Oktober 2018
Interview: Andreas Bilfinger
Herr Minister Altmaier, US-Präsident Donald Trump setzt auf „America first“, droht mit deutlichen Zollerhöhungen und stellt Freihandelsabkommen grundsätzlich infrage. Ist der weltweite freie Handel erst einmal Geschichte?
Nein, schließlich ist ein freier und regelbasierter globaler Handel die beste Basis für Wachstum und für Millionen von Arbeitsplätzen. Ich bin froh, dass es dem Kommissionspräsidenten der EU, Jean-Claude Juncker, im Juli gelungen ist, wieder eine gemeinsame Gesprächsbasis mit US-Präsident Trump über eine engere Zusammenarbeit und den Abbau von Zöllen im Industriebereich zu finden. Wir reden jetzt nicht mehr über einseitige Strafmaßnahmen, sondern über gemeinsame Vereinbarungen. Das ist der richtige Weg.
Hinzu kommt die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran. Die US-Sanktionen gegen den Iran treffen indirekt auch deutsche Unternehmen. Anders ausgedrückt: Firmen, die gegen die Sanktionen verstoßen, müssten im Extremfall zugunsten des Irans auf ihr US-Geschäft verzichten. Ist das realistisch? Kann die Bundesregierung da helfen, oder war es das mit dem Irangeschäft?
Die Bundesregierung hält gemeinsam mit der EU an der funktionierenden Wiener Nuklearvereinbarung fest, solange sich der Iran an seine Verpflichtungen hält. Die Aufhebung nuklearbezogener Sanktionen soll sich nicht nur positiv auf die Wirtschaftsbeziehungen mit Iran auswirken, sondern vor allem auf das Leben der Menschen im Land. Wir bedauern daher, dass die USA aufgrund ihres Rückzugs aus der gemeinsamen Vereinbarung nun erneut US-Sanktionen verhängen, und halten ihre extraterritoriale Anwendung auf europäische Firmen für völkerrechtswidrig. Um EU-Unternehmen, die im Iran rechtmäßig geschäftlich tätig sind, vor den Auswirkungen der US-Sanktionen zu schützen, hat die EU die Blocking-Verordnung in Kraft gesetzt. Diese stellt sicher, dass Geschäftsentscheidungen weiterhin frei getroffen werden können und EU-Wirtschaftsteilnehmern keine extraterritorialen Sanktionen aufgezwungen werden. Wir haben im Bundeswirtschaftsministerium eine Kontaktstelle Iran für betroffene Unternehmen eingerichtet. Auch die wichtigen Exportförderinstrumente der Exportkredit- und Investitionsgarantien stehen unseren Unternehmen zur Absicherung ihrer Geschäfte weiter zur Verfügung. Natürlich setzen wir uns auch weiter in Gesprächen mit der US-Administration für die Interessen unserer Unternehmen ein und versuchen auf nationaler und europäischer Ebene Möglichkeiten für die Aufrechterhaltung effektiver Finanzkanäle mit dem Iran auszuloten.
Peter Altmaier hat seinen ersten PC 1985 gekauft und gehört heute zu den aktivsten Twitternutzern des Bundestages. Bei den digitalen Geschäftsmodellen sieht er Nachholbedarf.
© Urban Zintel/laif
Peter Altmaier ist seit März 2018 Bundesminister für Wirtschaft und Energie.
2013–2018
Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes
2012–2013
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
2009–2012
1. Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
2005–2009
Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern
2000–2005
Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Nicht nur die USA setzen offenbar auf die Abschottung des eigenen Marktes und den vermeintlichen Schutz der eigenen Wirtschaft: Der Trend zu Protektionismus und Abschottung nimmt weltweit zu. Muss sich die deutsche Wirtschaft dieser Herausforderung allein stellen, was kann die Bundesregierung tun?
