Mai 2018
Autorin: Sarah Sommer, wortwert
Riesenkran zu Gast auf der Baumaschinenmesse Bauma in München. Zu deutschen Leitmessen kommen Besucher und Aussteller aus aller Welt – hier der schottische Maschinenvermieter Weldex.
© Messe München
Zum wichtigsten Messetermin des Jahres muss Stefan Brand keine weite Anreise in Kauf nehmen. Gerade einmal anderthalb Stunden Autofahrt entfernt vom Sitz seines Unternehmens im oberschwäbischen Biberach trifft der Unternehmer alle zwei Jahre jeden, der in seiner Branche international Rang und Namen hat. „Die Grindtec in Augsburg ist für uns die wichtigste internationale Leitmesse“, sagt der Geschäftsführer der Vollmer Gruppe, die sich auf Schleif- und Schärftechnik spezialisiert hat. „Da fahren wir alles auf, was wir haben: alle neuen Maschinen und die neuesten Features frisch aus dem Entwicklungslabor.“ 650 Quadratmeter hat Brand dieses Jahr für seinen Messestand gebucht.
Das Unternehmen mit knapp 800 Mitarbeitern ist international aufgestellt, macht mit seinen zwölf Auslandsniederlassungen rund 80 Prozent seines Umsatzes. Allein in diesem Jahr stehen 28 Messen auf dem Terminplan der Schleifmaschinenexperten – in Europa, Asien, Nord- und Südamerika. „Aber die Leitmessen im eigenen Land, Grindtec, Ligna und Emo – sie bleiben für uns ganz klar die wichtigsten Vertriebstermine“, sagt Brand.
»Besucher aus dem Ausland planen ihre Messetermine sehr früh, oft viele Monate vor der Messe.«
Mareile Kästner, Bauma-Leiterin
Zu den Topleitmessen kommen alle
Deutschland ist einer der wichtigsten internationalen Messestandorte weltweit: Rund drei Millionen ausländische Besucher kommen pro Jahr ins Land, um bei den großen internationalen Leitmessen dabei zu sein, wie bei der Baumaschinenmesse Bauma in München, der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main oder der Kunststoffmesse K in Düsseldorf. Das nutzen Mittelständler wie Brand, die internationale Märkte erschließen und ihr Geschäft international ausbauen wollen. Ihr Ziel auf den Leitmessen im Heimatland ist klar: weltweit neue Kunden und Aufträge gewinnen. Es ist naturgemäß allerdings nicht ganz einfach, auf den Megaevents der Branche aufzufallen, aus der Masse der Aussteller herauszustechen und ausländische Kunden von sich zu überzeugen.
Viele Tausend Aussteller auf mehreren Hunderttausend Quadratmetern Ausstellungsfläche, dazwischen Besucher aus verschiedenen Ländern und Kulturen, die zwischen den zahlreichen Messeterminen oft wenig Zeit und Geduld mitbringen. „Das ist schon eine Herausforderung“, sagt Mareile Kästner, Leiterin der Baumaschinenmesse Bauma, der größten internationalen Leitmesse in Deutschland mit den meisten ausländischen Besuchern. „Messebesucher, die auf eine große Messe wie die Bauma kommen, wissen vorab meist sehr genau, was sie mit dem Messebesuch erreichen und was und wen sie sehen wollen“, sagt Kästner. Gerade mittelständische Unternehmen sollten sich daher sehr gut auf ihren Messeauftritt vorbereiten, um es auf die Messeagenda potenzieller Kunden zu schaffen.
Der erste wichtige Schritt ist daher: „Lassen Sie sich frühzeitig im Ausstellerverzeichnis listen“, rät Kästner. „Wer das versäumt, den haben Besucher bei der Messeplanung nicht auf dem Schirm. Und der schafft es dann später vielleicht auch nicht mehr auf den Terminplan wichtiger Entscheider.“ Gerade Besucher aus dem Ausland planen ihren Messeauftritt sehr früh, oft viele Monate vor der Messe. Wer diese Besucher erreichen und an den eigenen Messestand locken will, muss zweitens also früh mit der Planung anfangen, Zielgruppen möglichst genau festlegen und persönliche Einladungen schreiben.
bleiben ausländische Messebesucher im Schnitt mindestens vor Ort, deutlich länger als deutsche Messebesucher (1,3 Tage). Es lohnt sich also, Angebote für ein abendliches Rahmenprogramm zu machen.
