August 2019
Interview: Andreas Bilfinger
Die Globalisierung scheint im Rückwärtsgang und Länder ziehen nicht nur im Handel, sondern auch für ausländische Unternehmen vor Ort, die Zugbrücken hoch. Wenn Sie an schwierige Märkte denken, welche Länder bereiten Unternehmen aktuell Bauchschmerzen?
Die Weltwirtschaft befindet sich insgesamt in einer schwierigen Lage. Die deutschen Unternehmen im Ausland berichten im AHK World Business Outlook leider aus nahezu allen Weltregionen von Dämpfern in der Konjunktur. Das allein wäre vielleicht verkraftbar, weil die Unternehmen insgesamt gut aufgestellt sind. Über allem liegen aber die Handelskonflikte – nicht nur zwischen den USA und China, sondern weltweit ist der Protektionismus auf dem Vormarsch. Das spüren Unternehmen ganz konkret in ihren Geschäften und bei der Abwicklung von Aufträgen. Die Handelshemmnisse haben das Potenzial, Lieferstrukturen und Händlerbeziehungen der Unternehmen zu schädigen.
In den USA pickt Präsident Donald Trump einzelne Unternehmen gezielt heraus. Automobilbauer und Flugzeughersteller sind verunsichert, was ihre Lieferketten betrifft. Ist die Wirtschaftspolitik noch verlässlich?
Die Wirtschaftspolitik in den USA hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert, keine Frage. Gerade deutsche Firmen müssen angesichts der sogenannten Buy-American-Regelungen und anderen Maßnahmen hart um Aufträge kämpfen. Dennoch scheint Know-how made in Germany weiterhin gefragt.
China stilisiert sich als Verteidiger offener Märkte. Wie schätzen Sie die Entwicklung im Reich der Mitte in den vergangenen fünf Jahren ein?
Auch Chinas Wachstum gerät unter Druck. Die deutschen Unternehmen vor Ort erwarten nicht mehr die hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre. Die negativen Auswirkungen des Handelskonflikts mit den USA machen sich bei den exportorientierten Unternehmen in China bemerkbar, darunter befinden sich auch viele deutsche Firmen. Klar ist: Im Land braucht es weiterhin notwendige Reformen in der Wirtschaftsstruktur, damit auch deutsche Unternehmen einen fairen Wettbewerb haben.
Deutschland reagiert und entdeckt die Industriepolitik für sich – ganz nach dem Grundsatz „If you can’t beat them, join them“. Halten Sie das für die richtige Antwort?
Die Diskussion über Standortfaktoren ist für die Unternehmen überaus wichtig. Wir haben zu wenig Unternehmensinvestitionen in Deutschland, da es vor allem für den industriellen Mittelstand weiterhin viele Hemmnisse gibt. Firmen brauchen niedrigere Steuern und Energiepreise, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir haben also genug Ansatzpunkte und Baustellen.
Was bereitet deutschen Firmen in Russland die meisten Sorgen? Westliche Sanktionen oder die hausgemachten Herausforderungen?
Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die Währungsunsicherheit bleiben aus Sicht der deutschen Unternehmen die größten Sorgenthemen des Landes. Zwar sehen Unternehmen die eigene Geschäftslage überwiegend weiterhin als gut an, die hohe Inflationsrate und die Auswirkungen der Sanktionen bremsen aber das Wirtschaftswachstum.
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