern vor allem Maschinen und chemische Erzeugnisse.
Quellen: Weltbank, Auswärtiges Amt.
Europäische Firmen unterstützen
Es ist eines der größten Probleme Indiens: Während 200 Millionen Inder unterernährt sind, verderben rund 40 Prozent der Ernte – das sind 83 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr. Das geschieht nicht aus bösem Willen, die Bauern haben schlicht nicht genügend Strom und wissen nicht, wie sie ihre Ernte haltbar machen können. Ein großer Teil der Lebensmittel verdirbt auf dem Weg vom Acker zum Teller. Fast die Hälfte aller erwerbstätigen Inder verdient ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft, dennoch trägt der Agrarsektor nur 15,5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Neben Covestro liefern auch der dänische Klimatisierungsspezialist Danfoss und der italienische Kühlzellenproduzent Fastcold ihre Produkte in den Technologiepark Yuva Mitra. Der indische Kühlhausproduzent Ecozen Solutions nutzt die Produkte der europäischen Firmen, um seine Kühlhäuser zu bauen – die dann im Technologiepark zu sehen sind. Gründer und CEO Devendra Gupta ist stolz auf sein Produkt. „Bauern können mit unserer Technik die Haltbarkeit ihrer Ernte um mehrere Tage verlängern. Dadurch verdient jeder von ihnen im Schnitt rund 10.000 US-Dollar mehr pro Jahr.“
Kurzkommentar
Indiens Landwirtschaft im Wandel
Die Landwirtschaft spielt in Indien immer noch eine bedeutende Rolle, wenn auch mit abnehmender Tendenz. So trugen Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei im Fiskaljahr 2018/19 (Stichtag 31. März) laut dem staatlichen Statistikamt 14,3 Prozent zum realen Bruttoinlandsprodukt bei. Zwei Jahre zuvor waren es noch 15,2 Prozent. Als Arbeitgeber ist die Landwirtschaft mit 44 Prozent Anteil an der Gesamtbeschäftigung 2018 wesentlich bedeutender. Aber auch hier zeigt sich ein Abwärtstrend: Anfang des 21. Jahrhunderts lag der Anteil noch bei 59 Prozent.
von Rainer Jaensch, GTAI Neu-Delhi
Die Funktionsweise ist simpel: Solarpanels auf dem Dach wandeln Sonnenenergie in Strom um, der das Kühlhaus auf zwei Grad Celsius herunterkühlt. Ein Kühlhaus kostet 18.000 US-Dollar und damit so viel, das sich Kleinbauern den Betrag nicht leisten können. „Deswegen bieten wir ihnen eine monatliche Leasingrate von 400 Dollar an“, sagt Gupta. Die indische Regierung subventioniert zudem 35 Prozent des Anschaffungspreises.
Immerhin gibt es für solche Technologien einen Riesenmarkt, denn Kühlhäuser werden dringend gebraucht: Um ein Drittel des Lebensmittelmülls zu retten, bräuchte es zehn Millionen Tonnen an Kühlkapazität. Gupta hat bislang allerdings nur 150 seiner Kühlhäuser verkauft. Die indische Regierung hat das Problem auf dem Schirm und die Bauern auf ihrer Agenda – immerhin machen sie einen Großteil der Wählerstimmen aus (siehe Kurzkommentar). Denn fest steht: Wenn Indien sein Armutsproblem in den Griff kriegen will, muss es die Lebenssituation der Bauern deutlich verbessern – mit dem Einsatz von Technologie aus Europa.
Service & Kontakt
Ihre GTAI-Ansprechpartnerin
Wilma Knipp
+49 228 24 993 259
Mehr zu Indien gibt es unter: www.gtai.de/indien
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