Wir treten als Bundesregierung auf allen Ebenen und mit den uns zur Verfügung stehenden Instrumenten ganz klar für einen freien Handel und gegen Protektionismus ein. Denn gerade als erfolgreiche Exportnation ist Deutschland darauf auf besondere Weise angewiesen. Auf diesem Weg sind wir aber keinesfalls allein, im Gegenteil: So hat die Europäische Union jüngst mit Japan ein Freihandelsabkommen unterzeichnet, eines mit Singapur ist final verhandelt und im Mai haben die EU-Handelsminister die Aufnahme von Freihandelsverhandlungen mit Australien und Neuseeland beschlossen. Es gibt also zahlreiche positive Signale für regelbasierte weltweite Handelsabkommen der EU mit großen und chancenreichen Märkten.
»Wir reden nicht mehr über Strafmaßnahmen, sondern über Vereinbarungen. Das ist der richtige Weg.«
Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie
Deutsche Unternehmen werden seit einigen Monaten immer seltener bei Aufträgen in Saudi-Arabien berücksichtigt, die Gründe sind anscheinend politischer Natur. Wie wird die Bundesregierung mit den jüngsten Entwicklungen umgehen, damit die deutsche Wirtschaft nicht ganz außen vor bleibt?
Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien blicken auf eine langjährige, gute Tradition: Die vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Delegation der Deutschen Wirtschaft für SaudiArabien feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. An dieser Erfolgsgeschichte müssen wir weiter gemeinsam arbeiten. Saudi-Arabien hat mit der Vision 2030 eine ambitionierte Reform angestoßen, die nicht nur die Wirtschaft modernisieren soll, sondern die auch tief in die Gesellschaft hineinreicht. Dafür habe ich großen Respekt. Deutschland ist gern bereit, hier bei der Umsetzung zu unterstützen.
China ist mittlerweile der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Beide Länder profitieren voneinander, doch von gleichen Marktbedingungen kann keinesfalls die Rede sein. Glauben Sie, dass es eine Gleichbehandlung deutscher und chinesischer Firmen in China in absehbarer Zeit geben wird?
China ist für uns ein ganz wichtiger Handelspartner, in den Jahren 2016 und 2017 sogar unser wichtigster Handelspartner weltweit. Das deutsch-chinesische Handelsvolumen betrug 2016 rund 170 Milliarden Euro und 2017 über 186 Milliarden Euro. Wir begrüßen, dass sich China für Freihandel und Öffnung der Märkte ausspricht, und freuen uns, wenn den Worten auch Taten folgen. Natürlich machen wir gegenüber China auch immer wieder deutlich, dass Rechtssicherheit die Basis guter Wirtschafts- und Handelsbeziehungen ist.
Praktische Hinweise
Informationen zu Irangeschäften
Die Kontaktstelle Iran im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) beantwortet Anfragen deutscher Unternehmen zum Irangeschäft. Firmen können sich per E-Mail direkt an das BMWi wenden.
Welche Unterstützung durch die Blocking-Verordnung möglich ist, darüber gibt die Europäische Union in einer Pressemitteilung sowie in einem Leitfaden Auskunft.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat eine Hotline geschaltet: Firmen, die güterbezogene Fragen zum Iranembargo haben, können sich beim BAFA telefonisch (Tel.: 06196 908-1870) oder online informieren.
Germany Trade & Invest berichtet weiterhin über die Auswirkungen der US-Sanktionspolitik auf einzelne Branchen und die gesamte Wirtschaftsentwicklung im Iran. Hier finden Unternehmen aktuelle Berichte zum Land.
Die sogenannten Hidden Champions, also der Mittelstand, stehen seit Jahrzehnten für hohe Qualität, Innovationsfähigkeit, Weltmarktführerschaft. Welche Aufgaben sehen Sie auf die Bundesregierung zukommen, damit deutsche Unternehmen ihre Position als Weltmarktführer verteidigen können?
Deutschland hat einen starken und erfolgreichen Mittelstand und eine erfolgreiche industrielle Basis. Auch bei Industrie 4.0 ist Deutschland führend. Um unsere gute Wettbewerbsposition zu halten, müssen wir aber bei Zukunftstechnologien insgesamt besser, ja Leitmarkt und Leitanbieter, werden, beispielsweise bei der künstlichen Intelligenz. Dafür braucht es nicht nur gute Grundlagenforschung, sondern auch schnelle Umsetzung und Transfer in Geschäftsmodelle, wenn wir vorne mit dabeibleiben wollen. Daher werde ich hierfür eine Transferinitiative vorlegen – wir wollen die Unternehmen besser dabei unterstützen, ihre Innovationen von der Idee schneller bis zum Markterfolg zu bringen.
