Hart verdient
Indonesien liberalisiert sein Investitionsrecht. Beim Werben um ausländische Unternehmen könnte der Handelsstreit von EU und USA mit China helfen.
August 2021
Autor: Frank Malerius
Mit der 75.000-Rupiah-Gedenknote feiert die Bank of Indonesia 75 Jahre Unabhängigkeit. Darauf zu sehen: der erste Präsident Sukarno und sein Vize Mohammad Hatta. © picture alliance/Pacific Press/Herwin Bahar
Wer geschäftlich nach Indonesien reist, ist von der menschlichen Wärme überwältigt. Ein Lächeln hier, eine Verbeugung dort, der Gast aus Übersee genießt Vorzugsbehandlung. Wo zu Hause Hektik herrscht und sauertöpfische Kollegen die Stimmung vermiesen, spendet das tropische Inselreich Ruhe und Freundlichkeit. Kein Wunder also, dass so mancher deutscher Unternehmer auf dem neuen Terrain ganz beseelt ist vom ersten einheimischen Partner. Schnell ist man auf einer Wellenlänge, ein Handschlag besiegelt die Kooperation. Doch der mit den Landesgepflogenheiten vertraute Jurist, wenn er sein Handwerk versteht, rät: erst mal die Trennungsmodalitäten festschreiben.
Denn in Indonesien täuscht die zwischenmenschliche Fassade über die Tücken der Geschäftswelt hinweg. Sie konfrontiert manchen Markteinsteiger mit einer Kultur des schnellen Geldes, mit vorsätzlichem Betrug und einer käuflichen Gerichtsbarkeit, wissen zahlreiche Expats zu berichten. Am Ende steht für viele Unternehmer oft ein Millionenverlust.
Investoren gesucht
Dabei braucht das technologisch unterentwickelte Inselreich dringend ausländische Investitionen. Sie versprechen Jobs und Know-how-Transfer. Auf der digitalen Hannover Messe im April 2021 bewarben Regierungsvertreter den Standort. Ob sie bereits Erfolge vorweisen können, wenn Indonesien 2023 erneut Partnerland der weltgrößten Industrieschau sein wird, bleibt abzuwarten.
Präsident Joko Widodo hat mit dem sogenannten Omnibusgesetz, dem größten Reformvorhaben seit Jahrzehnten, jedenfalls seine Hausaufgaben gemacht. Kernelemente sind das Investitions- und das Arbeitsrecht, die bisher wie zwei riesige Betonpoller den Markteintritt ausländischer Unternehmen erschwerten. Die meisten Wirtschaftssektoren waren geschlossen, ausländische Fachkräfte ins Land zu bringen, fast unmöglich. Die Gesetzgebung treibt erstaunliche Blüten: So kann beispielsweise kein ausländischer Geschäftsführer Arbeitsverträge oder Kündigungen unterzeichnen, er muss dies von einem bevollmächtigten lokalen Mitarbeiter vornehmen lassen.
»Noch nicht wie Malaysia oder Thailand«
Markus Schlüter, Partner Geschäftsbereich Asien/ Pazifik, Rödl & Partner im Interview
Welche Branchen profitieren von der Reform des Investitionsrechts?
Es gibt erhebliche Liberalisierungen, beispielsweise in bislang stark geschützten Sektoren wie Logistik oder Vertrieb. Der Großhandel ist wieder komplett für Auslandsinvestitionen zugänglich. Im bislang für Ausländer stark beschränkten Einzelhandel gibt es ebenfalls Öffnungen, allerdings mit Einschränkungen.
Der Markteintritt wird deutlich leichter?
Nicht unbedingt. Ob sich jenseits der sektoralen Öffnung auch eine verfahrensrechtliche Erleichterung für die Registrierung und Lizensierung von Auslandsinvestitionen ergibt, bleibt abzuwarten. Hier fehlen bislang Erfahrungen mit der neuen Verwaltungspraxis. Zudem müssen in Vertriebsstrukturen weiterhin lokale Importgesellschaften oder Handelsvertreter zwischengeschaltet werden, was in der Praxis oft ineffizient ist. Was auf jeden Fall gleich bleibt ist die bislang für viele Auslandsinvestitionen hinderliche Mindestkapitalisierungserfordernis von umgerechnet circa 600.000 Euro – ohne Einbeziehung von Land oder Gebäuden wohlgemerkt. Die Reformen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie schaffen aber noch keine Investitionsbedingungen wie bei den Standortwettbewerbern Malaysia, Thailand oder Vietnam.
Können Ausländer jetzt wieder leichter im Land beschäftigt werden?
Nach neuem Recht wird eine Arbeitserlaubnis nunmehr in nur noch einem einzigen Dokument zusammengefasst, nämlich der sogenannten Genehmigung des Einsatzplans für ausländische Arbeitskräfte. Für einige Jobs kann dieses Dokument sogar entfallen. Eine Durchführungsverordnung steht noch aus.
Viele Branchen geöffnet
Zwar ließ die Reform diese Regelung unangetastet, dennoch gibt es zahlreiche Erleichterungen. Viele zuvor geschlossene Branchen wurden zu 100 Prozent für ausländische Investitionen geöffnet, wie etwa Groß- und Einzelhandel, E-Commerce, Vertrieb von Medikamenten und Medizintechnik, Lagerhaltung, der Betrieb von Krankenhäusern, Bauconsulting und die Herstellung von Agrargütern. Außerdem vereinfacht das neue Arbeitsrecht die Arbeitserlaubnis für Ausländer. Es gibt auch keine branchenspezifischen Mindestlöhne mehr, und die Hürden für Kündigungen wurden herabgesetzt. Diese Neuerungen sind dringend notwendig, denn beispielsweise bei den Abfindungskosten ist Indonesien im internationalen Vergleich weit abgeschlagen: Das Inselreich rangiert hier laut Global Competitiveness Report auf Rang 136 von 141 Ländern.
Ob diese Reformen Indonesien zum Investitionsmagneten machen oder aber die kulturelle Doppelbödigkeit Unternehmen weiter abschreckt, bleibt abzuwarten. Der Archipel hofft derweil auf Hilfe von außen: Wenn sich der Handelsstreit zwischen der EU und den USA mit China nicht schlichten lässt, wird manche Fabrik die Volksrepublik verlassen und einen Alternativstandort suchen. Und diese Firmen will Jakarta dann nicht nur mit Freundlichkeit, sondern auch mit einem verlässlichen Rechtsrahmen willkommen heißen.
Service & Kontakt
Weitere Informationen zu wirtschaftlichen Entwicklungen und rechtlichen Rahmenbedingungen finden Sie unter www.gtai.de/indonesien
Lesetipps:
Marktprognose Indonesien – drei Fragen an unseren Korrespondenten Frank Malerius.
Indonesien will zur Industrienation werden, steht aber erst am Anfang eines langen Weges. Lesen Sie dazu den Artikel „Ein Land baut um“.
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