Dezember 2019
Autorin: Mariam Misakian, wortwert
Links das Schrägsitzventil Typ 2000 der Bürkert Werke aus Ingelfingen, rechts die Fälschung einer chinesischen Firma, die auch andere Produkte des Mittelständlers nachbaut. Für die dreiste Kopie gab es beim Negativpreis Plagiarius 2019 den ersten Platz. © picture alliance/Frank Rumpenhorst/dpa
Auf der diesjährigen Shanghai Auto Show staunten die Messebesucher nicht schlecht, als der Elektroautohersteller Zedriv zum ersten Mal seinen elektrischen Sportwagen GT3 präsentierte. Nicht etwa der futuristisch anmutende Lack in fließenden Violetttönen sorgte für den Wow-Effekt. Vielmehr überraschte, dass der Wagen im Design ähnlich wie ein Porsche 911 daherkommt.
Nicht nur die Produkte der deutschen Autoindustrie sind bei Produktkopierern beliebt. Von Spielwaren über Kochtöpfe bis hin zu Tragetaschen – keine Branche bleibt verschont. Das zeigt auch eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Jedes zehnte Unternehmen ist demnach in den vergangenen fünf Jahren Opfer von Produkt- und Markenpiraterie geworden. Der Schaden für die deutsche Industrie beläuft sich nach Angaben des IW jährlich auf fast 55 Milliarden Euro. Für besonders dreiste Kopisten gibt es in Deutschland sogar einen Antipreis. Seit mehr als 40 Jahren verteilt die Aktion Plagiarius jährlich einen schwarzen Zwerg mit goldener Nase, um auf das Problem aufmerksam zu machen.
Messen seien dabei neben der Internetrecherche der zweithäufigste Fundort für Plagiate, sagt Nils Weber, geschäftsführender Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei Jonas. Darum sind Patentanwälte dort auch besonders häufig im Einsatz. Im Idealfall zeigen nahezu alle Händler und Hersteller einer Branche ihre Produkte an einem Ort. Unternehmer können so nicht nur wertvolle Kontakte knüpfen. Sie können auch mit wenig Aufwand ausfindig machen, was die Konkurrenz ausstellt und – wer womöglich unerlaubterweise bei den eigenen Produkten abgekupfert hat. „Viele Produzenten bringen Produkte mit, die unter europäische Schutzrechte fallen“, sagt Weber. „Zum Teil tun sie das aus Unkenntnis, zum Teil in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden.“
Zahlen & Fakten
Schaden entsteht deutschen Unternehmen durch Produkt- und Markenpiraterie jährlich.
Stand: 2017. Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft
Vor der Messe: Rechte schützen
Unternehmen müssen ihre Schutzrechte für das jeweilige Land natürlich auch eingetragen haben. „Sie sollten sich nicht erst kurz vor der Messe darum kümmern, ihr geistiges Eigentum zu schützen“, sagt Silvia Bauermeister, Referentin für Recht beim Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e. V. (Auma). „Wer seine Hausaufgaben macht, hat sogar eine eigene Abteilung für Patentrechte.“ Ohne Schutzrechte hat ein Hersteller kaum Möglichkeiten, seinem Mitbewerber das Kopieren zu untersagen. „Patente sind eine hochkomplexe Sache. Wer von wem kopiert und ob etwas als Plagiat identifiziert wird, kann man ohne Schutzrechte ad hoc auf einer Messe nicht nachweisen“, sagt Bauermeister.
Zu den Schutzrechten gehören neben Patenten auch Marken oder ein eingetragenes Design. Je nach Schutzrecht schützt ein Unternehmer die Technik seiner Erfindung, Form und Farbe oder auch bestimmte Wörter und Logos. Wer sich ein Schutzrecht sichern möchte, sollte gerade beim ersten Mal unbedingt einen Patentrechtler zurate ziehen. „Für einen Laien ist es schwierig, ein Design oder eine Marke treffgenau anzumelden. Häufig passieren schon bei den Produktbildern Fehler, die im Streitfall zum Problem werden“, warnt Rechtsanwalt Weber.
