Oktober 2018
Autorin: Miriam Neubert
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez zeigt sich nach der Wahl der Fotografen von seiner besten Seite. Der Ökonom hat einen Wandel versprochen – leicht dürfte das nicht werden. © EMILIO NARANJO/NYT/Redux/laif
Mit einem Kabinett aus elf Ministerinnen und sechs Ministern sowie einem klaren Bekenntnis zur Europäischen Union und zur Haushaltskonsolidierung überraschte Spaniens sozialistische Regierung Anfang Juni 2018 positiv. Mit nur 84 von 350 Abgeordneten steht sie parlamentarisch aber auf sehr schwachen Füßen. Als Generalsekretär der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei hatte Sanchez 2016 das schlechteste Wahlergebnis seiner Partei eingefahren. Er ist der erste Regierungschef, der über ein Misstrauensvotum in den Präsidentenpalast La Moncloa in Madrid einzog.
Angetreten ist der promovierte Ökonom mit dem Versprechen des Wandels. „Wir wollen die nötige Sanierung der öffentlichen Finanzen mit dem Wiederaufbau des Wohlfahrtsstaats verbinden“, sagte Sanchez vor dem Parlament. Sein Kabinett hat in zentralen Themen wie dem Dialog mit Katalonien, der sozialen Kohäsion, dem Klimaschutz, Arbeitsrecht und der Steuerreform Positionen bezogen, mit denen es sich von der Politik des gestürzten Vorgängers Mariano Rajoy und seiner konservativen Volkspartei absetzt. Rajoy hatte das Ruder im Jahr 2011 in tiefer Rezession und höchster Finanzierungsnot wiederum von einer sozialistischen Regierung übernommen und das Land durch sehr unpopuläre Sparmaßnahmen und Arbeitsrechtsreformen aus Finanzkrise und Rezession gesteuert.
Der Preis: Die Gesellschaft ist weniger homogen, die Einkommensschere klafft auseinander, die öffentliche Hand ist mit über einer Billion Euro höchst verschuldet. Spaniens Volkswirtschaft, die viertgrößte des Euroraums, expandiert 2018 im fünften Jahr, wobei das Wachstum auf unter drei Prozent abkühlt. Geht es nach Sanchez, müsse dieses Wachstum gerechter verteilt werden. Soziale Gerechtigkeit gelinge nur mit steuerlicher Gerechtigkeit.
beträgt das spanische Haushaltsdefizit Prognosen zufolge 2019, gemessen in Prozent des BIP. In den vergangenen Jahren hat sich viel getan: Vor sechs Jahren verzeichnete das Land ein Haushaltsdefizit von 10,5 Prozent.
des BIP betrug vor vier Jahren 2014 noch die Staatsschuldenquote. Seitdem sinkt sie jedes Jahr: 2017 betrug sie noch 98,3 Prozent. Den Prognosen zufolge sinkt sie 2019 auf 95,9 Prozent.
betrug das reale BIP-Wachstum Spaniens 2017. Es soll sich 2018 auf 2,7 und 2019 auf 2,4 Prozent abschwächen, damit aber weiterhin über dem EU-Durchschnitt liegen. Motor bleibt die Binnennachfrage.
Quellen: Statistikinstitut INE, Spanische Nationalbank, Europäische Kommission
Unternehmer fürchten höhere Steuern
In der Unternehmenswelt sind die Ankündigungen auf gemischte Gefühle gestoßen. „Der Versuch, mit der aktuellen Regierung in Katalonien ins Gespräch zu kommen, weckt eine gewisse Hoffnung“, schrieb Francisco Javier Gonzalez Pareja, Präsident der AHK Spanien, in der Wirtschaftszeitung „Cinco Dias“, „die Hoffnung, dass die politische Instabilität aufhört, ein Ballast für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sein, das permanent darum ringt, neue Investitionen anzuziehen und zu binden.“
Auf der anderen Seite bereite ihm Sorge, dass die mühsam erreichte Arbeitsmarktreform Rückschritte erleiden könne, zum Beispiel bei der Freiheit für mehr unternehmenseigene Tarifverträge. Ähnlich ist es mit einigen vorgeschlagenen Veränderungen im Steuersystem.
So will Ministerpräsident Sanchez große Unternehmen effektiver besteuern. Der Körperschaftssteuersatz liegt bei 25 Prozent, wird aber durch Vergünstigungen, Verlustvorträge und andere Abzugsmöglichkeiten beeinflusst. Auch der Finanzsektor und große Technologiekonzerne sollen steuerlich mit ins Boot geholt werden, um das aus der Balance geratende Renten- und Sozialversicherungssystem nachhaltiger zu machen. Erwogen wird zudem eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze zur Sozialversicherung. Dies würde besonders die Arbeitgeber treffen, da sie in Spanien mit rund 85 Prozent den Großteil der Sozialabgabenlast tragen.Konkrete Gesetzesentwürfe lagen bei Drucklegung dieses Artikels noch nicht vor.
Die politische Stabilität hat durch den Regierungswechsel nicht gewonnen. Ein Beispiel ist das Tauziehen um den Haushalt 2019: Er soll die Visitenkarte der sozialistischen Regierung werden. Um größeren finanziellen Spielraum für eine sozialere Politik und Investitionen der Regionen zu erhalten, schlug sie vor, beim Abbau des Haushaltsdefizits nicht ganz so streng zu sein. Sie hätte dann 2019 rund sechs Milliarden Euro weniger einsparen müssen. Die erste Abstimmung im Parlament scheiterte aber.
Dagegen stimmte die Opposition von Mitte-rechts, was nicht weiter verwundert. Doch machten auch diejenigen nicht mit, die Sanchez bei dem Misstrauensvotum gegen Rajoy noch zur Seite gestanden hatten. Es sind Parteien von ganz links, die noch mehr Geld ausgeben wollen, sowie Parteien aus dem regionalen nationalistischen Spektrum. Sie sind keine Verbündeten der Sozialisten, sondern harte Verhandlungspartner mit eigenen Interessen. Die große Herausforderung von Ministerpräsident Sanchez ist, die widerspenstigen Reihen bei jedem seiner Vorhaben immer wieder zu schließen. Nur so kann er bis zum Ende der Legislaturperiode 2020 durchhalten.
Service & Kontakt
Hier finden Sie weitere Informationen zur Entwicklung des spanischen BIP sowie des Haushaltsdefizits und der Staatsschuldenquote.
Weitere Informationen zu Spanien finden Sie auf der GTAI-Länderseite www.gtai.de/spanien
GTAI-Ansprechpartner Spanien
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