März 2019
Autoren: Beatrice Repetzki, Peter Buerstedde, Daniel Lenkeit und Florian Steinmeyer
Lea fällt Leuten gern um den Hals und ist auch ansonsten gut drauf. Zumindest Letzteres dürfte ebenso für ihre Erschaffer vom deutschen Spieleentwickler Radical Fish Games gelten. In dessen Computerabenteuer „Cross Code“ spielt Lea die Hauptrolle. „Das Game hat sich so gut verkauft, dass wir unsere Finanzierung für die nächsten Jahre gesichert haben“, sagt Felix Klein, Mitgründer des Entwicklers.
Mit seinem Erfolg dürfte das junge Studio die Ausnahme sein. Insgesamt dümpelt die deutsche Games-Industrie vor sich hin. Nachdem die Mitarbeiterzahl 2016 und 2017 zurückging, hat sie sich im vergangenen Jahr mit einem leichten Wachstum stabilisiert. Im Gegensatz zu europäischen Nachbarländern wie Polen und Frankreich gibt es hierzulande allerdings keine Studios, die international beachtete Großproduktionen, sogenannte AAA-Spiele, stemmen können. Einzig die 2018 eröffnete Niederlassung des französischen Branchenriesen Ubisoft in Berlin bietet einen kleinen Hoffnungsschimmer. Immerhin soll 2019 ein staatliches Förderprogramm kommen.
In der Branche wird das schon lange gefordert. „Förderprogramme sind kein Allheilmittel, aber Deutschland ist in einer Situation, in der Förderung Chancen schaffen kann“, sagt Andre Peschke, der im Podcast „Auf ein Bier“ regelmäßig über die Games-Wirtschaft spricht und zuvor für verschiedene Szenepublikationen tätig war.
Andere Standortnachteile sind schwerer zu beheben. Vor allem sei das Angebot an sogenannten Publishern hierzulande dünn, sagt etwa Petra Fröhlich, Gründerin des Branchenportals Gameswirtschaft.de. Publisher heißen die Verlage für Computerspiele. „Vor allem die größeren Studios müssen ausländische Partner suchen, da in Deutschland fast niemand ihre Projekte finanzieren kann“, sagt Fröhlich. Erschwerend kommt hinzu: Es werde immer komplizierter, als unabhängiger Entwickler einen Vertrag zu bekommen, sagt Fröhlich. Denn die Publisher verschlanken ihr Portfolio und konzentrieren sich stärker auf Inhouseproduktionen. Eine Zeit lang galt die Mikrofinanzierung über Plattformen wie Kickstarter als Ausweg für Entwickler. Aber das sei kein Selbstläufer, betont Games-Experte Andre Peschke. „Um dort erfolgreich zu sein, muss ein Entwickler schon erfolgreiche Spiele oder ein weit fortgeschrittenes Projekt vorweisen können.“
Erfolg mit der richtigen Strategie
Studios wie Radical Fish Games zeigen derweil, dass deutsche Entwickler mit einem guten Produkt und der richtigen Strategie auch unter den aktuellen Bedingungen erfolgreich sein können. Das Unternehmen habe „Cross Code“ zunächst nur vorläufig auf der Onlineverkaufsplattform Steam veröffentlicht, und zwar im sogenannten Early Access, berichtet Mitgründer Klein. „So konnten wir Feedback einholen und das Spiel weiterentwickeln, haben gleichzeitig aber schon Einnahmen erzielt.“
Digitale Verkaufskanäle wie Steam oder auch die App-Shops für Handyspiele werden immer wichtiger. Laut dem Branchenverband Game fanden im Jahr 2017 acht von zehn PC-Spielen in Deutschland so ihre Abnehmer. „Für uns als Spieleentwickler ist das eine riesige Chance“, sagt Carsten Fichtelmann, Geschäftsführer des Hamburger Studios Daedalic. „Besonders China gewinnt an Bedeutung, aber auch Märkte wie die Türkei und der Mittlere Osten, die wir früher gar nicht auf dem Schirm hatten.“
Interview
»Das Potenzial für mehr Games aus Deutschland ist da.«
Felix Falk, Geschäftsführer des deutschen Branchenverbands Game, erklärt, warum er Fördermittel für eine gute Idee hält. In dem Verband sind Entwickler, Publisher und viele weitere Akteure der Games-Branche organisiert – wie E-Sports-Veranstalter, Bildungseinrichtungen und Dienstleister. Der Verband ist Gastgeber der Gamescom, der weltgrößten Messe für Computer- und Videospiele.
Welche Aussichten sehen Sie für die deutsche Games-Wirtschaft?
Obwohl der Umsatz mit Games in Deutschland wachsen wird, werden die deutschen Entwickler und Publisher ihren Anteil an den Verkäufen höchstens konstant halten können. Dabei liegt er schon heute bei lediglich 5,4 Prozent.
Inwieweit müssen sich die Rahmenbedingungen – besonders im Bereich der Förderung – verbessern?
Deutschland hat durchaus Potenzial in der Games-Entwicklung. Das zeigt zum Beispiel die Neuansiedlung von Ubisoft in Berlin. Doch die mangelnde Förderung führte bisher dazu, dass die Entwicklung neuer Spiele bei uns um bis zu 30 Prozent teurer ist als im europäischen Ausland. Die Entscheidung des Bundestages, ab 2019 einen Fördertopf von 50 Millionen Euro bereitzustellen, ist daher ein wichtiges Signal.
Förderung ist die eine Sache. Was müssen die hiesigen Spielefirmen selbst tun, um erfolgreicher zu sein?
Neue Technologien können sowohl für Entwickler als auch für Publisher eine Chance sein. Ich denke da etwa an Spiele in der virtuellen oder erweiterten Realität und an neue Vertriebskonzepte. Neue Technologien werden von unserer Branche schnell aufgenommen und genutzt. Firmen wie Crytec und Yager haben in der Vergangenheit bewiesen, dass Großproduktionen aus Deutschland möglich sind. Da wollen wir wieder hin.
Die digitalen Verkaufswege würden aber auch Herausforderungen bergen, sagt Adrian Goersch, Chef des mittelständischen Entwicklers Black Forest Games. „Das große Problem ist die Sichtbarkeit. Auf den digitalen Plattformen kommen jedes Jahr Tausende Spiele heraus, da geht man leicht unter.“ Neben einem gezielten Marketing über Kanäle wie Youtube und Twitter sei die Lokalisierung wichtig. „Wir stecken viel Mühe in die Übersetzung und andere Angleichungen unserer Spiele. Dazu gehört es auch, regionale Preisstrukturen zu berücksichtigen.“
Zwar wächst der Markt für Games weltweit, der Erlös über den reinen Verkaufspreis geht aber zurück. Immer mehr Einnahmen erzielen Entwickler und Verlage über zusätzliche Spielinhalte, in der Branche Games-as-a-Service genannt. „Aufgrund der Entwicklung bieten wir verstärkt fair bepreiste Zusatzinhalte an“, sagt Geschäftsführer Fichtelmann von Daedalic. „Daneben sollte man versuchen, auf möglichst vielen Systemen präsent zu sein.“ Auch Lea aus dem Spiel „Cross Code“ wird ihre Umarmungen bald jenseits des PC verteilen, verspricht Radical-Fish-Gründer Felix Klein. „Wir arbeiten derzeit an Versionen für die führenden Konsolen.“
Weitere Informationen
Branchenverband und Gamescom-Veranstalter: www.game.de
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