Unternehmen können schon vor der Messe herausfinden, ob ein Wettbewerber Plagiate ausstellen wird. Wer zum Beispiel auf einer Fachmesse im Ausland bereits einen Konkurrenten beim Kopieren erwischt oder einen Hinweis von einem Lieferanten bekommen hat, kann im Ausstellungsverzeichnis gezielt nach dem Raubkopierer suchen. Nimmt der Kopist tatsächlich an der Messe teil, ersparen sich Unternehmen Ärger, wenn sie vor Messebeginn ein sogenanntes Grenzbeschlagnahmungsverfahren beim Zoll beantragen. Dann fängt der Zoll Plagiate aus dem EU-Ausland bereits an der Grenze ab.
Während der Messe: vorbereitet sein
Aussteller sollten Urkunden als Original oder als beglaubigte Kopie zur Messe mitbringen. Auch alte Unterlassungserklärungen und Gerichtsurteile gegen Plagiatoren sollten sie dabeihaben – für den Fall, dass sie es mit Wiederholungstätern zu tun haben. Außerdem sollten Unternehmen unbedingt ihren Anwalt vorwarnen und sichergehen, dass er während der Messetage einsatzbereit ist. Viele Messen finden schließlich teilweise an Wochenenden statt.
Rechtsanwalt Weber rät, bei Veranstaltungen in Deutschland schon während des Aufbaus die Stände zu kontrollieren und mit Fotobeweisen zum Anwalt zu gehen. „Dann ist es möglich, innerhalb von ein bis zwei Tagen eine einstweilige Verfügung durchzusetzen.“ Die örtlichen Gerichte sind vorbereitet und handeln in der Regel schnell, ebenso wie die Gerichtsvollzieher, die viele Messeveranstalter bereitstellen.
„Auf bestimmten Messen werden wir jedes Mal fündig“, sagt Carmen Vetter, Abteilungsleiterin Schutzrechte beim Sanitärtechnikunternehmen Hansgrohe. Am ersten Messetag teilt sich das Team in Gruppen auf. Dann laufen die Hansgrohe-Mitarbeiter alle Gänge ab, in denen Konkurrenten Sanitärinstallationen präsentieren. Nachahmer kopieren Armaturen oder Duschbrausen des Schwarzwälder Unternehmens.
Gemeinsam mit ihrem Anwalt sichern sie Beweise und erstellen eine Liste. Wenn etwa Stand 6 in Halle B einen Duschkopf ausstellt, der eindeutig das Design eines Hansgrohe-Duschkopfes kopiert, dann hält der Anwalt die genauen Merkmale der Kopie schriftlich fest. Mögliche Beweise sind Fotos, Produktkataloge oder eine Warenprobe. „In unseren Produkten steckt viel Entwicklungsarbeit. Nachahmer sparen sich diese Entwicklungskosten und springen auf einen fahrenden Zug auf“, sagt Vetter.
Schutzrechte
Gut geschützt ist halb gewonnen
Um die eigenen Produkte für eine gewisse Zeitspanne vor Raubkopisten zu schützen, müssen Unternehmer Schutzrechte registrieren. Anwälte und Notare helfen dabei, Schutzrechte bei den entsprechenden Behörden zu registrieren. Ein Überblick der wichtigsten gewerblichen Schutzrechte:
Patente
Patente schützen technische Erfindungen und Verfahren, die neu und gewerblich anwendbar sind. Die Inhaber können Konkurrenten untersagen, dieselbe Technik zu nutzen und das entsprechende Produkt herzustellen. Hierfür muss der Unternehmer seine Erfindung in allen Einzelheiten in einer Patentschrift offenlegen. Sie ist dann für jeden zugänglich.
Gebrauchsmuster
Ähnlich wie Patente schützen Gebrauchsmuster neue Erfindungen. Ein Gebrauchsmuster einzutragen, ist kostengünstiger als ein Patent, allerdings überprüft niemand, ob das eingetragene Schutzrecht schutzfähig ist, also tatsächlich neu und einzigartig. Darum lässt es sich im Konfliktfall womöglich nicht durchsetzen.
Marken
Sie schützen Wörter, Buchstaben, Zeichen, Abbildungen, Farben sowie Töne, die Waren oder Dienstleistungen des eigenen Unternehmens von anderen unterscheiden.