»Bei Zukunftstechnologien wie der künstlichen Intelligenz müssen wir Leitmarkt und Leitanbieter werden.«
Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie
Die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas ist für die Europäische Union und für Deutschland von zentraler Bedeutung. Was tut die Bundesregierung, um sie zu unterstützen? Wie kann das Engagement des deutschen Mittelstands auf diesem nicht ganz einfachen Markt gefördert werden? Ist das überhaupt sinnvoll?
Afrika ist ein Kontinent großer Chancen, steht aber gleichzeitig vor schwierigen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Wir wollen eine Wirtschaftspartnerschaft auf Augenhöhe zwischen Deutschland und Afrika. Mehr privatwirtschaftliches Engagement, mehr Handel und mehr Investitionen – darin liegt der Schlüssel für mehr Arbeitsplätze und die weitere wirtschaftliche Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent. Deutsche Unternehmen leisten schon heute durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, Know-how- und Technologietransfer sowie beruflicher Bildung wichtige Beiträge. Die Politik der Bundesregierung zielt darauf ab, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Staaten Afrikas zu vertiefen und weiter auszubauen, um so zur wirtschaftlichen Entwicklung und politischen Stabilisierung des Kontinents beizutragen. Wir haben daher unter anderem unsere Instrumente zur Unterstützung gerade mittelständischer Exportunternehmen weiterentwickelt. Im Juni dieses Jahres haben wir zum Beispiel die staatlichen Garantieprodukte für Afrikaexporte verbessert. Bei den sogenannten Exportkreditgarantien gelten nun günstigere Konditionen für viele Geschäfte mit Côte d’Ivoire, Senegal und anderen afrikanischen Ländern. Diese Länder hatten im Rahmen der G20-Initiative Compact with Africa die Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessert. Wir bieten außerdem immer mehr und standardisiertere Lösungen an und unterstützen dadurch vor allem Mittelständler, die sich in Afrika und anderen vielversprechenden Märkten engagieren wollen. Die Maßnahmen zeigen erste Erfolge – wir haben bereits zahlreiche Projekte flankiert, die für Afrika und die deutschen Unternehmen gleichermaßen von Vorteil sind.
Gibt es aus Ihrer Sicht Branchen oder Trends, die global betrachtet für den deutschen Mittelstand in Zukunft besonders wichtig sein werden?
Eines der großen Themen ist neben der Digitalisierung die künstliche Intelligenz. Hier haben wir Eckpunkte beschlossen, die bis zum Digital-Gipfel am 3. und 4. Dezember dieses Jahres gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft ausgearbeitet werden. Aber auch bei anderen Zukunftstechnologien dürfen wir den Anschluss nicht verlieren, sei es beim autonomen Fahren oder der Batteriezellfertigung. Auch beim Thema Plattformökonomie sollten wir den Ehrgeiz entwickeln, aus Deutschland und Europa heraus wichtige Player hervorzubringen. Gerade in den Bereichen Gesundheit, Mobilität und Energie ist das Rennen um die nächste Plattform noch nicht entschieden – hier haben wir eine hervorragende Ausgangslage, die es zu nutzen gilt.
Service & Kontakt
GTAI-Pressesprecher
Andreas Bilfinger
+49 30 200 099 173
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WEHRET DEN ANFÄNGEN
Nun, die Bundesregierung gefällt sich scheinbar darin, mit dem amerikanischen Lautsprecher zu plappern. Ich wünsche mir hier ein wesentlich deutlicheres Auftreten für ein souveränes, eigenständiges Handeln, sowohl als Deutschland, als auch als Teil der EU. Das Wort Sanktionen gehört in den Mülleimer der Geschichte. So etwas sollte es überhaupt nicht mehr geben, das ist eine Form von Krieg, nur mit anderen Waffen.
Wir müssen … wir sollten … wir werden …
Viel Geschwätz, aber nichts Handfestes.