»Firmen wollen die Importe aus China reduzieren«
Interview mit Prof. Dr. Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft
August 2022
Interview: Achim Haug
Frau Flach, die Lieferketten sind zurzeit an verschiedenen Punkten stark gestört. Wo sieht es am düstersten aus?
Es kommen mehrere Krisen zusammen. Das Ifo Institut erhebt regelmäßig einen Index für Materialknappheit – und der lag zum Jahreswechsel 2021/22 auf einem Rekordniveau, vor allem durch Corona. Anfang 2022 hatte sich die Lage zwar etwas erholt. Doch dann kamen der Krieg in der Ukraine und die Lockdowns in China. Viele Unternehmen klagen darüber, dass Ausgangsmaterialien und Vorprodukte fehlen. Das führt zu höheren Preisen und zu Unsicherheit.
Inwieweit ist Corona noch ein Thema?
Das Problem heißt vor allem China, die Lockdowns in Shanghai und anderen Städten sind das Hauptsorge für Unternehmen. Es gibt auch ansonsten noch Nachwirkungen der Pandemie, aufgestaute Schiffe, fehlende Container. Aber weitestgehend sind die Auswirkungen überwunden.
Wie langfristig sind die Auswirkungen auf die Lieferketten durch den Krieg?
Das ist schwer zu sagen und hängt auch von der westlichen Politik ab. Die Frage ist zunächst, wie weit die Krise eskaliert, also der Krieg aber auch die Sanktionspakete. Deutschland ist von Russland nicht besonders abhängig, außer vom Gas. Das sieht im Fall von China schon ganz anders aus. Und da stellt sich die Frage, wie der Krieg die Beziehungen zu China verändert.
Prof. Dr. Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft.
Durch Chinas Null-Covid-Politik ist die Beschaffung in der Volksrepublik schwierig geworden. Und auch in Sachen Menschenrechte und Klimaschutz steht China immer wieder in der Kritik. Kehren wir der Volksrepublik langsam aber sicher den Rücken?
Viele Unternehmen überdenken ihre Beziehungen zu China. Nicht nur aufgrund von Corona, sondern auch durch den Ukrainekrieg. Das zeigen unsere Umfragen. Knapp die Hälfte der Unternehmen sagt, dass sie auf wichtige Vorleistungen aus China angewiesen sind. Doch mehr als die Hälfte der Betroffenen will diese Importe drosseln reduzieren. Vier von fünf wollen so die Abhängigkeit von China reduzieren. Daneben spielen auch Faktoren wie Störungen im Transport und die gestiegenen Kosten eine Rolle.
Und wohin geht die Reise der Beschaffer?
Eindeutig nach Europa: Knapp 80 Prozent der Unternehmen, die Alternativen zu China suchen, nennen EU-Nachbarländer und andere europäische Länder. Wir reden hier also nicht über Reshoring nach Deutschland, sondern viele Firmen suchen gute Alternativen innerhalb unseres Wirtschaftsraums. Und die gibt es: Insbesondere die Visegrad-Staaten haben eine sehr hohe Bedeutung für Deutschland. Der Binnenmarkt erleichtert da den Handel ungemein.
Was sollte sich verändern in der Beschaffung?
Unsere Analyse von Wertschöpfungsverflechtungen zeigen, dass einzelne Produkte hohe Abhängigkeiten aufweisen. Bleiben etwa bestimmte Halbleiter aus, kann das die komplette Produktion lahmlegen. Es ist daher sehr wichtig, diese kritischen Abhängigkeiten transparent zu machen und dann zu verringern. Die meisten Unternehmen versuchen, ihre Lieferketten zu diversifizieren. Allerdings ist das für kleine Unternehmen schwieriger, denn es geht in der Regel mit höheren Fixkosten einher. Kleine und mittelgroße Unternehmen erhöhen mitunter die Lagerhaltung. Allerdings hängt das auch von der Komplexität des Produkts ab. Zum Beispiel ist das in der Kfz-Produktion kaum möglich, bei der Vielzahl der Varianten.
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