Eingetragenes Design
Eingetragene Designs schützen die äußere Gestaltung, zum Beispiel Form und Farbe eines Produkts. Ähnlich wie beim Gebrauchsmuster prüft auch hier niemand, ob das angemeldete Design tatsächlich schutzfähig ist.
Auch die Messeveranstalter können helfen. Sie entscheiden zwar nicht eigenmächtig, welcher Beschuldigte tatsächlich ein Produktpirat ist, und sie ziehen auch keine Aussteller aus dem Verkehr. Dennoch legen sie großen Wert darauf, den Frieden auf der Veranstaltung zu wahren. Darum stellen viele Messen Ansprechpartner und einen Patent- und Markenrechtler als Notdienst zur Verfügung. Die Koelnmesse macht mit der Aktion „No Copy! – Pro Original!“ Öffentlichkeitsarbeit gegen Kopisten, die Messe Frankfurt mit „Messe Frankfurt against Copying“.
Der bayrische Spielwarenhersteller Bruder versucht es zunächst im Guten, wenn Mitarbeiter auf einer Messe Plagiate entdecken. „Dann gehe ich mit meinem Anwalt und unserem Originalprodukt in der Hand zum Messestand und bringe eine Unterlassungserklärung mit“, sagt Monika Drexler, Assistentin der Geschäftsführung des Unternehmens. Einsichtige Nachahmer können dann unterschreiben, dass sie die kopierte Ware vom Messestand nehmen und vernichten. „Viele versuchen, sich zu rechtfertigen, behaupten zum Beispiel, sie stellen das Produkt für einen Bekannten aus.“ Die meisten unterschreiben schließlich, dass sie die Ware freiwillig vom Stand nehmen.
Weigert sich der Plagiator aber, fährt Drexler schwerere Geschütze auf und geht den üblichen nächsten Schritt: eine einstweilige Verfügung. Dann nimmt am nächsten Tag ein Gerichtsvollzieher die Plagiate vom Messestand. Mit seiner Strategie fährt Bruder gut. „Wir haben schon seit zwei bis drei Jahren nur noch wenige Plagiate auf Messen entdeckt“, sagt Drexler. „Scheinbar hat sich herumgesprochen, dass wir dagegen vorgehen.“ Einstweilige Verfügungen sind eine wirksame Maßnahme gegen Produktpiraterie, das bestätigt auch Rechtsanwalt Weber. Stellt der Plagiator die Produktkopien nämlich trotz Gerichtsbeschluss wieder aus, muss er mit Ordnungsgeld rechnen. Mit jeder Wiederholung steigt es an – auf bis zu 250.000 Euro.
Stammen Plagiatoren aus dem EU-Ausland, dann können sich Aussteller auch an den Zoll wenden. Das ist für sie sogar kostenlos. Hansgrohe-Mitarbeiterin Vetter übergibt dem Zoll am ersten Messetag eine Liste mit den Ständen und Produkten der Kopisten. Der Zoll beschlagnahmt die Produktkopien dann am nächsten Tag bei einem Rundgang. Tatsächlich sind die Plagiatoren der Hansgrohe-Produkte aber fast immer Chinesen.
Auf Messen in der Volksrepublik läuft das Verfahren an sich ähnlich wie in Deutschland ab. siehe Seite 41, Interview Konkurrenz beobachten, Beweise sichern, Anwalt kontaktieren. Doch zwei Notare müssen den Verstoß beglaubigen. Danach kann das Unternehmen eine Beschwerde bei der staatlichen Verwaltungsbehörde für Industrie und Handel einreichen. Geht der Antrag durch, sorgen die Vollzugsbehörden auch in China recht schnell dafür, dass die Produktkopien vom Stand verschwinden.
