»Südosteuropa hat großes Potenzial«

Interview mit Mahmut Galijašević, Geschäftsführer am Standort Bosnien und Herzegowina des Filtrationsspezialisten Mann+Hummel.

August 2022
Interview: Martin Gaber

Herr Galijašević, Bosnien und Herzegowina verbinden viele mit dem Krieg der 1990er Jahre und politischer Instabilität. Als attraktiven Beschaffungsmarkt haben nur wenige das Land auf dem Schirm. Zu Recht?

Tatsächlich ist das Image des Landes viel schlechter als das, was wir hier erleben. Wir sind seit mehr als 40 Jahren hier aktiv, zudem engagiere ich mich im Deutsch-Bosnischen Wirtschaftsverein der Auslandshandelskammer. Viele Unternehmen haben sich hier sehr gut entwickelt. Für uns ist das Land eine Erfolgsgeschichte.

Woran liegt es, dass ausgerechnet Bosnien und Herzegowina eine Erfolgsgeschichte für MANN+HUMMEL ist?

Zahlreiche Faktoren sprechen für Bosnien und Herzegowina: wettbewerbsfähige Lohnkosten, eine günstige geografische Lage, eine lange industrielle Tradition. Doch das ist nicht entscheidend für uns. Entscheidend sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir konnten dort sehr qualifizierte und motivierte Angestellte finden – das ist unser Erfolgsgeheimnis.

Ist es denn so leicht, qualifizierte Fachkräfte im Land zu finden?

Noch ist es möglich, sie zu finden. Wir investieren aber auch viel in die Mitarbeitersuche: Wir haben eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild, arbeiten eng mit den Schulen zusammen. Wir stärken unsere Marke als Arbeitgeber. Aber wir merken auch, dass viele Leute das Land in Richtung Westeuropa verlassen. Was uns wiederum zwingt, noch aktiver zu werden.

Warum haben Sie sich für Bosnien und Herzegowina entschieden?

Unsere Geschichte in Bosnien und Herzegowina geht bis in die 1970er Jahre zurück. Wir haben damals schon eng mit einem lokalen Unternehmen aus dem damaligen Jugoslawien zusammengearbeitet. Das Unternehmen stellte dort in Lizenz unsere Filter für den lokalen Markt her. Diese Verbindung ist nie abgerissen. Im Jahr 2006 hat MANN+HUMMEL die Firma dann übernommen. haben damals allerdings nicht erwartet, dass sich das so gut entwickelt. Heute haben wir mehr als 700 Beschäftigte, unser Umsatz hat sich vervierfacht und wir investieren weiter.

 Mahmut Galijašević
MANN+HUMMEL, Geschäftsführer am Standort Bosnien und Herzegowina

Das klingt so, als wäre der Standort mittlerweile auch von strategischer Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe. Welche Rolle spielt er für ihr Produktionsnetzwerk?

Bosnien und Herzegowina wird immer wichtiger für uns, sowohl für unsere Zentrale in Deutschland, als auch auf globaler Ebene. Wir liefern rund 70 Prozent der Produkte, die wir hier herstellen, nach Deutschland in unser Zentrallager. Der Rest geht unter anderem nach Indien, China, Nord- und Südamerika. Der Standort Bosnien und Herzegowina hat zudem eine zentrale Bedeutung für Südosteuropa in Bezug auf Logistik, Vertrieb und Marketing. Sogar im Bereich Forschung und Entwicklung haben wir uns weiter nach oben entwickelt. Wir können hier Prototypen entwickeln und testen – sowohl für uns als auch andere Werke der Gruppe. Viele Kunden kommen aus dem Bereich Automotive und sind sehr anspruchsvoll, was Tests und Standards angeht. Wir können hier gut mithalten. Wenn wir das im europäischen oder sogar globalen Vergleich sehen, dann sind wir hier auf einem sehr hohen Level.

Wohin geht die Reise für MANN+HUMMEL in Bosnien und Herzegowina?

Wir haben erst kürzlich mehr als vier Millionen Euro in ein Logistikzentrum investiert. Weitere Investitionen, gerade in die Produktion, sind schon in Planung und folgen in den kommenden Jahren.

Wie geht es für Bosnien und Herzegowina sowie ganz Südosteuropa weiter?

Die aktuellen Krisen bereiten der Automotive-Industrie Kopfschmerzen: Lieferketten, Ukraine, Covid. Aber das sind gleichzeitig die Treiber für neue Investitionen. Südosteuropa hat großes Potenzial. Die Region ist nah dran Westeuropa, hat eine Industriekultur und es gibt noch qualifizierte Arbeitskräfte. Nur an der Strategie, wie die Länder attraktiv für ausländische Investoren werden, müssen sie noch arbeiten. Serbien geht mit gutem Beispiel voran: Die Regierung wirbt gezielt ausländische Investoren an, unterstützt sie bei der Ansiedlung. Starke Zulieferer sind schon dort und ziehen weitere an. Die guten Beispiele sprechen sich rum.

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