Nicht alle, nur die richtigen Kunden
Das rät auch Rüdiger Kreuzer, Messeberater aus dem hessischen Villmar. Darauf zu hoffen, dass die richtigen Kunden von allein in einer freien Minute am Stand vorbeischauen oder dass man sie mit plumpen Werbemaßnahmen am Messetag selbst anlocken könne, sei naiv. „Man kennt ja diese Messestände, die mit Gewinnspielen, Cocktailständen, mit Partys oder besonders spektakulärem Standdesign auf sich aufmerksam machen“, sagt Kreuzer. „Aber was bringt das? Ich will ja nicht besonders viele Besucher an den Stand locken, sondern genau die richtigen.“
Der dritte Rat lautet deshalb: qualifizieren. Nur weil sich die ganze Welt auf den Leitmessen tummele, müssten Unternehmer sich nicht für alle Besucher gleichermaßen ins Zeug legen, betont Kreuzer. „Was bringt es mir etwa, wenn ein potenzieller Kunde aus Südafrika an meinen Stand kommt und sich intensiv mit einem Mitarbeiter unterhält – aber Südafrika ein Markt ist, den ich gar nicht bedienen kann oder will?“
Interview
»Leitmessen sind internationale Taktgeber.«
Peter Neven, Hauptgeschäftsführer des Verbands der deutschen Messewirtschaft, über die Vorteile hiesiger Messen.
Es gibt Dutzende Fachmessen im Ausland. Warum sollten Unternehmer überhaupt noch im eigenen Land ausstellen?
Weil die deutschen Leitmessen die Stars unter den internationalen Messen bleiben. Rund 60 Prozent der Aussteller und ein Drittel der Fachbesucher auf den mehr als 150 internationalen Messen in Deutschland kommen aus dem Ausland.
Was macht die Messen in Deutschland so attraktiv für internationale Besucher?
Sie sind wichtige internationale Events und Taktgeber für ganze Branchen. Wir als Verband, die Auslandshandelskammern und die GTAI werben im Ausland aktiv für den Messestandort. Für Unternehmen, die Neugeschäft machen wollen, die neue Märkte erschließen, bleiben Leitmessen sehr wichtig.
Warum ist das so?
In dieser Dichte treffen Unternehmer ausländische Geschäftspartner sonst nirgends. Nicht zuletzt sind Leitmessen in der Heimat auch eine Gelegenheit, um den Auftritt in einer neuen Region vorzubereiten.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung für internationale Messen?
Digitalisierung bedeutet vor allem Effizienzsteigerung. Aussteller und Besucher können sich schon vor Beginn der Messe vernetzen, sind besser vorbereitet und können dadurch auf der Messe schneller auf den Punkt kommen.
Perfekte Vorbereitung ist alles
Entscheidend sei, dass jederzeit die Mitarbeiter mit der nötigen Fach-, Vertriebs- und Sprachkompetenz am Stand sind, um Wunschkunden aus den Zielmärkten angemessen zu empfangen. Dann begrüßt etwa der brasilianische Handelsvertreter den potenziellen Kunden aus Südamerika am Stand in seiner Muttersprache und hat die Werbebroschüren auch gleich übersetzen lassen. Die chinesischen Besucher freuen sich über die Präsentation der neuesten Produktinnovation durch den Entwicklungschef höchstpersönlich und anschließend auf das Rahmenprogramm mit Besuch auf Schloss Neuschwanstein.
