Grün statt Gold

Die Olympischen Spiele 2024 in Paris sollen weniger als halb so viel CO2 produzieren als die in Rio de Janeiro oder London. Das ist gut für deutsche Anbieter innovativer Baulösungen, die französischen Firmen in Sachen Nachhaltigkeit oft eine Nasenlänge voraus sind.

April 2018
Autor: Peter Buerstedde

Der Künstler Patrick Blanc hat die Fassade des Pariser Musee du Quai Branly mit einem seiner vertikalen Gärten bepflanzt. Grüne Architektur liegt in Frankreich im Trend.

©Bertrand Gardel/hemis.fr/laif

Als Paris im September 2017 den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2024 erhielt, gab Sportministerin Laura Flessel gleich die Marschrichtung vor. Sie wünsche sich doppelt so viele Medaillen wie bei den Spielen in Rio de Janeiro. Ähnlich ambitioniert, aber mitunter besser steuerbar, sind auch die Ziele bei der Nachhaltigkeit. Das Organisationskomitee will in Paris 55 Prozent weniger CO2 produzieren, als die Spiele in London und Rio de Janeiro im Durchschnitt verursacht haben. Konkret bedeute das unter anderem 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen und 100 Prozent der Neubauten als Passiv- oder Plusenergiehäuser, sagt ­Marianne Louradour, Präsidentin für die Region Ile-de-France der staatlichen Entwicklungsbank Caisse des Depots, die einen Teil der Baumaßnahmen finanzieren wird.

Nicht nur zu den Olympischen Spielen wird die „Durabilite“ von Gebäuden immer wichtiger. Viele Bauprojekte im Großraum Paris setzen in unterschiedlichen Spielarten auf Energieeffizienz oder lassen sich je nach Nutzung umwidmen. Einige Bauten werden weitgehend aus Holz errichtet, viele bekommen begrünte Dächer und Fassaden. Deutsche Unternehmen können hier punkten, denn sie beherrschen das nachhaltige Bauen: Lignotrend etwa, Spezialist für Decken­elemente aus Brettsperrholz, der seine Produkte jetzt auf Messen in Frankreich vorstellt. Die Datenbank der Prüfbehörde Centre Scientifique et Technique du Batiment (CSTB) zeigt, dass etliche weitere deutsche Baufirmen ihre Produkte erfolgreich in Frankreich zertifiziert haben.

„Neben Ökologie hat funktionale Leistungsfähigkeit als Nachhaltigkeitsaspekt in Deutschland großen Stellenwert“, sagt Christoph Mayer, Fachberater bei Lignotrend. Oder anders ausgedrückt: „Made in Germany signalisiert französischen Abnehmern, dass ein Produkt funktioniert“, betont Uli Seher, Architekt im Pariser Büro von BRS.

Für die Olympischen Spiele wollen die Franzosen ein Wassersportzentrum in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptstadion (Stade de ­France) neu bauen, eine Halle für Basketball und Ringen ist geplant, das olympische Dorf sowie das Pressezentrum (oder Mediendorf). Hinzu kommen temporäre Spielstätten, die vor allem im Dreieck zwischen Eiffelturm, Triumphbogen und Marsfeld entstehen werden, und die Modernisierung und Aufrüstung bestehender Stätten. Von einem vorläufigen Budget von 6,6 Milliarden Euro fließen allein 3,8 Milliarden Euro in Baumaßnahmen.

Messen zum Einstieg

Innovative Baulösungen sind in Frankreich gefragt, vielfach sind deutsche Anbieter hier bestens positioniert. Auf folgenden Fachmessen geht es ums grüne Bauen:

Batimat: Baumesse mit Bereichen für nachhaltige Lösungen, 4. bis 8. November 2019, Paris

Passi Bat: Spezialisierte Messe für Niedrigenergiehäuser, 20. bis 22. März 2018, Paris

Forum International Bois Construction: Messe für Holzbau, 11. bis 13. April 2018, Dijon

Carrefour International du Bois: Messe für Holzbau, 30. Mai bis 1. Juni 2018, Nantes

Be positive: Messe für Energieeffizienz und nachhaltiges Bauen, 13. bis 15. Februar 2019, Lyon

Ein neues Antlitz für die Hauptstadt

Nicht nur wegen Olympia wird viel gebaut. Die Hauptstadtregion ist derzeit die größte Baustelle Europas und durchläuft die dritte grundlegende Transformation in der neueren Geschichte. In den 1860ern schlug Baron Haussmann die großen Boulevardschneisen durch die Stadt, in den 1960ern schafften die Ringautobahn und die Vorstadtbahnen den Anschluss an die Peripherie. Jetzt sollen im Rahmen des Vorhabens Grand Paris Express für rund 35 Milliarden Euro 200 Kilometer neue Metrolinien verlegt werden, mit 68 Stationen.

Das Projekt ist im vollen Gange, und entlang der neuen Verkehrsachsen werden ganze Stadtviertel neu entstehen. Paris platzt aus allen Nähten. Mit mehr als 20.000 Einwohnern je Quadratkilometer ist die Hauptstadt die am dichtesten besiedelte Metropole in Europa. Jetzt sollen 140 Quadratkilometer neu bebaut werden und damit mehr als die Fläche der Stadt Paris innerhalb der Ringautobahn.

Für einen gehörigen Schuss Nachhaltigkeit sorgen dabei Architekturwettbewerbe. Den Anfang machte Ende 2014 der Wettbewerb Reinventer Paris (Paris neu erfinden). Hier wählte die Jury in mehreren Runden bis Februar 2016 unter 650 aufgenommenen Vorschlägen 22 Projekte aus. Es gab wenige Vorgaben, nur nachhaltig sollten die Lösungen sein.

Das Vorbild Reinventer Paris hat Schule gemacht. Im Juli 2017 wurden in einem Wettbewerb entlang der Seine bis Le Havre (Reinventer la Seine) 20 Vorhaben angenommen. Mitte Oktober 2017 folgten im bisher größten Wettbewerb Inventons la Metropole du Grand Paris (Erfinden wir die Metropole des Großraums Paris) 51 Projekte mit Investitionen von 7,2 Milliarden Euro.

Das Projekt Balcon sur Paris sieht den Bau eines Kongresszentrums aus 63.000 Kubikmeter Holz vor. Das Bauvorhaben Triango folgt der Logik der Kreislaufwirtschaft. Die genutzten nachhaltigen Materialien werden in einer Datenbank erfasst und lediglich zur Nutzung überlassen – als eine Art Dienstleistung und nicht als Gut. Die Bauherren können Triango je nach Nutzung ab- oder umbauen.