Historisches Paket
Indien justiert seine Wirtschaftspolitik im Zuge der Coronakrise neu. So soll das Land attraktiver für internationale Unternehmen werden, die ihre Lieferketten diversifizieren wollen.
Oktober 2020
»Indien steckt Geld in den Gesundheitssektor. Medizintechnik kommt dabei vor allem aus dem Ausland.«
Boris Alex,
GTAI-Korrespondent Neu-Delhi
Umgerechnet 296 Milliarden US-Dollar: So viel lässt sich Indien die Stützung seiner Wirtschaft in der Coronakrise kosten. Mit rund elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist es das größte Konjunkturpaket in der Geschichte des Landes. Neben Geld- und Sachleistungen für die einkommensschwache Bevölkerung zielen die Maßnahmen insbesondere darauf ab, Millionen von Mikro-, Klein- und mittelständischen Unternehmen mit günstigen Krediten und Steuerstundungen durch die Krise zu bringen. Gerade unter Beschäftigungsaspekten bilden diese Betriebe das Rückgrat der indischen Wirtschaft und viele davon sind durch die Covid-19-Pandemie in ihrer Existenz bedroht.

Polizisten in Secunderabad sensibilisieren die Bevölkerung für das neue Virus: Indien erlebte einen der strengsten Lockdowns weltweit. © NOAH SEELAM/Getty
Neustart aus der Krise
Indien will die Krise aber auch dazu nutzen, seine Wirtschaftspolitik neu zu justieren. Schon der Titel des im Mai beschlossenen Konjunkturprogramms Atmanirbhar Bharat – zu Deutsch: Selbstständiges Indien – gibt dabei die Richtung vor. So sollen die Wertschöpfung in wichtigen Industrien wie Pharma, Nahrungsmittelverarbeitung und Automobil vertieft und Wachstumsbranchen wie die Elektronikfertigung ins Land geholt werden. Viele Maßnahmen des Konjunkturpakets zielen darauf ab, Indien als alternativen Standort für internationale Unternehmen zu etablieren, die im Zuge der Coronapandemie ihre Lieferketten diversifizieren oder neu ausrichten wollen.
Indien:
Bruttoinlandsprodukt: 2,7 Billionen US-Dollar
Coronahilfen: 296 Milliarden US-Dollar
Das Hilfsprogramm ist dabei sehr breit aufgestellt und viele der angekündigten Maßnahmen dürften, wenn überhaupt, erst mittel- bis langfristig ihre Wirkung entfalten. Aus Sicht deutscher Unternehmen sind vor allem die geplanten Lockerungen bei Beschränkungen für ausländische Direktinvestitionen unter anderem im Rohstoff- und Bergbausektor, in der Luftfahrtindustrie oder in der Energieversorgung interessant.
Eigentlich soll die Wirtschaft ja autarker werden, was im Widerspruch zur Öffnung des Landes für Investitionen steht. Welche Geschäftschancen sich für deutsche Firmen in diesem Spannungsfeld ergeben, dürfte sich in den kommenden Monaten konkretisieren. Indien bleibt auf seinem Weg in die wirtschaftliche Unabhängigkeit in vielen Bereichen weiter auf ausländisches Know-how, Vorprodukte und Kapitalgüter angewiesen.
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