Nach der Messe: Kopisten verklagen
Auch nach der Messe besteht die Möglichkeit, Plagiatoren vor den deutschen Gerichten zu verklagen und Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Die Unternehmen sollten sich jedoch im Einzelfall überlegen, ob sich der Aufwand finanziell lohnt. „Gerade bei Plagiatoren im entfernten Ausland sind die Rechtsverfolgungskosten oft höher als der Schadensersatz, der im Idealfall dabei rauskommt“, warnt Rechtsanwalt Weber. Hansgrohe klagt trotz dieses Risikos immer wieder gegen chinesische Unternehmen und hatte damit bereits Erfolge, sagt Schutzrechtebeauftragte Vetter. „Damit wollen wir eine Message an den Markt senden: Wir akzeptieren nicht, das andere sich aufs Trittbrett stellen.“
Falscher Luxus made in China: Läden in Guangdong bieten billige Kopien an, mit Fantasienamen, die an westliche Marken erinnern sollen. © Stefan Volk/laif
»Keine Angst vor Messen in China«
Elliot Papageorgiou ist Partner der internationalen Anwaltskanzlei Clyde & Co – seit 2005 in China. Er hat sich auf den Schutz geistigen Eigentums spezialisiert. Im Interview erklärt er, was Aussteller in der Volksrepublik beachten müssen.
Viele Unternehmen haben Angst, dass sie sich auf Messen in China nicht gegen Plagiatoren wehren können. Zu wem halten die chinesischen Behörden im Streitfall?
Bei kleineren Messen in verhältnismäßig kleineren Städten herrscht tatsächlich hin und wieder Lokalpatriotismus. Die Beamten der Durchsetzungsbehörden forcieren die Rechte der ausländischen Firmen dort weniger enthusiastisch. Bei großen Messen in Metropolen wie Shanghai, Beijing, Guangzhou oder auch Shenzhen ist das aber anders. Da sind die Behörden gegenüber Verletzern gewerblicher Rechte sehr effektiv.
Wie bereite ich mich als Aussteller auf eine chinesische Messe vor?
Aussteller sollten sich vor Messebeginn schlaumachen, ob Produktkopierer auf der Messe sein werden. Aber Achtung: Viele Verletzer gewerblicher Rechte erscheinen gar nicht erst auf den Ausstellerlisten, weil sie ihre Produkte von einer anderen Firma ausstellen lassen. Das machen sie vor allem dann, wenn sie im Jahr zuvor bereits mit Produktkopien erwischt worden und eventuell von der Messe suspendiert worden sind.
Wie gehe ich dann vor?
Man muss bei einem Rundgang die Konkurrenz genau prüfen. Stellt ein Aussteller Ware aus, die zum Beispiel Marken, Patent- oder Designrechte verletzt, sollte man sich die Visitenkarte des Ausstellers geben lassen.
Wie sichern Unternehmen in China Beweise?
Sie tun das erst am ersten Messetag, denn anders als in Deutschland ist Beweismaterial vom Aufbautag nicht gültig. Der Aussteller handelt in China erst dann rechtswidrig, wenn er die Produkte öffentlich anbietet. Beim Rundgang nimmt der Anwalt des Unternehmens einen verdeckten Ermittler und zwei verdeckt arbeitende Notare mit. Der Ermittler nimmt Prospekte, Visitenkarten und auch Fotos der Produktkopien auf und zeigt das Beweismaterial den beiden Notaren. Die attestieren dann später die Echtheit der Beweise. Hat der Ermittler alle Beweise zusammen, bringt der Anwalt sie in einem gebündelten Report zu den Durchsetzungsbehörden vor Ort und beantragt, dass die Produktkopierer die entsprechende Ware aus dem Messeangebot nehmen.
Was tun die Behörden dann vor Ort?
Ein Beamter geht zum Stand des Produktkopierers und konfrontiert den Rechtsverletzer mit den Vorwürfen. Der mutmaßliche Raubkopierer hat dann 24 Stunden Zeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. In den meisten Fällen setzt die Behörde aber schon am ersten Messetag durch, dass Kopierer die Produkte vom Stand nehmen oder abdecken müssen. Unternehmen sollten das alles aber nur dann in Gang setzen, wenn sie hinterher auch eventuell klagen möchten. Andernfalls sehen Messeveranstalter und die Vollzugsbehörde das im nächsten Messejahr nicht gern und könnten unter Umständen einer erneuten Durchsetzungsaktion an der Messe nicht mehr nachgehen.
©Elliot Papageorgiou
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Das Heft „Erfolgreiche Messebeteiligung“ des Auma behandelt unter anderem Plagiate.
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