Und wenn der potenzielle neue Geschäftspartner aus den Vereinigten Arabischen Emiraten mit dem halben Familienklan am Stand auftaucht, stehen dort arabische Muttersprachler bereit und für alle Familienmitglieder gibt es Begrüßungsgeschenke. „Wichtig ist, dass Unternehmer den Messeauftritt nicht irgendwie nebenbei planen nach dem Motto: Dabei sein ist alles“, sagt Kreuzer. „Auf so einer internationalen Messe aufzutreten, ist eine Riesenchance.“ Doch um diese Chance zu nutzen, müsse man eben auch Geld in die Hand nehmen, den Auftritt professionell von langer Hand vorbereiten und außerdem die Mitarbeiter am Stand sorgfältig auswählen und trainieren.
Das sieht auch Unternehmer Brand so. „Internationale Leitmessen sind für uns ein sehr wichtiges, aber auch ein teures Instrument zur Kundenakquise“, sagt der Geschäftsführer. „Die Kunden bringen zehn, zwanzig Minuten Zeit mit, dann gehen sie weiter. Da muss jedes Detail am Messestand perfekt laufen, damit in diesem kurzen Zeitfenster die richtigen Kontakte und Geschäfte zustande kommen.“ Besucher werden am Vollmer-Messestand daher in mehreren Sprachen begrüßt. Jeder Mitarbeiter trägt ein Namensschild mit unterschiedlichen Flaggen, wobei jede davon für eine Sprache steht, die der Mitarbeiter spricht. Nicht selten sind auf einem Namensschild vier und mehr Flaggen zu sehen.
Spätestens eine Woche vor der Messe beginnen Schulungen für alle Messeteilnehmer. Mitarbeiter aus dem Ausland lässt Brand frühzeitig einfliegen, um gemeinsam mit Entwicklern und Technikern, mit den Marketing- und Vertriebsteams die neuen Produkte des Unternehmens zu besprechen und die Abläufe am Messestand zu planen. Die Homepage und die Werbematerialien des Unternehmens lässt Brand eigens in 14 Sprachen übersetzen. Das Ziel: „Wir wollen den Kunden das Gefühl geben, dass sie willkommen sind und dass wir verstehen, was sie brauchen und wollen“, erklärt Brand. Denn wenn die internationalen Besucher nach der Messe mit diesem Eindruck vom Unternehmen heimfliegen, laufen anschließend auch die Geschäfte rund.
Checkliste
Was Unternehmer tun können, um die richtigen Kunden zur richtigen Zeit an den Messestand zu locken:
Sechs bis neun Monate vor der Messe:
Zielgruppen, Messeteam, Programm und Präsentationsstrategie festlegen. Kontakt
suchen zu GTAI, AHK und Messeveranstalter: Welche Delegationen kommen aus dem Ausland? Wäre ein Besuch am Messestand möglich? Persönliche Einladungen (möglichst in der Muttersprache) versenden.
Vier Monate vor der Messe:
Konkrete Termine am Stand und für das Rahmenprogramm vereinbaren. Bei zögerlichen Kunden nachhaken: Mit welchem Messeangebot würden sie sich von der Reise zur Messe und vom Besuch am Messestand überzeugen lassen? Unterstützung bei Reiseplanung und -organisation anbieten.
Vier bis zwei Wochen vorher:
Beginn der Schulungen für das Messeteam: Produkt-Briefing, Gesprächstraining, interkulturelles Training. Sind Werbebroschüren und Produktinfos in allen relevanten Sprachen vorhanden?
Am Messetag:
Jederzeit gut geschultes Personal mit ausreichender Vertriebs-, Fach- und Sprachkompetenz am Stand vorsehen. Gute Messegespräche führen. Konkrete Termine für gemeinsame Aktivitäten und Folgegespräche mit Entwicklungsleitern oder Produktmanagern vereinbaren.
Drei Monate nach der Messe:
Reflexionsworkshop: Was ist gut gelaufen? Wen haben wir eingeladen? Wer ist gekommen? Welche Resultate können wir vorweisen? Was machen wir nächstes Jahr besser?
Gut zu wissen
Alle aktuellen Messetermine der GTAI finden Sie hier.
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