August 2019
Autor: Niklas Becker
Hinter den Kulissen mit Andreas Schenkel: Der CEO der neugegründeten Gesellschaft Mercedes-Benz Manufacturing Poland verantwortet die Produktion am Standort Jawor. Das Werk produziert CO2-neutral – und gibt damit die Marschrichtung für die Zukunft vor. © Daimler
Bereits in diesem Jahr sollen in der polnischen Kleinstadt Jawor im neuen Werk von Mercedes-Benz die ersten Motoren vom Band rollen. Ab 2022 sollen auch Elektrobatterien dazukommen. Die neue Fabrik wird dabei innerhalb des globalen Netzwerks von Mercedes-Benz eine Vorreiterrolle einnehmen. Denn das Werk setzt auf CO2-neutrale Produktion. Das heißt: Die anfallenden klimaschädlichen Gase werden reduziert und produktionsbedingte Treibhausgasemissionen kompensiert. Möglich ist dies zum Beispiel, wenn die benötigte Energie ausschließlich aus erneuerbaren Energien und nicht etwa aus Kohle gewonnen wird.
Mercedes-Benz hat als eines der ersten großen Industrieunternehmen in Polen Verträge mit lokalen Ökostrom- und Wärmeversorgern abgeschlossen. So liefert das Pelletheizwerk der Getec Heat & Power GmbH künftig CO2-neutrale Wärme. Der Ökostrom kommt aus dem zwölf Kilometer entfernten Windpark Taczalin. Mercedes-Benz hat dafür einen langfristigen Vertrag – ein sogenanntes Power Purchase Agreement (PPA) – mit dem Betreiber EWG Taczalin abgeschlossen. Durch PPAs können Energieproduzenten ihren grünen Strom direkt verkaufen und das zu einem festen Preis. Das schützt Abnehmer einerseits vor eventuellen Preisanstiegen und bietet Produzenten gleichzeitig eine langfristige und stabile Einnahmequelle.
Polen hinkt noch hinterher
Die Entscheidung, in Jawor CO2-neutral zu produzieren, hängt laut Mercedes-Benz weniger an den in Polen zuletzt stark gestiegenen Energiepreisen, sondern an der Firmenphilosophie. „Wir möchten vom Einkauf über die Produktion bis zum Produkt umweltfreundlich sein“, sagt Ewa Labno-Falecka, Head of Corporate Communication and External Affairs bei Mercedes-Benz Polska. siehe Interview Dabei gehört Polen nicht unbedingt zu den Vorreitern auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. 2017 lag deren Anteil am Endenergieverbrauch bei lediglich elf Prozent – einer der niedrigsten Werte innerhalb der Europäischen Union. Im Durchschnitt kamen die EU-Mitgliedstaaten auf 17,5 Prozent, Tendenz: steigend. Polen hingegen verzeichnet bereits seit 2016 einen Rückgang des Anteils an erneuerbaren Energien. Das vorgegebene Ziel, bis 2020 15 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu beziehen, scheint in weiter Ferne.
Interview
»Wir verzichten völlig auf Kohlestrom.«
Ewa Labno-Falecka, Head of Corporate Communication and External Affairs bei Mercedes-Benz Polska.
Warum ist CO2-neutrale Produktion für Mercedes-Benz wichtig?
Mercedes-Benz Cars stellt die Weichen für eine grüne Fahrzeugproduktion. Wir verzichten völlig auf Kohlestrom und beziehen elektrische Energie und Wärme nachweislich und nachhaltig aus regenerativen Quellen. So sollen alle deutschen Werke bis zum Jahr 2022 über eine CO2-neutrale Energieversorgung verfügen und die klimafreundliche Produktion in Europa konsequent ausgebaut werden. Mercedes-Benz Cars gehört zu den ersten großen Industrieunternehmen in Polen, die Verträge mit lokalen Ökostrom- und Wärmeversorgern abgeschlossen haben. Sowohl die Motorenfabrik als auch die Batteriefabrik werden CO2-neutral mit Energie versorgt. Innerhalb des globalen Produktionsnetzwerks von MBC gehört Jawor damit zu den Vorreitern.
Warum haben Sie gerade den Standort Jawor dafür ausgewählt?
Wir suchen unsere Standorte nach einer Reihe von Kriterien aus. Dazu gehört unter anderem Infrastruktur, Zulieferer-Landschaft, qualifizierte Arbeitskräfte und natürlich die Unterstützung durch die regionalen und nationalen Behörden. Uns ist es auch wichtig, dass wir in einer Region und einem Land willkommen sind. Das alles trifft im Falle von Jawor zu.
Wie wird sich die CO2-neutrale Produktion in naher Zukunft entwickeln?
Das Werk Jawor wird sowohl technologisch hoch effiziente konventionale Motoren als auch Elektrobatterien produzieren für Fahrzeuge der Produkt- und Technologiemarke EQ. Insgesamt über 1.300 Mitarbeiter sollen Hightech-Motoren und Batterien in bewährter Mercedes-Benz Qualität fertigen – auf klimafreundliche Weise.
Welchen Einfluss hatten die Energiepreise in Polen auf die Entscheidung erneuerbare Energien zu verwenden?
Unsere Entscheidung in Jawor orientierte sich also weniger an den Energiepreisen in Polen als viel mehr an unsere Philosophie: Umweltfreundlich von Einkauf über Produktion bis zum Produkt. Insbesondere bei den neuen Werken legen wir Wert auf erneuerbare Energien und innovative Energiedienstleister. Grünen Strom wird Jawor künftig von einem Dienstleister direkt aus der Nachbarschaft beziehen. Der bereits seit 2013 bestehende Windpark des Energiedienstleisters liegt nur etwa 12 Kilometer vom Werksgelände entfernt. Die leistungsstarke Anlage liefert das passende Stromkontingent, um den gesamten Bedarf des Mercedes-Benz Standorts wirtschaftlich und sicher abzudecken. Und das auch, obwohl die Produktionsfläche des Werkes über 220.000 Quadratmetern hat. Flexibilität steht auch auf der Agenda der Getec Heat & Power GmbH: Der Energiepartner wird sein Pellet-Heizwerk fertigstellen und das Werk mit CO2-neutraler Wärme versorgen.
In Belgien tut sich etwas
Nicht nur Mercedes-Benz beschäftigt sich mit der klimaneutralen Produktion. Auch andere Autobauer sind mit von der Partie. Audi Brüssel erhielt beispielsweise im März 2018 das Zertifikat „CO2-neutraler Standort“ der belgischen Prüfgesellschaft Vincotte. 95 Prozent aller Prozesse des Werks werden durch erneuerbare Energien abgedeckt. Die Fotovoltaikanlage des Unternehmens gilt als größte in der Region Brüssel und zählt innerhalb Belgiens zu den Top Fünf. Die restlichen fünf Prozent, die hauptsächlich durch die Dienstwagenflotte am Standort entstehen, kompensiert das Unternehmen durch Umweltprojekte.
Damit spart Audi in Brüssel eigenen Angaben zufolge jährlich rund 17.000 Tonnen CO2 ein, was dem Verbrauch von rund 1.500 Belgiern entspricht. Der schwedische Autohersteller Volvo gab Anfang 2018 bekannt, am Standort Skövde CO2-neutral produzieren zu wollen. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, seinen gesamten globalen Betrieb bis 2025 klimaneutral zu gestalten.
Nicht nur die Autobauer rüsten auf
Auch andere Branchen stellen sich der Herausforderung der klimaneutralen Produktion. Zum Beispiel das schwedische Einrichtungshaus Ikea: In allen polnischen Produktionsstandorten hat Ikea seinen CO2-Fußabdruck nach eigenen Angaben vollständig neutralisiert. Firmeneigene Windkrafträder produzieren mehr Strom, als das Unternehmen für seinen Eigenverbrauch in den polnischen Produktionsstätten und Filialen benötigt.
Bislang sind es jedoch vor allem große Unternehmen, die damit beginnen, ihren Energieverbrauch klimaneutral zu gestalten. Für Firmen mit kleinerem Geldbeutel ist die finanzielle Herausforderung groß. Das könnte sich bald ändern: Neue Technologien zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien werden kontinuierlich weiterentwickelt, wodurch die Preise sinken. Damit könnte eine CO2-neutrale Produktion auch für kleine und mittlere Unternehmen schon bald sehr interessant werden.
Service & Kontakt
Ihr GTAI-Ansprechpartner
Fabian Möpert
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Weitere Informationen zu Polen unter: www.gtai.de/polen
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